Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Rio liegt am Tegernsee

Miroslav Kloses Berufung zum Co-Trainer steht bevor. Hansi Flick wird den mutmaßlichen Neuen mit Wohlwollen und Neugier empfangen.

Von Christof Kneer

Hansi Flick hat das damals kommen sehen. Er war im Mai 2018 zwar nicht mehr für die Nationalelf zuständig, aber er hatte natürlich noch Kontakt, und so wusste Flick also: Es könnte eng werden für Leroy Sané. Offenbar gefiel dem Bundestrainer Löw nicht so sehr, was er da von Sané im Trainingslager in Südtirol sah, und kurz darauf strich Löw den Stürmer tatsächlich aus seinem WM-Kader.

In dem von Anfang an verdächtigen WM-Quartier in Watutinki ist dann aber auch ohne Sané erstaunlich oft von Sané die Rede gewesen, und nach dem frühen Aus der deutschen Elf hat sich bald die These verfestigt: Mit Sané wäre das nicht passiert.

Eine deutlich interessantere Theorie hat Flick direkt nach der WM aufgestellt. Sané hätte es vielleicht in den Kader geschafft, meinte Flick damals, wenn im Trainingslager noch Spieler wie die 2014er-Weltmeister Klose, Mertesacker, Schweinsteiger oder Lahm dabei gewesen wären. Die, so die These in Kurzform, hätten den flattrigen Jungstar in Betreuung genommen und ihm so was gesagt wie: Hau dich rein, Junge, wir brauchen dich!

Den Namen Klose hat Flick damals als erstes genannt.

Miroslav Klose war als Spieler ein Weltstar, trotzdem ist er oft unterschätzt worden. Vor allem in seinem Spätwerk war Klose mehr als nur ein Weltklassestürmer, der alles konnte außer hart schießen; gerade beim DFB wurde Klose als Integrationsbeauftragter und stiller Antreiber geschätzt, er hat sich mit 36 im Training noch so reingehauen, dass die 20-Jährigen gar nicht anders konnten, als sich ebenfalls reinzuhauen. Der Alte hat das vorgelebt, und manchmal, wenn alle gemeinsam auf den Trainingsplatz liefen, hat sich Klose zurückfallen lassen, um zu beobachten, welcher von den Jungen die Ballnetze schleppt und welcher sich zu fein dafür ist. Die, die sich zu fein waren, bekamen später ein Einzelgespräch von Miroslav Klose.

Klose könnte das Betriebsklima positiv beeinflussen

All das erklärt, warum Flick, der inzwischen den FC Bayern trainiert, seinen mutmaßlichen neuen Co-Trainer mit ebenso viel Wohlwollen wie Neugier in Empfang nehmen wird. Noch fehlt Kloses Unterschrift unter einen Assistentenvertrag, aber die offizielle Aufnahme in Flicks Trainerstab, so ist zu hören, stehe unmittelbar bevor. Zwar wird Klose von Juni an den Trainerlehrgang besuchen, dennoch dürfte er oft genug auf dem Trainingsplatz in München stehen, erst recht in Corona-Zeiten, da ein Teil des Lernstoffs aus Hennef vermutlich ins Internet überführt wird.

Klose hat bisher Bayerns U 17-Junioren betreut, seine Qualitäten als Proficoach sind noch unbekannt, aber was für einen Typen er da bekommen würde, das zumindest weiß Flick sehr genau. Klose war ja einer der eifrigsten Mitdenker, als Flick, damals Löws Assistent, vor der WM 2014 in Brasilien jene Standardsituationen austüfteln ließ, die Deutschland auf dem Weg zum Titelgewinn nutzte. Klose könnte Arbeitsethos und Betriebsklima in Bayerns Starkader positiv beeinflussen, und die Bilder seiner Spielerkarriere sind noch frisch genug, um auch Spieler zu beeindrucken, die im Jahr 2000 geboren sind. Das ist ja manchmal wichtig in einer Kabine: Dass ein Trainer eine Autorität genießt, die aus den Beinen kommt, wenn auch nicht aus dem Schussbein möglicherweise.

Mit Klose wäre Flicks Trainerteam fertig gebaut, einer der zentralen Wünsche des Chefcoaches wäre erfüllt. Weil mit Vorgänger Niko Kovac auch dessen brüderlicher Assistent Robert entlassen wurde, hat Flick sich bisher mit einem kleinen Mitarbeiterstab begnügt; in Zukunft könnte er aber einem interessanten Mehr-Generationen-Haushalt vorstehen. Bei der Verteilung der Aufgaben kann Flick, 55, dann nicht nur auf den Haudegen Tiger "Hermann" Gerland, 65, und den Jungakademiker Danny Röhl, 30, zählen, sondern - Vertragsunterschrift vorausgesetzt - auch auf Klose, 41, der die Epochen verbindet. Als Spieler war Klose ein Self-made-Stürmer, ein Elite-Internat hat er nie besucht, aber er hat mit all den Internatskindern zusammengespielt und sie schon als Spieler ein bisschen gecoacht.

Aber Klose könnte nicht nur die Zeiten, sondern auch die Kontinente verbinden. Es dürfte Uli Hoeneß das Herz erwärmen, wenn er von seinem Tegernsee aus den Vorstand Oliver Kahn, den Sportchef Hasan Salihamidzic, den Trainer Hansi Flick und dann noch Klose sieht, alles ehemalige Bayern-Spieler; und genauso dürfte es Flick gefallen, dass er so viel Rio in München findet. Klose, Thomas Müller, Manuel Neuer, Jérôme Boateng: Sie alle sind mit ihm 2014 Weltmeister geworden.

Im Münchner Trainerstab könnte Klose das Coaching der einst in Brasilien lieben gelernten Standardsituationen übernehmen, auch für die Stürmer soll er zuständig sein. Gut möglich übrigens, dass bald auch Leroy Sané in sein Ressort fällt.

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SZ vom 30.04.2020/ska
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