Basketball:Saisonstart am sechsten Spieltag

Basketball: "Ein Spieler, der eigentlich keine Position hat, im positiven Sinn": Isaac Bonga.

"Ein Spieler, der eigentlich keine Position hat, im positiven Sinn": Isaac Bonga.

(Foto: Ulrich Gamel/Kolbert-Press/Imago)

Gegen Anadolu Efes Istanbul gelingt dem FC Bayern der erste Euroleague-Sieg. Endlich hat Trainer Trinchieri so viele Optionen zur Verfügung, wie er sich das vorgestellt hat.

Von Christoph Leischwitz

Eine Stunde nach dem Spiel kam Isaac Bonga umgezogen aus der Kabine in den nunmehr recht spärlich beleuchteten Audi Dome, die Kapuze seines Hoodies über seinen gefärbten Haaren. Der Lärm der Euroleague-Partie jenes Abends rauschte noch in den Ohren, doch der 22-jährige Allrounder sprach unheimlich leise, auch über ganz emotionale Themen. "Ich lieb's, in so Hallen zu spielen, wo dich alle ausbuhen und du teilweise beschimpft wirst", sagte er grinsend. Das Heimspiel des FC Bayern gegen Anadolu Efes aus Istanbul war auch rein akustisch ziemlich ausgeglichen gewesen, für jeden waren genug Anfeuerungen und Buhrufe dabei, in einer hochspannenden Schlussphase dann auch alles gleichzeitig.

Doch es hatte ihnen nichts ausgemacht, diesmal hatten die Bayern allen Rückschlägen getrotzt. Und gegen den aktuellen Titelverteidiger einen unheimlich wichtigen Sieg eingefahren - den ersten in der laufenden Euroleague-Saison nämlich, am sechsten Spieltag. Als der letzte, weite Wurf von Efes-Allrounder Will Clyburn mit der Schlusssirene gegen das Brett, aber nicht in den Korb fiel, war den Bayern die Erleichterung über den knappen 81:78-Erfolg deutlich anzusehen. In der zweiten Spielhälfte hatte der Außenseiter sich so stark präsentiert, dass eine weitere unglückliche Niederlage womöglich traumatische Folgen gehabt hätte.

Auch Andrea Trinchieri erschien nach dem Spiel passenderweise in einem legeren Kapuzenpulli. Doch der Bayern-Coach erlaubte sich nach dem erleichternden Sieg auch einen kurzen Ausflug auf die Metaebene. "Trainer haben viele Narben", sagte er. Damit machte er klar, dass die fünf Niederlagen zuvor an ihm auch nicht spurlos vorbeigegangen waren. Aber besser, der Trainer habe die Narben - "bei den Spielern war der Wille zum Sieg größer als die Sorge über die fünf Partien davor", befand er.

Es hatte eine Phase gegeben zu Beginn des dritten Viertels, in der sein Team stark ins Wanken geraten war, Freddie Gillespie wurde am Korb sehenswert geblockt, der ungemein präsente Cassius Winston kassierte ein unsportliches Foul, Efes zog sieben Punkte davon. Der Pressekonferenz-Trinchieri im Kapuzenpulli strich zur Erklärung mit seiner rechten Hand an seinem linken Arm herab: "Es ist wie Wasser", sagte er. Man müsse so etwas einfach an sich abperlen lassen.

Gut möglich, dass an diesem Abend die Saison erst so richtig begann für die Bayern-Basketballer. Natürlich steht das Team weiterhin am Tabellenende, es ist nach wie vor Aufholjagd-Modus angesagt. Nun aber hat der Trainer so viele Optionen zur Verfügung, wie er sich das zu Beginn der Saison vorgestellt hat, und somit konnte er die Verantwortung durch permanente Rotation auf mehrere Schultern legen.

"Natürlich ist er noch frisch, er hat ja drei Monate nichts gemacht", witzelt Trinchieri über Harris

Klar war auch, dass dabei auf die so lange verletzten Elias Harris und Isaac Bonga wichtige Aufgaben zukommen würden. Beide waren vor allem im Schlussabschnitt besonders wichtig, der 2,03-Meter-Mann Bonga mit seinen Offensiv-Rebounds, die Trinchieri ohnehin als spielentscheidend erachtete (18:10, Rebounds gesamt 40:35 für Bayern), und Harris, der seine zehn Punkte allesamt im vierten Viertel erzielte. "Bonga ist ein Spieler, der eigentlich keine Position hat, im positiven Sinn", schwärmte Trinchieri, Bongas Vielseitigkeit habe viel zum Erfolg beigetragen. "Und Harris: Natürlich ist er noch frisch, er hat ja drei Monate nichts gemacht", witzelte der Coach über den ehedem Langzeit-Verletzten.

Nun also seien endlich fast alle Spieler endlich an Bord. Was aber nicht bedeute, dass die Mannschaft nun am Leistungszenit steht. "Wir sind immer noch ein Team, das ziemlich viele Fehler macht", sagt Trinchieri. Drei Spieler hätten noch gar keine Euroleague-Erfahrung, der Sprung ins kalte Wasser erfordere jetzt, dass man sich da erst einmal durchnavigieren müsse. Den Sieg gegen Efes hätten die Münchner in den letzten Sekunden beinahe noch aus den Händen gegeben, es fehlt weiterhin noch an Eingespieltheit und Routine.

An diesem Sonntag (18 Uhr) steht erst einmal Bundesliga-Alltag auf dem Programm, mit einem bayerischen Derby gegen Medi Bayreuth. Bayern ist diesmal dann alles andere als ein Außenseiter, Beschimpfungen von Gästefans sind auch nicht zu erwarten. Isaac Bonga freut sich trotzdem auf das Spiel. Denn jedes bedeute für ihn nach seiner Verletzung, "einen kleinen Schritt nach vorne zu machen". Im Normalfall sind seine kleinen Schritte für das junge Team aus Bayreuth immer noch viel zu lang.

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