Mario Gomez beim FC Bayern:Herrscher über den Strafraum

Ein Hattrick binnen 25 Minuten gegen den SSC Neapel, 19 Treffer in 17 Pflichtspielen: Unter Trainer Jupp Heynckes macht Mario Gomez den nächsten Entwicklungsschritt. Er scheint fit wie nie, hat riesiges Selbstvertrauen. Und weil er ständig in der Defensive mitackert, genießt er das Ansehen des Trainers und fördert so sogar das eigene Wohlbefinden.

Thomas Hummel, Fröttmaning

Mario Gomez hat inzwischen ein Selbstvertrauen, das so groß ist, dass er selbst vom Parkhaus der Münchner Arena aus Richtung Tor zielen würde. Verwundern würde es kaum, flöge der Ball über das leuchtende Dach auf den Rasen und hoppelte ins Netz. Mario Gomez würde sein strahlendes Lächeln zeigen, den Torero nachahmen, die Arme ausbreiten und die Ovationen entgegennehmen. Dann würde er ins Auto steigen und sich daheim die Szene im Fernsehen ansehen.

FC Bayern Muenchen v SSC Napoli - UEFA Champions League

Mario Gomez erzielt das 2:0 gegen den SSC Neapel. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Am Mittwochabend beim Champions-League-Spiel gegen den SSC Neapel versuchte es der 26-Jährige immerhin aus etwa 70 Metern Torentfernung. Als der Gegner seine letzte Chance suchte, gelangte Gomez am eigenen Strafraum an den Ball. Neapels Tor war leer, weil Torwart Morgan de Sanctis mitstürmte. Gomez legte sich den Ball vor und zielte auf das leere Gehäuse am anderen Ende des Spielfelds. "Ich habe alles in den Schuss geschmissen, was ich noch hatte. Doch es kam nicht mehr viel dabei heraus", sollte Gomez später berichten.

Immerhin kullerte der Ball Richtung Torlinie, de Sanctis sprintete hinterher und erinnerte mit seinen etwas staksigen Bewegungen und den riesigen Torwart-Handschuhen ein wenig an den sprintenden Pinocchio. Während das Stadion den Wettkampf Ball gegen Pinocchio mit anschwellendem Johlen begleitete, erreichte der Torwart den Ball noch und schlug ihn zur Seite. Danach pfiff der Schiedsrichter ab, es blieb beim 3:2 für den FC Bayern.

Es war das letzte Fortissimo in dieser aufregenden Partie, die aus Sicht der Bayern zwei Pole bot: den tragischen Bastian Schweinsteiger, der nach einem Schlüsselbeinbruch bis Weihnachten nicht mehr Fußball spielen wird. Und den strahlenden Mario Gomez, Schütze aller drei Treffer, wirkungsvolle Zuspitzung des bayerischen Kombinationsspiels und Herrscher über den gegnerischen Strafraum.

Sportdirektor Christian Nerlinger bot eine prägnante Einschätzung zur Leistung seines Stürmers gegen Neapel: "Er hat Tore gemacht, geackert, gekämpft, hat die Bälle gut gehalten. Es war heute eine perfekte Vorstellung von ihm", schwärmte er. Ein Hattrick binnen 25 Minuten ist in der europäischen Premiumliga noch keinem Deutschen gelungen. 19 Tore hat Gomez nun in 17 Pflichtspielen in dieser Saison erzielt, mit fünf Treffern führt er die Torjägerliste der Champions League zusammen mit Lionel Messi an. Die Entwicklung des Mario Gomez scheint in diesen Monaten keine Grenze nach oben zu haben.

Noch ein wenig größer und stärker

Diese Erwartung hatte die deutsche Fußballwelt eigentlich schon viel früher gehabt, denn sein Talent zeigte sich schon früh beim VfB Stuttgart. Mit beiden Füßen kann er gegen den Ball treten wie ein Pferd, durch seine Wucht mit 1,89 Meter Körpergröße und 88 Kilogramm setzt er sich sowohl im Kopfball wie auch im Strafraumgerangel durch. Dazu trägt er das für Stürmer nötige Gefühl in sich, zu ahnen, wo der Ball hinfallen wird. In seiner Karriere offenbarte sich nur eine wirkliche Schwäche: Wenn etwas schiefgeht, wenn das Publikum kritisch pfeift, er das Vertrauen des Trainers vermisst - dann reagiert Mario Gomez sensibel wie ein Maiglöckchen, dem man das Sonnenlicht nimmt.

Die erste Zeit unter Louis van Gaal gehört deshalb zu einer grauen Phase seiner Vita. Auch Bundestrainer Joachim Löw hielt bisweilen nur notgedrungen zu Mario Gomez, weil außer Miroslav Klose eben kein deutscher Stürmer mit vergleichbarem Niveau unterwegs ist. Doch die Gabe, aus allen möglichen Lagen ein Tor erzielen zu können, überzeugte irgendwann auch seine kritischen Trainer. Nach dem Erfolgsgeheimnis der Nationalmannschaft gefragt, antwortete Gomez zuletzt mit einem Lächeln im Gesicht: Das Betriebsklima sei gut und leistungsfördernd, "und inzwischen fühle sogar ich mich wohl hier".

Schon in der vergangenen Saison gelangen ihm 39 Tore in allen Wettbewerben für den FC Bayern, unter Trainer Jupp Heynckes macht er dennoch den nächsten Entwicklungsschritt. So scheint Gomez körperlich fit zu sein wie nie, trotz seines eher bulligen Körperbaus bewegt er sich bisweilen behände über den Platz und kann wie beim 1:0 gegen Neapel einen Gegenspieler mit einer Körperdrehung ins Leere laufen lassen.

Dazu ordnet er sich auffällig eifrig dem Defensivkonzept unter, stört immer wieder den Spielaufbau des Gegners oder erkämpft den Ball zurück, wenn die Flügeldribbler Thomas Müller und Franck Ribéry mal hängenbleiben. Das bringt ihm den Respekt der Mitspieler und vor allem des Trainers ein und fördert sein eigenes Wohlbefinden. Mario Gomez strahlt ein riesiges Selbstvertrauen aus und genießt die Momente des Erfolgs.

Als er nach dem Jubel um das 3:0 zur Mittellinie zurücktrabte, blickte er lange auf die Anzeigentafel, wo sein Treffer noch einmal in dreifacher Wiederholung gezeigt wurde. Dieser große, starke Mann schien in dieser Sekunde noch ein wenig größer und stärker geworden zu sein. Und das ist für die kommenden Gegner keine gute Nachricht.

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