FC Bayern:Gnabry ist befreit von allen Hemmungen

  • Gegen Liverpool gehen dem FC Bayern die Flügelspieler aus: Franck Ribéry ist keine Stammkraft mehr, Robben verletzt, für Coman zählt jede Minute.
  • Nur auf der rechten Offensivseite hat Trainer Niko Kovac keine Sorge, weil Serge Gnabry vom Herausforderer zur großen Offensivhoffnung geworden ist.
  • Wie stark sich seine Stärken gegen Liverpool entfalten, hängt von Niko Kovacs Plan ab.

Von Benedikt Warmbrunn

Vier Tage habe der FC Bayern noch, hat Niko Kovac am Samstag vorgerechnet, "und die wollen wir sinnvoll nutzen". Am ersten Tag, dem Sonntag, kam dann der Regen. Am zweiten Tag, dem Montag, kam der Winter mit all seiner Flügelstärke nach München zurück, es stürmte und wehte und schneite; innerhalb kürzester Zeit war die gesamte Stadt mit einer weißen Decke überzogen - mit einer Ausnahme.

Der FC Bayern hatte all seine Kräfte in der Platzpflege mobilisiert, und so schimmerte im Stadtteil Harlaching ein grünes Rechteck aus der weißen Welt heraus, der Übungsplatz des FC Bayern. Kovac, der Trainer, konnte also durchaus zufrieden sein, da der Verein die erste Hälfte der von ihm vorgerechneten Tage ausgesprochen sinnvoll genutzt hatte. Und an die Greenkeeper hatte er dabei noch nicht einmal gedacht.

Die Fotos von der grünen Fläche veröffentlichte der Klub am Montag stolz auf allen Vereinskanälen im Internet, doch dass der Montag trotz des erneuten Wintereinbruchs erfolgreich genutzt worden war, das lag für die Verantwortlichen vielmehr daran, wer alles sich auf der grünen Fläche aufhielt. Es fehlte zwar Angreifer Robert Lewandowski, der individuell trainierte. Es fehlte Thomas Müller aus familiären Gründen. Es fehlten weiterhin der an der Wade verletzte Arjen Robben sowie Corentin Tolisso, der sich nach einem Kreuzbandriss im Herbst zurückarbeitet. Es fehlte allerdings nicht: Kingsley Coman.

Der FC Bayern war im vergangenen Jahrzehnt immer ein Verein der Flügelspieler, im Jahrzehnt von Robben und Franck Ribéry. Doch selten hat der Klub so sehnsüchtig auf die Rückkehr eines Außenbahnspielers gewartet wie in den Tagen vor dem Rückspiel im Achtelfinale der Champions League an diesem Mittwoch gegen den FC Liverpool. Hört man den Verantwortlichen in den Tagen vor der Partie zu, dann ist nicht zu überhören, wie viel wohler es ihnen wäre, wenn Coman gegen Liverpool mitwirken könnte; die Rechnung mit den vier Tagen war zum Beispiel ein Coman-Countdown.

Der Franzose hatte sich Ende Februar einen Muskelfaserriss zugezogen, am Freitag war er laut Kovac bereits "auf dem aufsteigenden Ast"; am Samstag, nach dem 6:0 gegen Wolfsburg, relativierte der Trainer: Es wäre "zu früh zu sagen, das kann zu 100 Prozent klappen". Er sagte aber auch: "Wir sind sehr positiv. Wir glauben, dass er es schaffen kann, aber wir müssen Montag und Dienstag abwarten." Und so stellt sich die Frage, wie viele Prozentpunkte seiner körperlichen Stärke Coman zurückgewinnen muss, um am vierten Tag, am Mittwoch, zum Kader zu gehören.

Selbst Klopp lobte Gnabry im Hinspiel

Vor der Saison schwärmten die Münchner davon, wie gut sie auf den Außenbahnen besetzt seien: Ribéry und Robben vor ihrer mutmaßlich (und bei Robben in zwischen definitiv) letzten Saison, dazu Coman, für viele der Flügelspieler Nummer eins, sowie Serge Gnabry, der Zugang aus Hoffenheim. Doch zum vorläufigen Saisonhöhepunkt hat sich diese einst komfortable Besetzung ausgedünnt. Robben hat zuletzt Ende November beim 5:1 gegen Lissabon gespielt, seitdem fehlt er, erst wegen Oberschenkelproblemen, dann aufgrund eines Trainingsrückstandes.

Eine kleine Geschichte bei Robben

Am Samstag sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic, dass "wieder eine kleine Geschichte passiert" sei - wie lange Robben wegen einer Wadenverletzung ausfällt, ist offen. Ribéry hat in diesem Jahr noch keine Partie über 90 Minuten absolviert. Müller, immer eine Option für die rechte Seite, ist gegen Liverpool gesperrt. Und bei Coman weiß noch keiner, zu wie viel Prozent er sich erholt hat - beim 0:0 im Hinspiel war er nach Knöchelbeschwerden geschwächt und fiel kaum auf. Und so ist am Mittwoch die große Offensivhoffnung Serge Gnabry, den im Sommer selbst intern die meisten als Herausforderer eingestuft hatten.

Der 23-Jährige war schon nach dem Hinspiel Liverpools Trainer Jürgen Klopp ein Lob wert, er sagte: "Ich habe Gnabry noch nie so gut verteidigen gesehen." Dieser versteht seine Defensivaufgabe eigentlich so, dass dann, wenn seine Mitspieler und er den Ball haben, der Gegner kein Tor erzielen kann. An der Anfield Road attackierte er aber nicht nur wie sonst die gegnerischen Verteidiger im Spielaufbau, er versuchte vor allem, auf seiner rechten Seite keine Flanken vor das eigene Tor zuzulassen, getreu den ultradefensiven Vorgaben von Kovac. Wie sehr sich nun im Rückspiel Gnabrys offensive Stärken entfalten, auch das liegt am Plan seines Trainers.

Kovac muss die Balance finden zwischen einer Defensive, die den schnellen Angreifern der Gäste keine Lücken gewährt, sowie einer Offensive, die mehr Freiheiten genießt als im Hinspiel - um weiterzukommen, muss der FC Bayern gewinnen. Bislang war in dieser Saison jedoch auch der Ballbesitz streng reglementiert, gerade für die Flügeldribbler. Diese sollen sich am besten direkt an der Seitenauslinie bewegen, um die gegnerische Abwehr auseinanderzuziehen (mit dem Nachteil, dass gelegentlich die eigenen Angriffsreihen für ein schnelles Kurzpassspiel zu weit auseinander stehen). Diese Vorgabe hat das Offensivspiel der Mannschaft lange gehemmt, auch das von Gnabry.

Nachdem er aber gemerkt hat, dass er besser in die Mannschaft integriert wird, dass ihm die Mitspieler den Ball auch in kniffligen Situationen häufiger zuspielen, dass er mit seinem Tempo und seinem Drang zum Tor das Spiel bereichern kann, hat Gnabry in den vergangenen Wochen die eigene Kreativität und Risikofreudigkeit mehr ausgelebt - mit Erfolg. Neun Tore hat er bisher erzielt, davon sieben in der Liga; drei weitere Ligatreffer, und er hätte in drei Spielzeiten nacheinander eine zweistellige Ausbeute geschafft, für drei verschiedene Vereine (Bremen, Hoffenheim und München).

Kovac muss vor dem Rückspiel gegen Liverpool entscheiden, ob er Ribéry anfangen lässt und durch Coman ersetzt - oder ob Coman die Gäste müde dribbelt und dann für Ribéry und dessen routinierten Blick für die Schwachstellen weicht. Dass Kovac die rechte Offensivseite überhaupt keine Sorgen bereitet, macht Gnabry im Verein der Flügelspieler bereits jetzt zu einem Gewinner dieser Saison.

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