Es ging nicht anders, das ahnte er natürlich, er würde an dem Thema nicht vorbeikommen. Niko Kovac, der Trainer des FC Bayern, sprach in der Pressekonferenz vor dem Bundesligaspiel gegen den VfL Wolfsburg auch über die Nationalmannschaft, und dabei unter anderem auch ausführlich über einen Spieler. "Er ist sehr schnell, er ist dribbelstark, er ist mit rechts und links genauso gut unterwegs", sagte Kovac. Er sagte diese Sätze allerdings nicht über Thomas Müller, 29, Mats Hummels, 30, oder Jérôme Boateng, 30. Denn er sprach über eine "Stammkraft" im Nationalteam. Kovac lobte Serge Gnabry, 23, der in dieser Woche seinen Vertrag in München bis 2023 verlängert hat.
Es ist nun drei Tage her, seit bekannt ist, dass Müller, Hummels und Boateng in Zukunft keine Stammkräfte in der Nationalelf mehr sein werden, weil der Bundestrainer den drei Weltmeistern von 2014 mitteilte, sie gar nicht mehr zu nominieren. Doch der nach Darstellung des FC Bayern unangekündigte München-Besuch von Joachim Löw samt unmittelbar anschließender Veröffentlichung der Nachricht durch den DFB wirkt wohl noch eine ganze Weile nach. "Das bringt ein Stück Unruhe in den ganzen Klub", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge im ZDF, und führte so die Kritik an Löw fort, die der Klub bereits in einer Mitteilung geäußert hatte.
Kovac hofft auf Comans Einsatz gegen Liverpool
Auch Kovac zeigte am Donnerstag wenig Verständnis für den Entschluss, es sei, "gerade auch wegen der Endgültigkeit" falsch, Spieler mit 30 und 29 schon als "altes Eisen" zu bezeichnen. Und Kovac lieferte ein Stück Geschichtsschreibung zum immer noch nicht restlos aufgeklärten Vorgang am Dienstag. Löw, dem ein guter Austausch mit den Bundesligatrainern erklärtermaßen wichtig ist, habe ihn am Morgen gegen 9 Uhr anzurufen versucht, da habe Kovac aber in einer Besprechung gesessen. Als er dann, wie von Löw gebeten, zurückzurufen versuchte, habe der Bundestrainer bereits im Flugzeug nach München gesessen. "Mit ihm habe ich dann hier kurz gesprochen. Die Kommunikation war schon da, aber nicht über mehrere Tage."
Lieber sprach Kovac aber darüber, wie es nun weitergehen soll. Von Müller, Hummels und Boateng erwarte er sich eine Art Trotzreaktion, "um sich selbst und allen anderen zu beweisen, dass sie die Qualität haben, für ihr Land zu spielen". Kovac sagte: "Die Jungs sind nach der kurzen Enttäuschung wieder im Kopf klar, sie wissen, was sie machen müssen und werden." Ähnlich hatte auch Müller am Vorabend in einer Videobotschaft geklungen, als er sich über die Art und Weise der Bekanntgabe empörte, aber am Ende sagte (und dabei extra nah an die Selfie-Kamera gerückt war): "Das Spiel ist noch nicht aus."
Andererseits sind es in dieser Saison beim FC Bayern ja eher die Jüngeren, die in den Mittelpunkt drängen. Müller überzeugte zuletzt in Gladbach zwar mal wieder, seine berühmteste Aktion der Saison war aber bisher seine späte Einwechslung beim Spiel gegen Freiburg, während der seine Frau in den sozialen Medien über einen "Geistesblitz" des Trainers schrieb und sich tags darauf laut offizieller Klubmitteilung entschuldigte. 18 Mal stand der Offensivspieler in der Startelf, fünf Bundesligatore schoss er. Die Weltmeisterabwehr um Boateng und Hummels gibt es auch beim FC Bayern nicht mehr, da meistens der jüngere Niklas Süle, 23, neben einem der beiden spielt. Wer noch Indizien suchte für den im Sommer geplanten Kaderumbruch, der jenem beim DFB nicht unähnlich ist, der wurde auch am Donnerstag fündig: Arjen Robben, 35, hat sich gerade erneut an der Wade verletzt, er wird für das Champions-League-Rückspiel am kommenden Mittwoch gegen den FC Liverpool ausfallen. Kingsley Coman, 22, ist dagegen nach einem Muskelfaserriss wieder im Aufbautraining, man hofft auf seinen Einsatz.
"Ich mache mir keine Gedanken, ob Thomas irgendwo dabei ist"
Dass der FC Bayern seine älteren Spieler, in diesem Fall Franck Ribéry und Robben, noch nicht ersetzt hat, das hat Präsident Uli Hoeneß neulich bei Sport1 damit begründet, dass man ihnen in München aus Dankbarkeit "nicht noch ein paar Hochkaräter vor den Latz knallen" wollte. Es ist nun natürlich durchaus ironisch, dass sie sich in der wichtigsten Saisonphase von drei verdienten Spielern erhoffen, Stärke daraus zu entwickeln, dass ihnen der Bundestrainer ihre Ausbootung vor den Latz geknallt hat. Auch Hummels reagierte am Donnerstagabend, ganz ähnlich wie Müller. Er schrieb in den sozialen Medien von einer "schwer nachvollziehbaren sportlichen Entscheidung" und von "Unverständnis" über "die Art und Weise".
Eine Reaktion, die der Aufregung mit der gebotenen Ehrlichkeit eines Fußballprofis begegnete, hat der von Niko Kovac gelobte Serge Gnabry schon am Mittwoch geliefert. Zu Müller, seinem Kollegen und potenziellen Konkurrenten, sagte er: "Ich mache mir keine Gedanken, ob Thomas irgendwo dabei ist, egal ob in der Nationalmannschaft oder hier", denn: "Genauso macht er sich keine Gedanken, ob ich da bin oder nicht."