Bayern-Niederlage gegen Leverkusen:"Eine vielleicht nie dagewesene Ineffizienz"

Lesezeit: 4 min

Der Ball wollte einfach nicht ins Tor: Robert Lewandowski bei einer Chance. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Nach dem 1:2 gegen Leverkusen sehen sie beim FC Bayern keinen Anlass, sich grundsätzlich zu hinterfragen.
  • Müller nennt als Grund für den ersten Dämpfer unter Trainer Flick eine "extreme, vielleicht nie dagewesene Ineffizienz".
  • Zu den Ergebnissen der Bundesliga geht es hier.

Aus dem Stadion von Maik Rosner, München

Als Thomas Müller hinterher auf die erste Niederlage des FC Bayern unter Trainer Hansi Flick zurückblickte, rechnete er noch einigermaßen zurückhaltend hoch. "Selbst wenn wir 4:2 oder 5:3 gewinnen, kann keiner sagen, dass das nicht verdient war", befand er. "Eine extreme, vielleicht nie dagewesene Ineffizienz" beklagte der Münchner Torschütze zum zwischenzeitlichen 1:1 (34.) zudem nach einer Begegnung, die in der Tat in Sachen Chancenreichtum und Unterhaltungswert lässig den Titel Topspiel rechtfertigte. Gewonnen hatte dieses aber Bayer Leverkusen, trotz nur etwas mehr als 25 Prozent Ballbesitz. "In der zweiten Halbzeit hatten wir natürlich Glück", sagte Stürmer Kevin Volland, der seinem Kollegen Leon Bailey beide Tore aufgelegt hatte (10./35.). Volland verwendete sogar den Begriff "Dusel", der sonst vor allem mit den Bayern assoziiert wird.

Vor Beginn bekommt Hoeneß einen Gamsbarthut und Blumenstrauß überreicht

Doch diesmal konnte durchaus auf einen Bayer-Dusel verwiesen werden, als es darum ging, das Ende von Flicks Siegesserie in seinem fünften Spiel zu erklären. Allein drei Mal hatten die Münchnern das Torgestänge getroffen und zudem zahlreiche Chancen ausgelassen. "Es hat auf jeden Fall nicht viel gefehlt", sagte Kapitän Manuel Neuer und verwies auf Gesetzmäßigkeiten des Fußballs, wonach man zuweilen auch Glück zum Gewinnen benötige. "Das Glück hatten wir nicht", sagte der Torwart, sah aber keinen Anlass, grundsätzliche Fragen zu stellen. Er sagte: "Wir müssen so weiterspielen, wie wir es in den letzten vier Spielen und heute in der zweiten Halbzeit getan haben."

Auch Flick verwies darauf, dass er nach seinen vier Startsiegen "nicht ausgeflippt" sei und dies auch jetzt nicht zu tun gedenke. Sanfte Kritik übte er dennoch, wobei diese auf der Hand lag. "Wir waren zu fahrlässig mit unseren Chancen", sagte Flick, Leon Goretzka sprach sogar davon, man habe sich "kläglich" angestellt. Drei Punkte Rückstand haben sie nun auf Tabellenführer RB Leipzig, der an diesem Sonntag noch von Borussia Mönchengladbach um einen Zähler überboten werden kann.

Folkloristisch hatte der Samstagabend begonnen, als Uli Hoeneß nach seinem jüngsten Rückzug vom Präsidentenamt einen Gamsbarthut und Blumenstrauß überreicht bekam. Zudem trägt nun eine Lounge in der Arena seinen Namen, der dafür auf der Liste jener Münchner Spieler und Funktionäre fehlt, die an diesem Sonntag zu den traditionellen Fanklub-Besuchen aufbrechen. Fest eingeplant war dafür, dass sie bei den Poppenberger Buam und den Mindeltaler Wikingern mit einem Sieg vorstellig werden. Zumal Flick die jüngst geschonten Müller, Joshua Kimmich, Serge Gnabry und David Alaba in die Startelf zurückrotiert hatte. Ebenso von Beginn an spielen durfte Ivan Perisic anstelle von Philippe Coutinho.

Die neue Verwundbarkeit in der Defensive erstaunte

Beim 6:0-Sieg am Dienstag in Belgrad hatten sich die Umbauten überhaupt nicht bemerkbar gemacht. Von Leverkusen aber wurden die Bayern erstmals unter Flick richtig gefordert, unabhängig von der Startformation. Erstaunlich geriet dabei die neue Verwundbarkeit in der Defensive. Eher an die stets latente Gefahr von Gegentoren unter Niko Kovac als an die souveräne Dominanz in Flicks vier Auftaktsiegen mit 16:0-Toren erinnerte das Geschehen vor allem im ersten Durchgang.

Erschwerend hinzu kam für die Münchner, dass sie kurz nach Gnabrys Pfostenschuss (9.) durch das erste Gegentor unter Flick früh in Rückstand geraten waren. Und zwar nach jenem Muster des rasanten Leverkusener Umschaltspiels, das die Bayern auch in der Folge immer wieder in Turbulenzen stürzte. Auf Leverkusens "Speed" und "Effizienz" verwies Müller später. Neuer lenkte den Blick auch auf die Defizite der eigenen Mannschaft, die "in der ersten Halbzeit nicht so ganz drauf gewesen" sei, zumindest "nicht in allen Abteilungen". Gemeint war damit wohl jene Laxheit, die auch die beiden Gegentore heraufbeschworen hatte.

Vor dem 0:1 nutzten die Leverkusener einen Ballverlust von Alphonso Davies für den Gegenangriff im Expresstempo, bei dem Volland auf Bailey passte, der an Neuer vorbei vollendete. Vor dem zweiten Gegentor fing Bailey einen so weiten wie unkoordinierten Schlag ab, leitete sofort auf Volland weiter, um dessen Pass erneut in Empfang zu nehmen und zum 1:2 einzuschieben. Die Bayern liefen in diesen Szenen nur hinterher, auch gedanklich. Zwischenzeitlich hatte Moussa Diaby Neuer von der Strafraumgrenze herausgefordert, der Münchner wehrte den Ball mit Mühe und einer Hand ab.

Die Bayern hatten sich ebenfalls mehrere Chancen erspielt, darunter einen Schuss von Perisic an die Latte, wenngleich aus einer Abseitsposition heraus. Erfolgreich war nur Müller, und das sogar mit links, als er von der Strafraumkante zum zwischenzeitlichen 1:1 einschoss. Doch nur eine Minute später fiel Baileys 1:2, das auch deshalb bis zur Pause Bestand hatte, weil Lars Bender mit einer Grätsche kurz vor Ende der ersten Halbzeit Perisic am Abschluss aufs leere Tor hinderte.

Ähnlich unterhaltsam begann die zweite Halbzeit. Die Bayern machten das Spiel, kamen zu Chancen, sahen sich aber stets der Gefahr ausgesetzt, nach einem Ballverlust bei Leverkusens Hochgeschwindigkeits-Kontern überrannt zu werden. Wie bei Nadiem Amiris Abschluss frei vor Neuer, der aber retten konnte. Es war wohl auch dieses Risiko, das die Münchner zunehmend scheuten. Etwas vorsichtiger und mit mehr Absicherung liefen sie nun an, kamen aber weiterhin zu vielen Chancen. Darunter waren ein zu hoch angesetzter Volley von Perisic und Robert Lewandowskis bereits zweiter Schuss am Tor vorbei, obwohl der sonst so treffsichere Stürmer erneut frei vor Lukas Hradecky gestanden hatte. Und als Leverkusens Torwart in einer Szene gleich zwei Mal spektakulär gegen Lewandowski und Müller abwehrte, stellte sich zunehmend der Eindruck ein, dass es eng werden könnte mit dem Fortbestand von Flicks Siegesserie. Zumal Leverkusener Konterchancen wieder zunahmen, bei denen Neuer das 1:3 durch Diaby verhinderte.

Flick brachte Coutinho und Kingsley Coman für Müller und Perisic und sah, wie Goretzka bald darauf einen Kopfball an den Pfosten setzte (77.). Flick sah aber auch, wie sich seine Mannschaft im Auslassen von Torchancen ebenso überbot wie Hradecky mit seinen Glanztaten. Für die letzten zehn Minuten nahm Flick Javier Martínez heraus und brachte Thiago Alcántara, der Kimmich als Sechser ablöste.

Doch auch das half nicht, erfolgreich Lösungen zu finden, obwohl Leverkusen in der Schlussphase nach Jonathan Thas Notbremse gegen Coutinho (82.) nur noch zu zehnt verteidigte. Auch die erstaunlich hoch angesetzten sechs Minuten Nachspielzeit überstand die Werkself, weil Sven Bender in höchster Not rettete. Wohl auch deshalb sah Bender ebenso keinen Anlass für neue Grundsatzdebatten bei den Münchnern, vier Wochen nach der Trennung von Flicks Vorgänger Niko Kovac. "Die Bayern spielen hervorragenden Fußball. Sie sind drückend gewesen. Die Bayern sind eine überragende Mannschaft, auch wie sie heute gespielt haben", sagte Bender bei Sky. Und er bestätigte indirekt seinen Kollegen Volland, der den neuen Begriff des Bayer-Dusels angeregt hatte. Sven Bender formulierte es so: "Nur mit Glück kann man in München gewinnen."

© SZ vom 01.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: