FC Bayern: Michael Rensing:Raus aus der Kahn-Falle

Das Pokalspiel gegen Greuther Fürth könnte darüber entscheiden, ob Michael Rensing in Deutschland bleibt oder doch ins Ausland wechselt.

Christof Kneer

Markus Grünberger war ein guter Torwart damals, aber der Münchner A-Jugendtrainer merkte bald, dass der andere noch besser war. Von weit her kam dieser andere, aus Lingen im Emsland, gerade 16 war er, aber eine Woche Probetraining genügte dem Münchner A-Jugendtrainer, um den Daumen zu heben. Behalten, den Mann!, signalisierte er der Vereinsführung.

FC Bayern: Michael Rensing: Wohin wechselt Michael Rensing?

Wohin wechselt Michael Rensing?

(Foto: Foto: Getty Images)

Die Vereinsführung behielt den Mann, der tatsächlich sehr schnell sehr viel besser wurde als Markus Grünberger. Er wurde so viel besser, dass sie beim FC Bayern zur Überzeugung kamen, er würde besser werden als Oliver Kahn. So begann die Geschichte.

Zehn Jahre ist diese Geschichte jetzt her, aus dem Münchner A-Jugendtrainer Roman Grill ist inzwischen der Spielerberater Roman Grill geworden, aber das Torwarttalent von damals hat den Kahn noch immer nicht hinter sich gelassen.

Immerhin hat Michael Rensing, inzwischen 25, wieder zu Grill zurückgefunden, der ihn seit einem Jahr berät und nun eine schöne, schwere Aufgabe vor sich hat: diesen 16-Jährigen von damals doch noch zu jenem Torwart werden zu lassen, der er eigentlich längst sein sollte.

Am Mittwoch spielen die Bayern im Pokal gegen Fürth, kein großes Spiel wahrscheinlich, nicht mal das Fernsehen überträgt live. Für Rensing aber dürfte es das größte Spiel seit langem werden: Seinem gerechtigkeitsfanatischen Trainer Louis van Gaal sind Rensings anständige Trainingsleistungen nicht entgangen, weshalb er ihm diesen Auftritt auf der Pokal-Bühne schenkt. Es war als Zeichen gedacht, als Geste, aber am Dienstag wurde eine Notwendigkeit daraus: Jörg Butt, van Gaals Nummer eins, muss wegen einer Wadenverletzung ohnehin passen.

Es ist fast eine Art Abschiedsspiel für Michael Rensing, dabei ist es doch erst anderthalb Jahre her, dass der große Kahn seinerseits Abschied nahm, um die Ära Rensing beginnen zu lassen. Einer, der es wissen muss, sagt: "Michael hat schnell merken müssen, dass es einen Unterschied macht, ob man gelegentlich einspringt und dann hervorragend hält oder ob man das ganze Ding übernimmt."

Der das sagt, ist Oliver Kahn.

Michael Rensing wird München am Ende der Saison verlassen, und das Pokalspiel gegen Fürth könnte darüber entscheiden, in welcher Stadt künftig Rensings Tor steht.

Rensing weiß, dass Deutschland das Vertrauen in ihn verloren hat, und womöglich kann man Deutschland nicht mal böse sein. Für Deutschland ging die Geschichte ja so, dass die stets großspurigen Bayern hier einen Torwart im bewährten Mir-san-Mir-Stil zum neuen Nationaltorwart ausrufen, nur weil er beim FC Bayern spielt. Deutschland hat dann mitbekommen, wie dieser angebliche Nationaltorwart ein paar Bälle rutschen ließ, und Deutschland hat dann nicht gedacht: Okay, hat ein junger Torwart halt mal ein paar Fehler gemacht, wie der Neuer oder der Adler auch. Nein, Deutschland feixte: Ha, was haben die großspurigen Bayern denn da für einen Amateur im Tor!

"Michaels Situation war eben von Anfang an nicht normal", sagt der Berater Grill, "normalerweise stellt man einen jungen Torwart ins Tor, und dann darf er sich ein bisschen entwickeln." Im hysterischen Münchner Post-Kahn-Milieu aber wurde jede Parade zur Weltparade, jeder Fehler zum größten Fehler aller Zeiten aufgeblasen. Rensing konnte förmlich spüren, wie er in dieser Extremsituation seine Sicherheit einbüßte, wie sein Spiel anfälliger, zerbrechlicher wurde.

Vor allem aber ist sein Spiel viel zu oft das Spiel eines anderen gewesen: Es war immer Kahns Spiel. Er wollte auftreten wie Kahn, wirken wie Kahn, halten wie Kahn. Er wollte aggressiv sein, wollte die Mitspieler motivieren und hat übersehen, dass die Mitspieler vielleicht gar nicht mehr so aggressiv motiviert werden wollten. Er hat dem Rensing in sich zu wenig Auslauf gelassen. Er weiß, dass er jetzt ein anderes Leitbild braucht.

Rensing war gefangen in der Kahn-Falle, und noch rätselt er, wo er die verlorenen Jahre am besten nachholt. Soll er in Deutschland bleiben oder lieber ein, zwei Jahre in die Komfortzone, nach Basel, Salzburg oder zu einem mittelgroßen Klub in Spanien oder Italien? Vorerst gilt die Faustregel: Je mehr Spiele er diese Saison noch macht, desto größer ist die Chance, die vom Glauben abgefallene Bundesliga wieder von sich zu überzeugen. Spielt er nur gegen Fürth, bleibt ihm wohl nur die Ehrenrunde im Ausland.

Rensing sei inzwischen stabil wie nie zuvor, haben sie bei Bayern festgestellt, er hat offenbar seinen Frieden mit seiner Geschichte gemacht. Er will jetzt gut spielen gegen Fürth, er will mit den Bayern weiterkommen, und vielleicht, so hofft er, kommt dann sein gerechtigkeitsfanatischer Trainer auf die Idee, ihn wenigstens zum Pokal-Stammtorwart zu machen.

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