FC Bayern im Supercup:Bayerische Pfeile von überall

Sadio Mané

Sadio Mané erzielte sein erstes Pflichtspieltor für den FC Bayern - und er zeigte auch sonst großes Können.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

In Spiel eins ohne Lewandowski gewinnt der FC Bayern den Supercup mit 5:3 gegen Leipzig. Die neue Offensive der Münchner zeigt ihr Potenzial - mit Jamal Musiala als herausragendem Protagonisten.

Von Sebastian Fischer, Leipzig

Lukas Klostermann musste sich ein bisschen veräppelt vorkommen. Der Nationalspieler, 26, ist einer der führenden und schnellsten Außenverteidiger des Landes. Sein Name ist zwar nicht der bekannteste, er klingt immer ein bisschen nach dem Familien-Unternehmen um die Ecke, aber er steht für verlässliches Abwehrspiel auf hohem Bundesliganiveau.

Klostermann war nach einer Stunde der Partie gegen den FC Bayern bereits einigen Münchner Angriffen hinterhergesprintet, seine Abwehr war oft in große Konfusion geraten, da ging der bis dahin beste Münchner Offensivakteur vom Platz: Jamal Musiala wurde ausgewechselt. Hinzu kam, als Klostermanns neuer Gegenspieler mit frischen Beinen: Kingsley Coman, Champions-League-Finaltorschütze, einer der flinksten Flügelstürmer des Kontinents. Es dauerte kaum mehr als fünf Minuten, da leitete der Franzose das vierte Bayern-Tor des Abends ein.

Noch mal eine halbe Stunde später endete das Spiel um den deutschen Supercup zwischen Pokalsieger RB Leipzig und dem Serienmeister aus München zwar mit etwas Rummel und dem Ergebnis von 3:5 (0:3), der auf lautes Brüllen spezialisierte Leipziger Stadionsprecher durfte noch mal alles geben. Doch dass die Leipziger in den Schlussminuten bis auf ein Tor herangekommen waren, wirkte fast wie ein Nebenaspekt des Abends, an dem die Bayern auch diesen kleinen, ersten Titel der Saison schon zum zehnten Mal gewannen. Hauptthema waren die fünf Tore einer Offensive, die seit diesem Sommer ohne den Weltfußballer auskommen muss, und die der gegnerische Trainer Domenico Tedesco so beschrieb: "Die Pfeile kommen von überall."

RB-Trainer Tedesco ist beeindruckt vom FC Bayern

Atmosphärisch beschäftigt der Wechsel von Robert Lewandowski zum FC Barcelona den FC Bayern weiterhin. Sportvorstand Hasan Salihamidzic hatte sich dazu eine Redewendung zurechtgelegt, die er in jedem Interview nahezu wortgleich wiederholte: Seine Eltern hätten ihm beigebracht, zum Abschied die Tür nie "mit dem Hintern" zu schließen, "Robert ist auf dem besten Weg, genau das zu tun". Der Stürmer hatte jüngst gesagt, beim FC Bayern sei ihm über die Pläne des Klubs nicht die Wahrheit erzählt worden.

Sportlich wirkte es zumindest im ersten Pflichtspiel der Saison allerdings nicht so, als würde es lange Zeit brauchen, die Abwesenheit des herausragenden Stürmers der vergangenen Jahre zu verinnerlichen. "Nicht mehr klassisch, steif nenn ich's mal", sagte Joshua Kimmich, also nicht mehr mit dem Zehner Thomas Müller und dem Neuner Lewandowski davor zwischen zwei Flügelstürmern - so sehe nun der Münchner Plan aus. Die Nachfrage, ob er manchmal aus Gewohnheit an einen Pass auf Lewandowski gedacht habe, verneinte er beinahe irritiert.

FC Bayern im Supercup: Warum so ernst? Marco Neppe, Bayerns Technischer Direktor, und Hasan Salihamidzic in Leipzig.

Warum so ernst? Marco Neppe, Bayerns Technischer Direktor, und Hasan Salihamidzic in Leipzig.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der neue Angriff soll "variabel" sein, dieses Stichwort war von allen Beteiligten in den vergangenen Wochen seit Lewandowskis Abschied immer wieder zu hören. "Man hat gesehen, dass wir brandgefährlich sind. Dass wir viele schnelle Spieler haben, viele torgefährliche Spieler, die alle in der Lage sind, Tore zu machen. Und das ist ja die Idee", sagte Salihamidzic.

Einen zentralen Platz nimmt dabei natürlich Sadio Mané ein, der spektakulärste Zugang des Sommers. Er bildete eine Doppelspitze mit Serge Gnabry, mal kam der eine zum Passspiel den Kollegen entgegen, mal der andere. Eine Reihe dahinter waren Müller und Musiala mindestens genauso beweglich. Auffällig war der weitestgehende Verzicht auf Flanken in Richtung Strafraum, doch sie schienen zumindest an diesem Abend gar nicht notwendig zu sein, so oft erspielten sich die Münchner in der ersten Hälfte Überzahlsituationen. Und so konfus wirkten die Leipziger zum Teil. Zwei Münchner Tore fielen nach Eckbällen.

4-2-2-2, so wird die Grundordnung meistens beschrieben, die Trainer Julian Nagelsmann schon in seiner Hoffenheimer und Leipziger Zeit oft wählte. Relevant ist die Ordnung allerdings vor allem in Verteidigungsphasen ohne Ball, im hohen Pressing. In den Phasen mit Ball ist die Idee eher eine Art koordinierter Ordnungsverlust, der eine Abwehr zwar immer wieder vor ähnliche Probleme stellt, schließlich ähneln sich die Stürmertypen; doch sie tauchen immer wieder woanders auf, wo es ihnen gerade sinnvoll erscheint. Oder wie es Musiala über die erste Halbzeit sagte: "Wir waren ganz frei, haben viel Kontrolle gehabt, alles war ganz leicht."

Mané schoss sein erstes Pflichtspieltor für die Bayern, Gnabry legte einmal vor und traf selbst, auch Leroy Sané überzeugte mit fast wütend wirkendem Eifer nach seiner späten Einwechslung und traf sehenswert zum 5:3 in der achten Minute der Nachspielzeit. Aber es war der 19-jährige Musiala, der aus dem neuen Bayern-Angriff herausragte: Mit seinem Tor zum 1:0, mit seiner Vorlage zum 3:0 durch Benjamin Pavard, auch das 2:0 durch Mané leitete er ein. Einmal drehte er sich mit dem ersten Kontakt auf dem Ball aus der Umklammerung zweier Gegenspieler - und das war nur eine exemplarische von vielen ähnlichen Szenen. "Weltklasse", lobte Nagelsmann und sagte: "Wenn er so spielt wie heute, ist er nicht wegzudenken."

Wie der Coach seine erste Elf organisiert, welche Nationalspieler er auf die Bank setzt, das ist eine der interessanten Fragen der kommenden Wochen. Für den Sturm kommt zumindest perspektivisch noch der 17-jährige Zugang Mathys Tel hinzu, der am Samstag noch nicht spielberechtigt war, aber sich schon mal mit aufwärmte. Ein weiterer neuer Stürmer von anderem Typ soll nicht kommen, "normalerweise haben wir unsere Planungen da abgeschlossen", teilte Salihamidzic jedenfalls mit.

Zur Defensivleistung in der zweiten Hälfte sagte der Sportvorstand verständlicherweise, ihm habe die "Kompaktheit" gefehlt. Über die Abwehr, in der am Ende auch der neue Chef Matthijs de Ligt mitspielte, wird man aber wohl erst dann ausführlicher sprechen, wenn die Bayern mal nicht fünf Tore schießen.

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