FC Bayern: Luiz Gustavo:Schlaks aus Pindamonhangaba

Überzeugend, und das sogar auf drei Positionen: Beim Trainingslager in Doha empfängt der FC Bayern seinen Zugang Luiz Gustavo mit Komplimenten. Der meldet sogleich große Ziele an.

Andreas Burkert, Doha

Er findet das Wort einfach nicht. Das ist erstaunlich, denn die deutsche Sprache beherrscht er für einen 23-jährigen, mit interessanten Tattoos ausgestatteten Mann aus der brasilianischen Provinzstadt Pindamonhangaba ziemlich gut. Dabei hat man Luiz Gustavo doch nur nach der Profession des Vaters gefragt, um etwas zu erfahren über das Umfeld des ersten kostspieligen Transfer des FCBayern unter der Ära des Trainers Louis van Gaal und von Sportdirektor Christian Nerlinger. Luiz Antonio Dias mache schon länger "nur noch Urlaub", sagt der Junior schließlich grinsend und gibt auf. "Ich suche das Wort für seinen Beruf, vielleicht habe ich es morgen."

Trainingslager FC Bayern Muenchen

"Zuhause können sie es noch gar nicht glauben."

(Foto: dapd)

Die Bayern dagegen haben längst sämtliche Geheimnisse ihres 15 Millionen Euro Ablöse teuren Wintereinkaufs erforscht, zumindest jenen Bereich, der sie interessiert. Nerlinger, am Montagabend mit der Neuverpflichtung vom Liga- konkurrenten Hoffenheim im Winterquartier Doha eingetroffen, versichert jedenfalls am nächsten Morgen, dass man sich Gustavo ein halbes Jahr "ganz genau angesehen" habe.

Nerlingers Urteil ist eine einzige Schwärmerei: "Eigentlich ist klar, dass Luiz in Hoffenheim auf der Position sechs gespielt hat und das auch seine stärkste Position ist", sagt er zur Stellenbeschreibung des Neuen. "Aber er hat uns auf drei Positionen überzeugt, weil er ja in Hoffenheim auch in der Innenverteidigung und als linker Verteidiger spielte." Auch menschlich rechne er mit einem Gewinn: "Er ist ein guter Junge, eine echte Persönlichkeit."

Der gute Junge aus Pindamonhangaba, Region São Paulo, gibt sich beim ersten Training mit den Münchnern viel Mühe, diesem Eindruck gerecht zu werden: eifrig, beidfüßig, aufgeschlossen. Van Gaal hat ihn in jene Gruppe eingeteilt, die in kleinen Spielformen Ballbehauptung übt. Mark van Bommel schwitzt in der anderen Gruppe. Damit muss der holländische Kapitän, den Gustavo spätestens ab Sommer auf der Position vor der Abwehr ersetzten soll, auf eine ganz persönliche Begrüßung, in deren Genuss etwa der ukrainische Rivale Timoschtschuk einst kam, noch warten.

Und das ist vielleicht ganz sinnvoll gewesen. Denn der 1,86 Meter große Schlaks Gustavo hat am Dienstag Thomas Müller als Besitzer der dünnsten Rekordmeister-Beine der Welt abgelöst.

"Erst kommt Gott, und dann kommt meine Familie"

Von jener Aggressivität, die Gustavo als eine seiner Stärken bezeichnet und die ihm seit seiner Ankunft in Deutschland im Sommer 2007 neben viel Respekt eine Handvoll Feldverweise einbrachte, ist zudem im Gespräch nichts zu vernehmen. Er wolle nicht gleich Ansprüche stellen, sagt er leise, notfalls spiele er auch Verteidiger. "Und wenn ich meinen Job mache, bekomme ich auch meine Chance." Ganz offenbar weiß da jemand sehr genau, woher er kommt und was ihm wichtig ist. "Erst kommt Gott, und dann kommt meine Familie", sagt Gustavo, "meine Familie ist alles für mich."

Dazu gehört neben dem Vater und einem älteren Bruder die 84-jährige Oma, die ihn seit dem Tod der Mutter vor sieben Jahren aus der Hölle der Pubertät leitete. Für die alte Dame mag das jetzt alles ein großes Glück sein: die am Montag erfolgte Vertragsunterschrift des Enkels, der daheim nur in der zweiten Liga spielte, beim berühmten FC Bayern. Und dazu noch die Verlobung ihres Luiz mit seiner Milene am ersten Weihnachtsfeiertag. "Zuhause können sie es noch gar nicht glauben", sagt Gustavo. Er meint seinen rasanten Aufstieg.

Er selbst hat natürlich nicht lange überlegt, als Nerlinger im Dezember erstmals anrief. "Ich habe mein ganzes Leben von so einer Chance geträumt, ich muss mich noch persönlich bei Dietmar Hopp bedanken", sagt er über Hoffenheims Mäzen. Die Turbulenzen, die der Deal im Kraichgau auslöste samt Trennung von Trainer Rangnick, hat er selbstredend mitbekommen. Aber Gustavo will sich mit dieser Episode nicht lange aufhalten. Er ist 23 und Profi und will Titel gewinnen. Und zwar diese Saison.

"Wir müssen groß denken", sagt der Neuling keck über die Münchner Chancen. Er sieht sich eben in der Tradition der erfolgreichen Bayern-Profis Lúcio und Zé Roberto, "sie habe ich bewundert, denn sie waren immer konzentriert und haben alles gegeben". So will er sich auch van Gaal präsentieren, dessen Spielidee ihm zusage. Hoffenheim arbeitete unter Rangnick vor allem gegen den Ball, van Gaals Bayern sollen die Kugel kontrollieren, das hat er gleich mitbekommen. "Hier wird mehr mit dem Ball trainiert", sagt Gustavo, der zwar den linken Fuß bevorzugt, den rechten aber nicht nur für die Fortbewegung nutzt.

Demnächst dürfte Gustavos Multifunktionalität, die van Gaal schätzt, auch die Seleção interessieren. Die Heimauswahl würde er fraglos bevorzugen, trotz des Geredes um Einbürgerung und Einsätze im DFB-Team. Er schätze nach vier Jahren "die deutsche Mentalität, vielleicht kann das auch passieren", sagt er dazu freundlich. Andererseits: "Ich bin Brasilianer, und jeder Brasilianer träumt davon, für sein Land spielen zu dürfen." Denn es ist das Land seines geheimnisvollen Vaters.

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