FC Bayern München:Amen beim Mittagessen

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Während Verteidiger Lúcio den FC Bayern verlässt, muss Mittelfeldspieler Franck Ribéry bleiben. "Das Thema ist jetzt beerdigt", erklärt Manager Uli Hoeneß.

Moritz Kielbassa

Sein Vorgänger begrüßte Journalisten stets mit einem flotten "Mahlzeit", auch wenn es nichts zu essen gab. Louis van Gaal stellte sich Donnerstagfrüh mit Handschlag vor, bei jedem Reporter - das sei Erziehungssache. Dann gab der neue Trainer des FC Bayern bekannt, er nehme nach zwei Kennenlernwochen, in denen die Spieler bereits "eine Reaktion auf meine Philosophie gezeigt" hätten, ein "gutes Gefühl" mit ins Trainingslager nach Donaueschingen- aber leider auch: 28 Spieler.

Die Bayern erklären die Diskussionen um Franck Ribéry für beendet. (Foto: Foto: Getty)

"Das sind zu viele", findet van Gaal, seine Sollzahl wären: "22 plus drei junge Talente". Noch am Donnerstag, kurz vor der Abreise Richtung Schwarzwald, schrumpfte der Kader auf 27 Mann. Der Platz von Innenverteidiger Lúcio im Charterflieger blieb leer, der Brasilianer wechselt mit Anstellungsvertrag bis 2012 zu Inter Mailand - nach fünf erfolgreichen Jahren beim FC Bayern, der dem transalpinen Handel "zähneknirschend zustimmte", so Manager Uli Hoeneß.

Man darf Hoeneß glauben, dass ihn dieser Transfer menschlich berührt, immerhin feierten die Bayern mit Lúcio je drei Meistertitel und Pokalsiege, und der Abwehrchef galt als integrer Zeitgenosse. Allerdings wechselt der 31-Jährige nicht aus purer Herzenslust den Arbeitsplatz, sondern zumindest in seiner eigenen Wahrnehmung: auf sanften Druck hin.

Van Gaal hat klare Vorstellungen von der neuen Architektur des FC Bayern, und er pflegt die holländische Trainer-Eigenart, disziplinierte Gruppenarbeit über persönliche Spielervorlieben zu stellen. Lúcio neigt zur taktischen Unfolgsamkeit, im Übereifer büxt er schon mal wild aus der Abwehr aus. Zudem plant van Gaal in der Viererketten-Mitte rechts mit einem Rechtsfüßer und links mit einem Linksfüßer. Demnach hätte Lúcio, bisher gesetzte Größe, mit Demichelis, van Buyten und Breno um nur eine freie Stelle, halbrechts, konkurriert.

Lúcio reagierte gekränkt, beim Confed-Cup tröstete er sich im Endspiel mit dem Siegtor. Als er den Bayern seine Wechselabsicht mitteilte, unterblieb heftiger Widerstand; "seit zehn Tagen", so Hoeneß, war Lucios Agent Sandro Becker in München. Lúcios Wunsch nach einem neuen Langzeitvertrag bis 2012 wollte Hoeneß "nicht erfüllen", schon aus Prinzip, wie zuletzt bei den Ü30-Spielern van Bommel und Zé Roberto.

Inter Mailands Präsident Massimo Moratti sollen die Dienste Lúcios etwa sieben Millionen Euro Ablöse wert sein. Die Italiener boten "15 Spieler als Tauschobjekte an", übertrieb Hoeneß launig, insbesondere den argentinischen Abwehrmann Burdisso und den Brasilianer Maxwell (inzwischen beim FC Barcelona). Hoeneß war aber an keinem Verrechnungsgeschäft gelegen: "Wir wollten Cash!" Inter zahlt.

Hoeneß wähnt die Bayern in der Innenverteidigung "gut bestückt", auch ohne Lúcio - gegen die Fürsprache Franz Beckenbauers, der den Brasilianer "unverzichtbar" nannte. Nun muss sich zeigen, ob van Gaals mutige statische Veränderungen greifen: Ob wirklich Zugang Edson Braafheid und Talent Holger Badstuber die Exklusivkandidaten für den linken Innenverteidigerposten bleiben - und was es bedeutet, die famose linke Seite der Vorsaison zu trennen.

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Für Franck Ribéry sieht van Gaal im favorisierten 4-4-2 mit Rautenmuster künftig die kreative Hauptrolle hinter den Spitzen vor: "Ich habe dieses System für ihn gewählt", bekräftigt der Trainer. Bloß: Bleibt Ribéry?

Jawoll, hat Hoeneß am Donnerstag verfügt, Aus, Äpfel, Amen - trotz des penetranten Werbens von Real Madrid und Ribérys eigenem Drang nach Luftveränderung. Am Mittwoch aßen die Münchner Vorstände mit van Gaal zu Mittag, "da haben wir klar festgelegt: Franck bleibt", berichtete Hoeneß.

Alle interessierten Klubs - neben Real auch Barcelona und englische Bieter - hätten Kenntnis davon gehabt, dass am 15. Juli "unsere Frist abgelaufen ist", so Hoeneß, "jetzt ist das Thema beerdigt." Vor 14 Tagen hatte der Manager in einem süffisanten Monopoly-Exkurs erläutert, dass Bayern seine 2007 erworbene Schlossallee nur in äußerster Not abstoßen würden - oder bei "ganz verrückten" Angeboten. Die gab es nicht.

Ob damit das unendliche Sommertheater um Ribéry wirklich beendet ist? Die Bayern wollen sich - notfalls bis 31. August - mit aller Kraft und Sturheit den königlichen Häschern aus Madrid widersetzen. Mit Ribérys Berater Alain Migliaccio, der auf einen profitablen Transfer hinwirkt und dieser Tage in München war, traf sich niemand vom Verein.

Die Bayern spüren genau, was seit Monaten in Ribérys Umfeld vorgeht, für Hoeneß ließe sich der Konflikt daher leicht beilegen: "Seine Berater müssen einsehen, dass man mit uns nicht so umgehen kann. Wenn sie das tun und nicht weiter in Franck hineinquasseln, kehrt schnell Ruhe ein."

Auch van Gaal schlichtet nach Kräften, intensiv hat er zuletzt mit dem lustlos wirkenden Franzosen kommuniziert, "mehr als mit jedem anderen Spieler". Ribérys Schleimbeutelentzündung im Knie ist zwar keine Erfindung, betont auch der Trainer. Doch womöglich, sagt der passionierte Psychologe van Gaal, sei Ribéry "injured because of everything" - verletzt wegen des ganzen störenden Boheis.

Bei aller Wertschätzung muss sich auch der Galeriesolist Ribéry dem Teamwork-Diktat des neuen Trainers fügen. Intern wird ja schon länger diskutiert, ob es ihm trotz aller offensiven Verdienste gestattet sei, nach Ballverlust den Kollegen zuweilen daumendrückend bei der Arbeit zuzusehen. "Kein Spieler darf einfach vorne stehen bleiben", fordert Verteidiger Philipp Lahm - seit ihrer Fortbildungsfahrt nach Barcelona wissen die Bayern, dass es auch Weltklassestürmer gibt, die verlorenen Bällen im Vollsprint nachsetzen.

Bei van Gaal haben Diventum und Sonderrechte ohnehin keinen Platz, auch der gerade aus dem Urlaub heimgekehrte Luca Toni muss sich wohl umstellen. "Wir haben fünf Stürmer für zwei Plätze", sagt van Gaal, alte Gewohnheiten wie dosiertes Training oder Stammplatzsicherheit gelten für Toni nicht mehr: Derlei könne er künftig "vergessen".

© SZ vom 17.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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