Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Griffig und gierig in der Hitze

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Das Testspiel gegen Marseille ist vor allem eines für Joshua Kimmich. Der Mittelfeldspieler läuft auf seiner ehemaligen Position hinten rechts auf - und ist einer der Antreiber beim Sieg gegen die Franzosen.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn

Es ging nicht gut los für Joshua Kimmich. Er hatte den Ball noch nicht einmal berührt, er hatte noch kein Sprintduell gewonnen (und übrigens auch keins verloren), er hatte noch gar nichts gemacht, da war er wieder verschwunden. Knapp 20 Minuten vor dem Anpfiff wurden auf dem Campus des FC Bayern die Aufstellungszettel verteilt. Die Startelf der Münchner ist nach den Rückennummern sortiert, und ganz unten steht da, als zehnter Spieler: "32 David Alaba". Und kein Kimmich, nirgends.

Kimmich wird dieses halbe Fehlen auf dem Zettel verkraften können, nicht nur, weil ein paar Minuten später eine neue Liste verteilt wurde, dieses Mal korrekt ausgefüllt: Elf Spieler starteten, einer davon war Alaba mit der 27, und ganz unten stand die 32, und dahinter stand: Joshua Kimmich.

Kimmich wird das vorübergehende Fehlen in der Startelf aber auch deswegen verkraften, weil es für ihn die einzige nennenswerte Panne war in diesem Testspiel des FC Bayern am Freitagnachmittag. In einem Spiel, das kurzfristig eine neue Bedeutung bekommen hatte: Denn im Wesentlichen war es ein Testspiel für Kimmich. Und nicht nur weil Kimmich bzw. der gesamte FC Bayern dabei 1:0 (1:0) gegen Olympique Marseille gewann, war es ein erfolgreicher Nachmittag.

Die wahrscheinlich wichtigste taktische Maßnahme von Hansi Flick in seinen ersten neun Monaten als Bayern-Trainer war es, Kimmich von der Rechtsverteidigerposition ins Zentrum das Spiels zu stellen, auf die Position direkt vor der Abwehr. Von dort hat Kimmich dirigiert, mit seinen Ansagen, vor allem aber mit seinem Spielverständnis, mit seinen Pässen. Doch nachdem sich Kimmichs Nachfolger rechts hinten, Benjamin Pavard, verletzt hat und wochenlang ausfällt, musste Flick improvisieren: Er zog Kimmich wieder zurück in die Viererkette. Dort spielte er am Freitag gegen Marseille, und dort wird er sehr wahrscheinlich auch in der Champions-League-Runde spielen, die am kommenden Samstag mit dem Achtelfinal-Rückspiel gegen den FC Chelsea beginnt.

Der Test gegen Marseille sollte Flick also Erkenntnisse darüber liefern, ob seine Mannschaft auch nach zwei Wochen Urlaub, einer Woche Cyber-Training und einer Woche Mannschaftstraining ihre starke Rückrunden-Form konserviert hat. Und Erkenntnisse darüber, ob Kimmich die Position des Rechtsverteidigers weiter beherrscht. Beides konnte Flick für sich positiv beantworten.

Trotz der Hitze spielten die Bayern unermüdlich nach vorne, sie blieben griffig und gierig; den Stromsparmodus scheint das Team unter Flick nicht zu kennen. Und in der Offensive war eine der treibenden Kräfte weiter Kimmich, trotz der Rückkehr auf den Rechtsverteidigerposten.

So wie die anderen in den vergangenen Monaten Kimmich als Anspielstation im Zentrum suchten, so suchten sie ihn nun auf der Außenbahn, und meistens mussten sie dabei nicht nach hinten schauen. Kimmich orientierte sich bei eigenem Ballbesitz sofort nach vorne - durch ihn bekommt das Spiel der Bayern noch mehr Schwung und Direktheit auf den Flügeln (obwohl ja auch Pavard einen ausgezeichneten Rechtsverteidiger gegeben hatte). In der 19. Minute zum Beispiel stand Kimmich ganz frei im Strafraum der Gäste, doch Serge Gnabry ignorierte ihn. Was auch für Kimmich in Ordnung gewesen sein dürfte - Gnabry erzielte nach einem Solo das einzige Tor des Nachmittags.

Wie verlässlich Kimmich als Rechtsverteidiger in der Defensive ist, darüber lieferte dieser Test allerdings kaum Erkenntnisse: Marseille bot zwar auch flotte Kombinationen an, allerdings fast nur über die linke Münchner Seite. Daher dürfte es Flick gelegen kommen, dass das Team noch einen Test unter Wettkampfbedingungen hat, das Rückspiel gegen Chelsea, in das die Münchner mit einem 3:0-Vorsprung gehen. "Er hat das gut gemacht", lobte Flick, dem gefallen hatte, dass Kimmich "nach vorne Akzente" gesetzt habe. Gegen Marseille war für Kimmich in der 61. Minute Schluss. Für ihn kam Álvaro Odriozola. Aber den Rechtsverteidiger wird in den nächsten Wochen dennoch der Spieler mit der Rückennummer 32 geben, und der heißt nicht David Alaba.

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SZ vom 01.08.2020
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