Süddeutsche Zeitung

Gladbach gegen Bayern:"Ich weiß nicht, Julian, wie's Dir geht, aber ..."

Nach dem Bundesligaauftakt zeigen sich die Gladbacher angesichts zweier Elfmeter-Entscheidungen zu ihren Ungunsten erstaunlich gelassen. Der FC Bayern gibt zu, im Glück gewesen zu sein - und fremdelt noch ein bisschen mit Nagelsmanns Spielsystem.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Pressekonferenz nach dem Spiel. Die erste Frage an Julian Nagelsmann kommt nicht aus den Reihen der Journalisten, sondern vom Podium selbst. "Ich weiß nicht, Julian, wie's Dir geht, aber ich finde, man darf sich nicht beklagen, wenn es in einer der beiden Situationen vielleicht Elfmeter gibt", sagt Adi Hütter sehr höflich.

Dass Borussia Mönchengladbachs Trainer seinen Kollegen vom FC Bayern München direkt auf zwei umstrittene Strafraumszenen in der 81. und der 83. Minute ansprach, lag daran, dass man im ersten der beiden Fälle, womöglich aber sogar in beiden, einen Elfmeter für Gladbach hätte geben können, eigentlich müssen. Hätten die Gastgeber den einen oder gar beide dann auch noch verwandelt, wären sie im Saisonauftaktspiel gegen die Bayern wahrscheinlich als Sieger vom Platz gegangen. So hingegen war das Spiel 1:1 unentschieden ausgegangen.

Nagelsmann grinste, als Hütter die Vorfälle erwähnte. "Ich habe die Wiederholungen der Szenen noch nicht gesehen", sagte er in sein Mikrofon, "ich kann dazu also leider auch nichts sagen, aber Adi Hütter ist mir sehr sympathisch, und würde mich bestimmt nicht anlügen, insofern gehe ich mal davon aus, dass er Recht hat." Grinsen auf beiden Seiten des Podiums. Remis auch in diesem friedlichen Verbalduell. Zermürbt ist in dieser Nacht niemand heimgefahren. Wobei Hütter gar nicht fahren muss. Er wohnt vorübergehend im Hotel direkt neben dem Stadion.

Als er in der Nacht zum Samstag im Hotelbett irgendwann die Augen schloss, dürfte er noch einmal vor sich gesehen haben, wie nach Treffern durch Gladbachs Alassane Plea (10.) und Bayerns Robert Lewandowski (42.) die hin- und herwogende Partie in der Schluss-Viertelstunde zugunsten der Gladbacher zu kippen schien. Der in der 64. Minute für Plea eingewechselte Marcus Thuram wurde in der 81. Minute in Erwartung einer Hereingabe vor dem Bayern-Tor von Dayot Upamecano sowohl oben mit der Hand an der Schulter als auch unten mit dem Fuß zu Fall gebracht. Schiedsrichter Marco Fritz pfiff nicht, wurde vom Videoassistenten Christian Dingert aber offenbar auch nicht aufgefordert, sich die Szene noch einmal anzusehen. Hätte er sich die Szene noch einmal angesehen, dann hätte er eigentlich nur auf Elfmeter entscheiden können. Das sah auch Bayern-Spieler Leon Goretzka so, der nach dem Spiel meinte, dass man sich bei einem Pfiff "nicht hätte beschweren können".

Zwei Minuten später brachte wieder Upamecano den ihm diesmal mit Ball enteilenden Thuram von hinten im Strafraum zu Fall. Déjà vu: Fritz pfiff nicht, sah sich die Szene aber auch nicht noch einmal an. "Komisch", fand das Hütter und hatte Recht. Sehr komisch sogar. Hütter beschwerte sich am Spielfeldrand lautstark, wurde von Fritz besucht und sah Gelb. "Die gelbe Karte war verdient", sagte Hütter hernach und zeigte sich erstaunlich gelassen ob des Unrechts mit den verweigerten Elfmetern.

Das Urteil von Lewandowski: Es geht sehr viel besser

Entspannt gab sich auch Nagelsmann, obwohl sich seine Mannschaft in der ersten und der letzten Viertelstunde des Offensivdrucks der Gladbacher kaum hatte erwehren können. "Gerade zu Beginn hatten wir unglaublich viele Ballverluste", monierte er. "Das war kein perfekter Fußball", sagte der Stürmer Lewandowski. "Ich stand anfangs zu hoch", sagte Leon Goretzka und beklagte seine ungewohnte Position im Mittelfeld auf der linken Halbposition vor Joshua Kimmich und nahezu gleichauf mit Thomas Müller rechterhand. "Dort vorne habe ich mich nicht gut gefühlt, weil ich Serge Gnabry fast auf den Füßen stand." Er habe sich dann wieder ein bisschen zurückfallen lassen, berichtete Goretzka. Dann habe es besser geklappt.

Hatte Nagelsmann zunächst zu hoch aufgestellt? Es wirkte fast so bei desorientierten Bayern in der ersten Viertelstunde. Dann aber schalteten sie auf Ballbesitzspiel aus etwas angenehmerer Tiefe um und verloren fortan kaum noch Bälle. "Klar kann nicht gleich alles funktionieren", sagte Goretzka. "Wir werden uns von Spiel zu Spiel steigern."

Der FC Bayern kann sich einspielen mit vier Partien in zwölf Tagen

Dazu besteht nun reichlich Gelegenheit. Vier Mal binnen zwölf Tagen: Am Dienstag im DFL-Supercup bei Borussia Dortmund, Sonntag darauf gegen den 1. FC Köln, am anschließenden Mittwoch im nachzuholenden Pokalspiel beim Fünftligisten Bremer SV und drei Tage später samstags gegen Hertha BSC. "Es ist nicht verkehrt, jetzt Spielrhythmus zu bekommen", sagte Nagelsmann, "aber das bedeutet natürlich auch weniger Training."

Dabei wäre Training hilfreich. Ist der anstehende Viererpack absolviert, dann müssen die Nationalspieler zu Länderspielen abreisen. Einen größeren Intensivkurs mit dem gesamten Personal wird Nagelsmann nach ohnehin schon schwieriger Saison-Vorbereitung voller personeller Lücken also erst einmal nicht einplanen können. Aber dass es seine Zeit dauern würde, beim FC Bayern seine Fußballidee zu implementieren, das war Nagelsmann schon vorher klar. Insofern hat das zwiespältige Auftaktspiel in Mönchengladbach niemanden überrascht. Am wenigsten den Trainer selbst.

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