Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Mit Kopf und linkem Fuß

Die Vorbereitung beim FC Bayern bringt ihren ersten Gewinner hervor: den 20-jährigen Abwehrspieler Holger Badstuber, der bei Trainer Louis van Gaal vor allem mit einer Eigenschaft Eindruck macht.

Michael Neudecker

Franck Ribéry hat am Montag mal wieder das Training vorzeitig abgebrochen, das Knie schmerzte, was umgehend Geflüster über den Wechselwilligen an der Säbener Straße verursachte, aber Holger Badstuber mochte sich nicht anmaßen, darüber zu sprechen. Genau genommen wurde er dazu gar nicht gefragt, natürlich nicht, Holger Badstuber durfte am Montag, nach dem Training, erstmals als Profi des FC Bayern vor der versammelten Presse sprechen, weshalb die Fragen an Holger Badstuber sich ausnahmslos mit dem Thema Holger Badstuber beschäftigten. Einer hat sogar gefragt, wo er denn herkäme, und ob er seinen früheren Weg mal beschreiben könne. Holger Badstuber darf man so etwas fragen: Er ist ein weitgehend Unbekannter. Noch.

Wenn die Vorbereitungszeit auf die Fußballsaison zu Ende geht, suchen die Medien gerne nach Gewinnern und Verlierern, das klingt griffig, und bei Holger Badstuber ist schon nach einer Woche klar, zu welcher Seite er gezählt werden wird. "Holger, Sie gelten als der Gewinner der Vorbereitung", hat am Montag einer gefragt, und Badstuber hat schüchtern gelächelt. "Na ja, Gewinner", hat er geantwortet, "das kann man jetzt noch gar nicht sagen." Nun, vielleicht doch.

"Wir kümmern uns um ihn", sagt Hamit Altintop, es klingt nett, außerdem habe Badstuber "sehr, sehr gute Fähigkeiten", sagt Altintop. "Er hat einen guten Pass, gutes Stellungsspiel, spielt sehr ruhig, und er ist ein Linksfuß", sagt Mark van Bommel. Die Sache mit dem Linksfuß, das ist Badstubers bestes Argument, wie es scheint: Cheftrainer Louis van Gaal setzt am liebsten auf der rechten Innenverteidigerposition einen Rechtsfuß ein und auf der linken einen Linksfuß - und von den aktuell sechs als Innenverteidiger denkbaren Spielern sind nur Badstuber und Zugang Edson Braafheid Linksfüßer.

Braafheid aber agierte in den ersten beiden Testspielen als linker Außenverteidiger, außerdem ist er nur 1,76 Meter groß. Badstuber misst 1,90 Meter, weshalb man seine Vorteile bei Kopfball-Duellen nun nicht eigens hervorheben muss. In den beiden Testspielen hat er einen guten Eindruck hinterlassen, wenn er auch nicht ganz fehlerfrei war. Aber Holger Badstuber ist ja auch erst seit ein paar Wochen Innenverteidiger.

In der Jugend wie auch in den zurückliegenden beiden Jahren bei den Amateuren des FC Bayern lief Badstuber stets als Sechser auf, als defensiver Mittelfeldmann also. Hermann Gerland, seit dieser Saison Assistenztrainer der Profis, davor aber jahrelang Cheftrainer der Amateure, sah Badstuber zwar schon immer als künftigen Innenverteidiger, er ließ ihn aber trotzdem als Sechser auflaufen. Weil er "ein guter Stratege" ist, wie Gerland sagt, und weil er fand, "dass ich als Sechser mehr unter Druck bin und deshalb mehr lerne", erzählt Badstuber. Er hält kurz inne, fügt dann hinzu: "Er hat recht gehabt."

Beim FC Bayern wissen sie schon lange um die Qualitäten des 20-Jährigen aus Rot an der Rot in Oberschwaben, er wurde schon als Kind beobachtet, Hermann Gerland war ein Freund seines Vaters, der Jugendtrainer beim VfB Stuttgart war und Anfang dieses Jahres an Krebs verstarb. Als C-Jugendlicher schließlich wurde er vom VfB abgeworben, als B-Jugendlicher dann in die A-Jugend befördert, und im Februar dieses Jahres unterschrieb er einen Vertrag als Profi beim FC Bayern. "Ein Glücksfall für jede Mannschaft", so hat Gerland Holger Badstuber einmal genannt, als Holger Badstuber noch irgendein Nachwuchsspieler in der Nachwuchsmannschaft war.

Das rapide veränderte Leben

Dass sich das Leben von Holger Badstuber ab jetzt rapide verändern kann, das hat er am Montagnachmittag schon gespürt - als sein Vater zum Thema wurde. Woran er denn gestorben sei, wurde er gefragt, was sein Vater für ihn bedeutet habe, solche Sachen. Holger Badstuber fiel es nicht leicht, darauf zu antworten, aber er hat geredet, viel geredet. Dass sein Vater für ihn ein Kumpeltyp und wichtiger Ansprechpartner gewesen sei, dass er ihn einst schon zum VfB gebracht habe, und, das auch, dass "er immer wollte, dass ich einmal beim FC Bayern spiele". Erst dann fragte niemand mehr.

Manchmal ist es komisch, wenn solche Fragen gestellt werden. Aber vielleicht gehört es auch dazu, zum Erwachsenwerden als öffentliche Person, zum Etablieren in einem medienwirksamen Millionengeschäft. Und vielleicht wollte Holger Badstuber all das auch öffentlich sagen, vermutlich hat er deshalb so viel darüber geredet. Vielleicht hat er auch erkannt, dass er eben jetzt kein Junge mehr ist, der einfach nur Fußball spielt. Sondern ein 20-Jähriger, der gerade dabei ist, sich einen Namen zu machen, beim FC Bayern.

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SZ vom 14.07.2009/jbe
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