FC Bayern: Louis van Gaal:Eisige Tage in der Fußballwelt

Auch weil er sich fachlich angreifbar gemacht hat, muss Bayern-Trainer Louis van Gaal in Hannover ein Endspiel bestreiten. Der aufkommenden Kritik begegnet er gelassen - doch eine erneute Niederlage könnte ihn den Job kosten.

Andreas Burkert

Er habe gut geschlafen, antwortet Louis van Gaal. Er sagt das mit einem Amüsement im Ton, das im ersten Moment nur einen Schluss zulässt: Er schläft gut, weil er sich natürlich nichts vorwerfen lassen kann. Das würde dann wohl passen zu jenem Bild, das viele von ihm haben und das in diesen eisigen Tagen deutlich geschärft wird.

FC Bayern Muenchen - Schalke 04

Er kann jetzt nur noch zuschauen: Louis van Gaal (3. v. li.) könnte bei einer Niederlage in Hannover seinen Job verlieren.

(Foto: dapd)

Weil diese Tage für den FC Bayern Krisentage sind: Die Titelverteidigung in der Meisterschaft ist passé, im Pokal ebenfalls, und nun hat sich dieser stolze Klub ins platte Niedersachsen aufmachen müssen, um dort beim Überraschungs-Dritten Hannover 96 ein Desaster abzuwenden, eine Blamage: das Verpassen der Champions-League-Qualifikation.

Es geht um Platz zwei, mindestens um Rang drei. Eine Erniedrigung. Und was sagt van Gaal? Dass er gut schläft? Nun ja, so sagt er das nicht daher, wie stets muss man ihm genau zuhören. Van Gaal schiebt also hinterher: "Ich habe gut geschlafen, weil ich gestern schlecht geschlafen habe." Er lächelt milde.

Gestern, das war die Nacht nach dem Pokal-Aus gegen Schalke. Es hat dafür gesorgt, dass die Partie in Hannover sein letztes Spiel sein könnte im Dienst des FC Bayern. Als Fußballlehrer. Als Reizfigur und Jugendförderer. Als Großkotz und als Feierbiest. All das ist er gewesen, seitdem er im Juni 2009 in München begann. Dass es jetzt schon zu Ende gehen könnte, obwohl er aus seiner Sicht nicht alles falsch gemacht hat und zum Beispiel durchaus versuchte, das Ego der oberbayerischen Fußballfirma mit seiner Uneinsichtigkeit in Einklang zu bringen, das weiß er. Aber das lässt ihn jetzt noch lange nicht kalt.

"Ich habe das schon mitgemacht, ich habe Erfahrung, ich kann damit umgehen und leben. Das ist auch normal, das passiert bei einer Spitzenmannschaft", sagt er. "Aber ich habe mehr Mitleid mit meinen Stab-Mitgliedern als mit mir. Ich bin am Ende meiner Karriere, so sehe ich das." Van Gaal, 59, dieser grobe Klotz, er hört sich ein wenig wehmütig an.

Dass er gehen muss, ist nicht sicher. Er weiß: "Wenn wir gegen Hannover gewinnen, sind wir Dritter und können unser Ziel wieder erreichen, so ist unsere Fußballwelt." In dieser Welt wird aber bereits die Alternative zu einer sportlichen Wende durchgespielt, Trainernamen wie Ralf Rangnick oder Matthias Sammer sind von interessierter Seite in Stellung gebracht. So weit ist es schon.

"Nur das Resultat ist wichtig"

Dabei gilt eine Anstellung Rangnicks, der im Sommer wohl in Wolfsburg oder beim Hamburger SV neu anfängt, beim FC Bayern als ebenso ausgeschlossen wie eine Zusammenarbeit mit Sammer.

Wie es so weit kommen konnte, damit kann sich van Gaal jetzt nicht mehr aufhalten. Er muss dieses Spiel gewinnen, irgendwie, zumindest darf er nicht verlieren. Das stimme, sagt er, "nur das Resultat ist wichtig, ja, das können Sie schreiben". Ein hässliches 1:0, das wäre ein lustiger Kompromiss zwischen dem Offen-siv-Ideologen aus Holland und der spröden Münchner Ergebnismaschine, die im Vorjahr so selig war, weil van Gaal sie endlich mal sexy aussehen ließ.

Deshalb haben sie ihm auch knurrend durchgehen lassen, auf Zugänge wie Sami Khedira verzichten zu wollen, sie haben im Herbst 2010 den "Frieden von Cluj" mit dem hauseigenen Kritiker, dem Präsidenten Uli Hoeneß ("Er ist beratungsresistent!"), geschlossen; sie haben sich von ihm sogar den jungen Thomas Kraft ins Tor stellen lassen. Aber jetzt, nach den Tiefschlägen gegen Dortmund und Schalke, ist er nicht mehr nur der resistente Oberlehrer - van Gaal ist auch fachlich angreifbar geworden: Kein PlanB vorne, keine Stabilität in der Abwehr, die Vorhaltungen häufen sich.

Weshalb ist die Trendlinie nach dem 1:0-Coup in der Champions League bei Inter Mailand so jäh nach unten abgebrochen? Tja, sagt van Gaal, "nach Mailand waren wir die beste Mannschaft der Welt, habe ich gelesen. Und drei Tage später ist alles anders, das ist Sport, man kann verlieren und gewinnen". So banal lässt er das aber nicht stehen, van Gaal räumt ein: "Bayern München ist eine Mannschaft, alle müssen defensiv arbeiten. Das ist es, was wir diese Saison nicht so gut gemacht haben über 90 Minuten."

Die Defensive. Es fällt ihm auf. Jetzt, da es fast zu spät ist. Aber nur Defensive, das kann und will er eben nicht. In den "Visionen" seiner Biografie sind 61 Seiten der Praxis gewidmet: "Passen und Ball spielen", "Positionsspiel", "Systemübungen". Defensive kommt nicht vor. Deshalb ist Martin Demichelis - der übrigens am Donnerstag beim 0:7 des FCMalaga gegen Real Madrid früh ausgewechselt wurde - ebenso fort wie Mark van Bommel. Sie fehlen nicht, auch der einstige Kapitän van Bommel hatte keine Stabilität mehr erzeugen können. Und doch droht den Bayern jetzt eine Blamage. Weil sie um Lösungen ringen, auf dem Rasen und im Innenverhältnis zum Trainer. Auch deshalb ist diese leidenschaftliche Hassliebe nun bedroht.

Er habe nach Schalke "den Ton verändert", sagt van Gaal. Vermutlich wurde er laut. Und Hannover sei "kein Dortmund", findet er, doch auch das mache es nicht leichter. Kroos dürfte den gesperrten Schweinsteiger ersetzen, aber ob es gutgeht? "Wir sind alle Menschen", sagt van Gaal, er wird nun fast philosophisch, "wir können nicht vorhersagen, wie der Tag läuft. Ein Trainer muss das eigentlich immer können: vorhersagen. Aber er bleibt abhängig, so ist das Leben."

Das Leben richtet über Louis van Gaal, so wird es sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: