Das Lob von David Alaba war deutlich zu hören, und es fiel ziemlich überschwänglich aus. "Bravo", sagte der Abwehrchef des FC Bayern, "Bravo", die Außenmikrofone im fast menschenleeren Stadio Olimpico in Rom zeichneten es auf. Und er wiederholte es noch mal: "Bravo." Es war sein Glückwunsch für Jamal Musiala, der soeben das 2:0 für die Münchner gegen Lazio Rom im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinales geschossen hatte. Und damit hatte Musiala schon sehr früh an diesem Abend, der mit einem 4:1 (3:0) für die Bayern endete, etwas aus Münchner Sicht ausgesprochen Beruhigendes gezeigt: Dass die Probleme des deutschen Rekordmeisters gerade lange noch nicht groß genug sind, um den Ambitionen des Vereins in der Königsklasse im Weg zu stehen.
Es war besonders die Aufstellung von Musiala, 17, die auf die Personalnot des FC Bayern in diesen Tagen hinwies. Nur 17 Profis waren mit nach Rom gereist, die restlichen Spieler sind gerade verletzt oder positiv auf das Coronavirus getestet, allen voran Thomas Müller. Und auf dessen Position, offensiv in der Mitte hinter Stürmer Robert Lewandowski, eine Position, die man früher mal "Zehner" nannte, begann nun der hochbegabte, aber eben auch unerfahrene Musiala, der zuletzt Anfang Januar in der Münchner Startelf gestanden hatte.
"In der Entwicklung von so einem jungen Spieler" gebe es nun mal "gewisse Schwankungen", so hatte Flick vor dem Spiel begründet, warum der so rasant in die Saison gestartete Musiala zuletzt eher wenig gespielt hatte. Außerdem habe es "viel Trubel" um das Talent gegeben, das am Freitag seinen 18. Geburtstag feiert, dann seinen ersten Profivertrag beim FC Bayern unterschreiben wird und außerdem demnächst bekanntgeben soll, ob er künftig für die deutsche oder englische Nationalmannschaft aufläuft.
In der 24. Minute bekam Musiala den Ball von Leon Goretzka in den Lauf gelupft, er hatte viel Platz am gegnerischen Strafraum, schloss in Ruhe ab und traf platziert in die Ecke. Die Kollegen waren schnell da, um ihm zu gratulieren, er ist nun der jüngste Champions-League-Torschütze der Vereinsgeschichte. Aber es wirkte fast schon ein bisschen zu leicht.
Wie viel Platz und wie erstaunlich wenig Gegenwehr der Titelverteidiger von den Römern erfuhr, das hatte vorher schon Lewandowski sehr erfreut zur Kenntnis genommen. Nach neun Minuten bekam er den Ball unfreiwillig von Lazio-Verteidiger Mateo Musacchio in den Lauf gespielt, dribbelte noch den Torwart aus und traf zum 1:0. Lazio-Trainer Simone Inzaghi nahm den schwachen Musacchio schon nach einer halben Stunde vom Feld, doch stabiler machte das die Abwehr der Italiener erst mal auch nicht. Kurz vor der Pause war es Flügelstürmer Kingsley Coman, der seinen Gegenspielern bei einem Münchner Konter so schnell davon lief, dass es wie Wettbewerbsverzerrung aussah. In der Mitte traf Leroy Sané zum 3:0. Gleich nach der Pause war es nach einem langen Pass von Coman dann der starke Sané, der zunächst seinen Gegenspieler mit zwei Haken narrte und den Ball dann flach und hart in die Mitte passte, wo ihn Francesco Acerbi in der 46. Minute ins eigene Tor lenkte. "Heute hat jeder die Erwartungen erfüllt", sagte Flick nach dem Spiel bei Sky: "Jeder einzelne war bereit und hatten den Willen, hier was zu leisten."
Dass die Münchner Probleme keine Einbildung sind, das zeigte sich allerdings in kurzen Momenten selbst während des früh feststehenden und klaren Sieges am Dienstagabend. 31 Gegentore haben die Bayern nach 22 Bundesligaspielen bereits kassiert, fünf allein in den vergangenen beiden Partien, beim 1:2 in Frankfurt am Samstag bekam die Abwehr eine ganze Halbzeit lang die flinken gegnerischen Offensivspieler nicht unter Kontrolle. Daran erinnerte das Verteidigungsverhalten in der 49. Minute, als sich niemand so recht zuständig dafür zu fühlen schien, Roms Joaquín Correa vom Ball zu trennen. Rechtsverteidiger Niklas Süle griff ihn zaghaft von hinten an, die Innenverteidiger Alaba und Jérôme Boateng genauso zaghaft von vorne, da schoss Correa halt das Tor.
Insgesamt wirkten die Bayern aber trotzdem sicherer, und das hatte auch mit Süle zu tun. Denn weil der Innenverteidiger wieder auf der rechten Seite aushalf, musste Flick für diese Rolle nicht Joshua Kimmich opfern, wie er es in der Vergangenheit auch schon ein paar Mal getan hatte. Und so spielte aller Personalnot zum Trotz im defensiven Mittelfeld die Bestbesetzung: Kimmich und der nach seiner Corona-Infektion genesene Goretzka. Es war unverkennbar, welche Stabilität dies dem Münchner Spiel verlieh, auch wenn Goretzkas Fitness noch nicht für 90 Minuten reicht: Nach 63 Minuten kam Javier Martinez, der ebenfalls Ende Januar positiv auf das Coronavirus getestet worden war.
Anfang der Woche hat der Klub die Corona-Regeln für die Mannschaft verschärft, es wird mehr getestet, die Maßnahmen zur Kontaktvermeidung für die Spieler sind noch etwas strenger als vorher. Viele Ausfälle verträgt der Kader nicht mehr. Doch die Teilnahme am Viertelfinale der Champions League wird ihnen im Rückspiel in München Mitte März kaum zu nehmen sein. Dann wird wohl auch Thomas Müller wieder dabei sein. Sollte er sich gegen einen Konkurrenten durchsetzen natürlich, der dann 18 Jahre alt ist.
Jamal Musiala, noch 17 Jahre alt, ging kurz vor Schluss erschöpft vom Platz. Und auch Eric Maxim Choupo-Moting, der für ihn eingewechselt wurde, sagte ihm lächelnd noch ein paar Worte, die sehr nach Lob aussahen.