FC Bayern: Louis van Gaal:In den Armen des Routenplaners

Der Sieg in Schalke steigert das Ansehen von Bayern-Trainer van Gaal. Das nächste Etappenziel lautet Manchester.

Andreas Burkert

Die Familie befindet sich im Osterurlaub, Italien, Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hat eigentlich nachreisen wollen. Aber "der Mull", wie sie hier den in der Sportwelt geachteten Teamarzt des FC Bayern nennen, ist doch geblieben, auch am offiziell freien Ostermontag ließ der Münchner Medizinmann seine Kräfte wirken. Und draußen auf der Wiese schwitzte Assistenztrainer Herman Gerland mit dem Rekonvaleszenten Arjen Robben, sie alle unterwerfen sich einem übergeordneten Plan, der zurzeit den Alltag des FC Bayern bestimmt.

Es ist der Plan des Louis van Gaal. Der Trainer ist in diesen Tagen nicht nur als Übungsleiter und Taktikflüsterer im Einsatz, sondern auch als Routenplaner und Moderator einer verhältnismäßig kleinen Gruppe, die sich von Höhepunkt zu Höhepunkt hangelt. Schon diesen Dienstag geht es ja weiter zum nächsten Spiel der Spiele: 12 Uhr, Abflug LH5018, zur Zwischenstation Manchester.

Schlüsselfigur Schweinsteiger

Dass sein Plan bislang aufgeht, überrascht einen ganz bestimmt nicht, und das ist der Urheber selbst, auch wenn van Gaal nach dem wertvollen 2:1 im Spitzenduell bei Schalke 04 vermeintlich ungläubig jubilierte, wie "unglaublich" es sei, was sein Team leiste.

Und es ist kein Geheimnis, dass mancher in München immer noch so seine Probleme hat mit den Eigenheiten des knorrigen Holländers, nicht nur dessen Umgang mit Reservisten prädestiniert ihn vermutlich weniger zum Kandidaten für einen Humanitätspreis. Wie sehr sie ihn inzwischen dennoch wertschätzen als Fußballlehrer, das hat eine Begebenheit aus den Schalker Katakomben dokumentiert.

Dort traf van Gaal auf den Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, von dem es heißt, er verabrede sich wahrscheinlich eher mit Christoph Daum oder Sigmar Gabriel zum Eiersuchen als mit dem Coach. Aber so ist das bei den Bayern, Erfolg verbindet, in diesem Fall sogar zwei meinungsstarke Egozentriker, und so nahm Rummenigge den leitenden Angestellten nach dem Erfolg beim einzig verbliebenen Rivalen im Kampf um die Meisterschaft voller Sympathie in den Arm.

Oben auf der Tribüne hatten Rummenigge und sein Präsident Uli Hoeneß ja nicht nur die Qualität der Stadionwurst und den Plausch mit der Gattin des Schalker Trainers goutiert, sondern auch die Fitness des Personals gegen Felix Magaths Fitnessprotze und dessen Geschicklichkeit, mit der es auch in Unterzahl den Gegner zum Gefangenen seiner Gestaltungsarmut reduzierte.

Nach dem Anschluss zum 1:2 durch Kevin Kuranyis Kopfball (31.) und Hamit Altintops berechtigtem Platzverweis per Ampelkarte (41.) hatten die Münchner mit einem stürmischen zweiten Abschnitt rechnen dürfen. Doch dann malte van Gaal in der Halbzeit eben ein paar Striche auf das Deckblatt seiner Lederkladde; es waren dünne Wegweiser im Verschiebebahnhof der Deckung. Der Rest ist viel Routine gewesen, ein enormes Laufpensum (wobei Torschütze Thomas Müller ein komplettes Scheckheft mit Fleißkärtchen erhielt) - und vor allem das taktische Gespür, mit dem Bastian Schweinsteiger die Defensivrolle im Mittelfeld ausfüllt.

Robben-Einsatz wahrscheinlich

Van Gaal hat verblüfft mit dem Einbau junger Kerle wie Müller, Badstuber oder des überraschend wieder für die Startelf nominierten (und überzeugenden) Linksverteidigers Contento. Doch Schweinsteigers Versetzung gilt längst als Schlüsselpersonalie der noch jungen Ära van Gaals. Mit der Präzision eines Vermessungstechnikers lenkt der Coach zudem den Tabellenführer durch die Wochen der Entscheidungen, selbst die Diva Ribéry ist ja diesmal nicht beleidigt gewesen nach der zeitigen Auswechslung. Vielmehr blödelten die zwei nach dem Abpfiff, als holten sie die am Donnerstag in der Kabine vermissten Aprilscherze nun endlich nach. Auch Ribéry hat den großen Plan van Gaals jetzt verinnerlicht.

Montag ist also frei gewesen, nach dem Auslaufen am Sonntag hatte der eiserne Regent van Gaal seine Leute mit der langen Leine überrascht. Robben wiederum schuftete für die Rückkehr, "es sieht gut aus", versicherte der Holländer nach der Ballarbeit. Auch Abwehrchef Daniel van Buyten, in Schalke wegen einer Prellung am Knie gegen den zunächst geschonten Kompagnon Martin Demichelis ausgetauscht, soll am Dienstag an Bord sein.

Beste Aussichten sind das aus Münchner Sicht, obwohl sie noch nichts erreicht haben, was sich auf dem Briefkopf verewigen ließe. Aber gefühlte Seriensieger sind sie schon nach der 2:1-Vorleistung vergangene Woche gegen United und dem Coup auf Schalke. Nicht nur van Gaal ("Für uns ist die Meisterschaft, das Wichtigste, aber es könnte noch mehr werden") frohlockt bereits, auch Hoeneß wagte sich mal wieder in den Zeugenstand und nahm dort gerne das harte Urteil über die Hausherren voraus. Diese Niederlage werde Schalke "einen ziemlichen Stich" versetzen, orakelte er und beschied: "Wir sind mit Abstand die beste deutsche Mannschaft, tut mir leid für alle anderen." Womöglich hat Medizinmann Mull am Dienstag einen Schluck Baldrian dabei?

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