Bayern-Coach Niko Kovac:Ein erschöpfter Meister-Trainer

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Ein Kuss an die Schale: Niko Kovac ist nun als Spieler und Trainer des FC Bayern Meister geworden. (Foto: John Macdougall/AFP)
  • Niko Kovac wird Meister mit dem FC Bayern - und weiß immer noch nicht, ob er in der kommenden Saison auf der Bank sitzen wird.
  • Die Fans feiern den Meistertrainer, was Kovac rührt.
  • Von den Bossen bekommt er trotzdem keine eindeutigen Signale.

Aus dem Stadion von Martin Schneider, München

Da saß er also, der Meister-Trainer, der einen Neun-Punkte-Rückstand aufgeholt hat, der erste seit Franz Beckenbauer, der als Spieler und Trainer mit den Bayern den Titel gewann, der am kommenden Wochenende sein drittes DFB-Pokal-Finale in Serie spielen wird und der im Stadion erlebte, wie Tausende seinen Namen sangen und ihn als "besten Mann" feierten. Dieser Mann namens Niko Kovac saß mit biernassen Haaren vor dem Mikrofon und wirkte nicht euphorisch, nicht ausgelassen. Er wirkte erschöpft. "Aber Sie freuen sich schon?", musste ein Reporter irgendwann fragen und Kovac lachte. "Doch, klar. Vielleicht würde es mehr auffallen, wenn ich mit einer roten Nase rumlaufen würde oder mit einem Karnevalshut. Aber es ist im Moment sehr viel hier drin", sagte er und zeigte auf sein Herz.

Es war ein Tag für das Herz von Niko Kovac und es war vor allem ein Tag, an dem ihm die Bayern-Fans ihr Herz zu Füßen legten. Sie hatten ja viel zu feiern in der Arena und sie wussten gar nicht, wohin mit all den Emotionen für Ribéry, für Robben, für den Titel. Aber die Fans, sie nahmen sich an diesem für den Klub historischen Tag die Kraft und die Energie, um ihren Trainer mehrmals und sehr laut zu unterstützen, weil sie den Eindruck haben, dass dieser Trainer Unterstützung braucht und verdient.

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Kovac applaudierte noch während des Spiels. Er zeigte einen Daumen nach oben Richtung Südkurve, wo die lautesten Fans der Münchner stehen. "Wenn man solch eine Geste zu spüren bekommt, dann ist das schön. Dafür macht man den Job gerne. Man sieht, dass die Fans ein gutes Gespür haben", sagte Kovac. Und er sagte, was er über die Saison schon ein paar Mal gesagt hat. "Wir sind alles Menschen, hier sitzt kein Roboter."

Die "Fakten" sprechen für Kovac - aber was nützt ihm das?

Wer den FC Bayern nicht kennt, der kann diese Situation kaum begreifen, und irgendwie ist sie auch unbegreiflich, aber der Trainer, der eine der erfolgreichsten Rückrunden der an erfolgreichen Rückrunden nicht armen Vereinsgeschichte gespielt hat - bei dem ist immer noch nicht klar, ob er nächste Saison noch Bayern-Trainer ist. Jedenfalls sagte es einfach kein Verantwortlicher am Samstag, um endlich Druck aus dieser für alle Seiten zunehmend unangenehmer werdenden Situation zu nehmen.

"Ich habe immer gesagt, ich werde mich an den Spekulationen nicht beteiligen, deshalb werden sie zu dem Thema von mir nichts hören" meinte Uli Hoeneß, der immerhin auch sagte, dass ihn die Sprechhöre zu Kovac gefreut hatten. Hasan Salihamidzic sprach sehr lange um das Kernthema herum, erzählte, dass der Trainer seine Unterstützung habe und als ein Reporter dann fragte, warum denn keiner klipp und klar sage, dass Kovac Bayern-Trainer bleibt, da meinte Salihamidzic. "Für mich stellt sich die Frage jetzt gerade nicht." Auf die Nachfrage, ob Kovac nächstes Jahr noch da ist, meinte Salihamidzic: "Die Fakten sprechen dafür, ja."

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Auch aus den Spielern war nichts herauszubekommen. Thomas Müller meinte, er wolle sich nicht in politische Prozesse einmischen. Wenigstens Manuel Neuer wies darauf hin, dass auch Pep Guardiola kein Champions-League-Sieger geworden ist. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende, der ihn nach dem 5:0 gegen den BVB öffentlich anzählte und diese Wort nie zurücknahm, sagte übrigens nichts.

Es ist dieses laute Schweigen, dieses ausdrückliche Ausweichen, das Kovac in eine Situation bringt, aus der ihn kein Meistertitel der Welt rettet. Die Liebe der Fans bekommt er auch deshalb, weil sie merken, dass sich da jemand nicht verbiegt, dass da jemand unter der Situation leidet, dass da jemand Kämpfe kämpfen muss, die schwer auszuhalten sind, aber offenbar nichts mehr tun kann, um sie zu ändern. Vermutlich war noch nie ein Bayern-Trainer im Moment der Meisterschaft in einem solchen Selbstverteidigungs-Modus. "Man hat uns als Trainer-Team im Herbst für die Situation verantwortlich gemacht. Aber dann muss man uns nun auch für die Aufholjagd verantwortlich machen", sagte Kovac.

Er habe mit den Verantwortlichen gesprochen, sagte Kovac. "Ich rede mit meinen Chefs, ich hab ja drei", meinte er. Und: "Wenn man redet, hört man schon raus, in welche Richtung es geht. Ich glaube schon, dass ich das richtig interpretiert habe. Daher gehe ich davon aus, dass ich meinen Vertrag, der noch zwei Jahre läuft, erfüllen werde." Man konnte also mutmaßen, dass es mit ihm weitergeht. Man konnte aber sicher daraus schließen, dass er es selbst nicht definitiv weiß. So eine Situation kann natürlich dazu dienen, die Spannung bis zum Pokal-Finale hochzuhalten, aber wer Kovac in den Katakomben sah, der fragte sich, ob das die richtige Strategie ist.

Man muss dazu noch wissen, dass er unter der Woche lesen musste, dass seine Entlassung angeblich schon feststünde. Die Nachrichtenportale Goal.com und Spox vermeldeten eine solche Entscheidung, der FC Bayern dementierte umgehend. Kovac bekommt das alles mit. "Sie haben ja gesehen, man kann etwas in die Welt setzen und alle beißen drauf an. Wie wenn Sie die Angel ausfahren und die Fische beißen an", sagte er, ohne den Vorgang genau zu benennen. Aber jeder wusste, was er meinte: "Es geht nicht um mich, es geht darum, dem anderen den nötigen Respekt entgegenzusetzen." Und er sagte, was ihm alle ansahen: "Dieses Jahr war sehr anstrengend, das können Sie mir glauben."

Er sei nicht dafür bekannt, bis zum Exzess zu feiern, aber er werde feiern und sich auch mal entspannen. Aber am Dienstag gehe es ja schon weiter mit den Vorbereitungen auf das Pokal-Finale. Dort feierte er im vergangenen Jahr mit der Eintracht, auch dort verabschiedeten ihn die Fans mit Sprechchören. Man weiß also, dass Niko Kovac ein Trainer ist, der Titel gewinnt und man weiß, dass er ein Trainer ist, der bei den Fans ankommt. Aber ob er auch ein Trainer ist, der das Vertrauen der Bayern-Bosse hat, das weiß man auch nach dieser Meisterschaft noch nicht.

© SZ vom 19.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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