Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Logik des Leistungslochs

Angesichts der Corona-Saison ist es nur folgerichtig, dass auch der FC Bayern irgendwann Probleme bekommt. Doch Hansi Flick hat Belastung nie als Ausrede gelten lassen - daran muss man ihn nun messen.

Kommentar von Martin Schneider

Nach den größten Siegen, die im Vereinsfußball möglich sind, hat Hansi Flick im vergangenen Jahr gerne einen Aphorismus zitiert, der so in jedem Motivationskalender stehen könnte, den er aber sehr ernst genommen hat. "Erfolg ist kein Besitz, er ist nur gemietet, und die Miete wird jeden Tag fällig", sagte der Trainer des FC Bayern zum Beispiel nach dem Gewinn der Champions League. Angesichts der Niederlage in Kiel in der zweiten Runde des DFB-Pokals am Mittwochabend wirkt der Satz nun natürlich sehr weitsichtig. Leider arbeitet Flick bei einem Klub, der Erfolg doch irgendwie als sein Privateigentum ansieht.

Der FC Bayern hat nach diesem Bild gerade Probleme, die Miete zu zahlen. Das ist in München generell kein ungewöhnliches Phänomen, wohl aber für den reichsten Klub des Landes. Und die Reflexe der Fußballbranche verlangen natürlich, dass der Rekordmeister in einer Krise sein muss, wenn er bei einem Zweitligisten einen Titel verspielt. Aber wenn man sich mal genauer anschaut, wie der FC Bayern vom 8:2 gegen Barcelona zum durchaus verdienten Pokal-Aus im Schneesturm gekommen ist, dann gibt es durchaus eine gewisse Logik der Krise.

Da wäre zum Beispiel das System des FC Bayern. Flick lässt offensiv spielen und risikoreich verteidigen. Nach der Zeit unter Niko Kovac, einem Prediger der Defensive, nahm die Mannschaft diesen neuen Stil begierig an, irgendwann war die Stammelf so eingespielt, dass keine Mannschaft, auch keine in Europa, die Münchner aufhalten konnte. Nun ächzt die Maschine in der dichten Corona-Saison, das Team hat alle drei bis vier Tage ein Spiel. Und die Gegner haben sich mittlerweile perfekt auf die Münchner eingestellt.

Flick hat es also versäumt, einen funktionierenden, kraftsparenderen Stil zu etablieren. Aber wenn man ihn fragen würde, warum, und er ehrlich antworten würde, würde er womöglich zurückfragen: Wann denn? Zwischen Champions-League-Finale und Bundesliga-Start lagen 23 Tage für Urlaub und Saisonvorbereitung. Die Winterpause fiel gleich ganz aus, weil die Corona-Saison ja vor der in den nächsten Sommer verschobenen Europameisterschaft zu Ende sein muss.

Die Münchner haben unterm Strich an Kader-Qualität verloren

Da wäre zum Beispiel aber noch der Kader: Der FC Bayern verlor im Sommer die Spieler Philippe Coutinho, Ivan Perisic und vor allem Thiago, jahrelang Herz des Münchner Spiels. Es kamen Leroy Sané und ein Last-Minute-Quartett, von denen sich bisher noch kein Spieler als echte Verstärkung erwiesen hat. Die Münchner haben unterm Strich also an Kader-Qualität verloren, aber würde man Sportvorstand Hasan Salihamidzic fragen, warum das so ist, dann würde er antworten, dass auch der FC Bayern in Corona-Zeiten keine finanziellen Abenteuer eingehen kann.

Man findet also gute Erklärungen für die Situation der Bayern im Januar, zumal es im Fußball auch das bekannte Phänomen des "WM-Lochs" gibt, also dass Spieler nach großen Turnieren in ein Leistungstief fallen - auch wenn in diesem Fall das WM-Loch ein Champions-League-Loch ist.

Das könnte man alles so stehen lassen. Aber Flick selbst hat an sich immer die Maßgabe angelegt, dass der Terminkalender und die Belastung keine Ausrede sein dürfen. Daran muss er sich jetzt natürlich auch als Triple-Trainer messen lassen.

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