FC Bayern:Mia san mia - und Hoeneß ist Hoeneß

Jahreshauptversammlung FC Bayern München

Endgültig wieder der starke Mann beim FC Bayern: Uli Hoeneß, Präsident und nun auch Vorsitzender des Aufsichtsrats.

(Foto: dpa)
  • Uli Hoeneß übernimmt nun auch wieder den Vorsitz des Aufsichtsrats beim FC Bayern.
  • An der Entscheidung gibt es Kritik: Darf ein verurteilter Straftäter nach Verbüßen seiner Haftstrafe ein solches Amt ausüben?
  • Hoeneß übernimmt das Amt in Zeiten des großen Umbruchs im Klub.

Von Claudio Catuogno

Am Montagabend um 20 Minuten vor acht verkündete Deutschlands bedeutendstes Fußballunternehmen eine wichtige Personalentscheidung: Die FC Bayern München AG - Jahresumsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr: 626 Millionen Euro - hat einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Der Aufsichtsrat, das ist in Wirtschaftsunternehmen, die sich als Aktiengesellschaft organisieren, jenes Gremium, das den Vorstand beaufsichtigt. Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat demnach seit Montagabend einen neuen Chefkontrolleur. Da trifft es sich gut, dass es sich dabei um einen alten Bekannten handelt: um Uli Hoeneß, 65.

Die Mitglieder des Kontrollgremiums hätten bei ihrer turnusmäßigen Sitzung "einstimmig" für Hoeneß votiert, teilte der Verein mit. Und ja, es hat an dieser Entscheidung auch wieder ein bisschen Kritik gegeben. Das Handelsblatt zitierte etwa aus einem 20-seitigen "Merkblatt zur fachlichen Eignung und Zuverlässigkeit von Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen", welches die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht allen deutschen Aktiengesellschaften an die Hand gibt. Auf die Frage, ob ein verurteilter Straftäter nach Verbüßen einer Haftstrafe für ein solches Amt wieder in frage kommen könne, wird dort eine eindeutige Empfehlung ausgesprochen: Nein! Unter den Kriterien für "mangelnde Zuverlässigkeit" führt die Finanzaufsicht auch "Straftaten im Vermögensbereich und im Steuerbereich" aus. Uli Hoeneß saß wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis.

Die Räte verstehen sich eher als Dienstleister der Bayern-Familie

Gewiss haben die Mitglieder des Bayern-Aufsichtsrats von dieser Empfehlung schon mal gehört, es handelt sich schließlich fast ausschließlich um erfahrene Wirtschaftskapitäne. In dem Gremium, das Uli Hoeneß jetzt wieder leitet, sitzt Telekom-Vorstand Timotheus Höttges neben Audi-Chef Rupert Stadler, der ehemalige VW-Boss Martin Winterkorn neben dem langjährigen Adidas-Chef Herbert Hainer und Werner Zedelius von der Allianz neben Theodor Weimer von der Unicredit-Bank. Außerdem der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sowie Hoeneß' neuer 1. Vizepräsident Dieter Mayer.

Allerdings ist der Slogan des FC Bayern bekanntlich nicht "Mia san Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht", sondern "Mia san mia" - und deshalb verstehen sich die Bayern-Aufsichtsräte traditionell auch weniger als Kontrolleure denn als Dienstleister der FC-Bayern-Familie. Schon im Vorfeld des Hoeneß-Prozesses, der im März 2014 stattfand, hatten die Aufsichtsräte es abgelehnt, die strengen Compliance-Richtlinien, für die sie in ihren eigenen Unternehmen einstehen, auf ihre Rolle als Fußballaufpasser zu übertragen und dem Angeklagten Hoeneß den Amtsverzicht nahezulegen. Erst nach der Urteilsverkündung gab Hoeneß seine Posten auf.

Als Hoeneß sich Ende November 2016 von den Mitgliedern des FC Bayern e. V. wieder zum Präsidenten wählen ließ, war sein Entschluss längst gefasst, auch das zweite Spitzenamt wieder anzustreben. Hoeneß hat gerne alle Fäden in der Hand, nicht nur jene, mit denen er die Kegler oder die Tischtennisspieler des Klubs tanzen lassen kann. "Wenn ich von den Kollegen gebeten werde, dann werde ich das selbstverständlich machen", sagte er noch am Abend seiner Wahl zum Thema Aufsichtsratsvorsitz. Er wurde gebeten.

Mitglied des Aufsichtsrats ist Hoeneß qua Präsidentenamt sowieso - dem FC Bayern gehören 75,01 Prozent der Fußball-AG, den Rest der Anteile halten Audi, Adidas und die Allianz. Als Vorsitzenden hätte das Gremium theoretisch auch einen anderen erwählen können. Bloß: Wenn ein Uli Hoeneß am Tisch sitzt, ist er dann nicht eh der Chef? Kann man dann nicht alle noch so Compliance-gefälligen Organigramme mit rotem Edding durchstreichen und sich der Macht des Faktischen beugen? Und überhaupt: Hoeneß ist ja nicht irgendein straffällig gewordener Wirtschaftsboss. Sondern: Uli Hoeneß. Er hat im privaten Bereich einen Fehler gemacht. Er ist dafür gerade gestanden. Deshalb nun seine Zuverlässigkeit anzuzweifeln, finden sie im Klub wie im Aufsichtsrat, sei einfach absurd.

Hoeneß muss sein eigenes Erbe regeln

Die alte Hierarche ist also wieder hergestellt beim FC Bayern. Der aktuell vierköpfige Vorstand um Rummenigge leitet das operative Geschäft, Hoeneß obliegt mit dem neunköpfigen Aufsichtsrat die Kontrolle. Wobei diese "Kontrolle", nicht nur weil Hoeneß Hoeneß ist, schon auch arg hineinlappt ins operative Geschäft: Spielertransfers mit einem Ablöse- und Gehaltsvolumen von 25 Millionen Euro aufwärts müssen vom Aufsichtsrat abgesegnet werden - das sind mittlerweile fast alle. Es wird nun spannend sein zu sehen, welche Kapriolen eines zunehmend entfesselten Transfermarktes der Traditionalist Hoeneß bereit ist mitzumachen - und bei welchem Multi-Millionen-Geschäft, dem noch dazu ein Multi-Fußnoten-Vertrag zugrunde liegen soll, er sein Veto einlegt. Weil man das halt noch nie so gemacht hat beim FC Bayern.

Und, was noch entscheidender ist: Auch für die Besetzung des Vorstands ist Uli Hoeneß' neues, altes Gremium zuständig. Rummenigge, der Chef dieses Vorstands, ist auch schon 61. Der langjährige Bayern-Manager Hoeneß ist damit nun ein weiteres Mal in der Pflicht, sein eigenes Erbe zu regeln. Zwei Versuche sind schon gescheitert: Den ehemaligen Bayern-Profi Christian Nerlinger hatte Hoeneß erst als seinen Nachfolger auserkoren - und dann auf hemdsärmelige Weise wieder vom Hof gejagt. Und Matthias Sammer ist auch nicht mehr da, sondern erteilt seine guten Ratschläge jetzt als Eurosport-Kommentator. Der dritte Versuch, das weiß Uli Hoeneß, muss sitzen.

Hoeneß übernimmt das Amt in Zeiten des großen Umbruchs

Und der dritte Versuch wird nun anders komponiert werden müssen, als es allgemein erwartet worden war. Dass Philipp Lahm am Dienstag offenbarte, dass er zwar im Sommer seine Laufbahn beendet, nicht aber für eine administrative Tätigkeit zur Verfügung steht, jedenfalls nicht sofort und auch nicht in der Rolle eines Sportdirektors, lenkt den Fokus auf andere Personen. Zum Beispiel Max Eberl, 43, den Ex-Bayern-Profi, der seit einigen Spielzeiten Borussia Mönchengladbach organisiert. Und von dem zuletzt häufiger die Rede war, wenn in München über eine Neuordnung spekuliert wurde. Aufgaben stellen sich bekanntlich zur Genüge. Die aktuelle Mannschaft unter dem Trainer Carlo Ancelotti bedarf nach dieser Champions-League-Saison einer Renovierung, Schlüsselspieler wie Lahm, Robben, Ribéry und Alonso müssen bald ersetzt werden; bloß ein Ergänzungs-Transfer hier und da wird nicht genügen.

Fragen über Fragen.

Aber wenigstens ist die Frage, wer beim FC Bayern insgesamt das Sagen hat, jetzt wieder geklärt.

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