Süddeutsche Zeitung

Trainer des FC Bayern:Woran sich die Kovac-Frage entscheidet

Während sich die Bosse als Skeptiker positionieren, schreitet der Trainer mit Stil und Würde durch die Bayern-Saison. Ob Kovac bleiben darf, hängt aber auch von den Spielern ab.

Kommentar von Benedikt Warmbrunn

Die Defensivarbeit, das hat Niko Kovac in seinem ersten Jahr als Trainer des FC Bayern oft betont, ist ihm besonders wichtig, als "Handwerk" hat er sie einmal bezeichnet. Es ist ein Handwerk, das er beherrscht, bewiesen hat er das am Donnerstag. Seit Wochen wird spekuliert, ob Kovac wohl auch nach dem Pokalfinale Ende Mai Bayern-Trainer bleiben dürfe, die Bosse verweigern eine klare Aussage - aber jetzt müssen sie erst einmal an dem Satz vorbeikommen, den Kovac ihnen vorgelegt hat. "Wenn wir miteinander reden", hat er gesagt, "müssen wir eine gewisse Ebene haben, die nie unterschritten werden darf." So allgemein gehalten dieser Satz war, so intelligent war er auch. Eine niveauvolle Entlassung im Profifußball, die muss ja erst noch erfunden werden.

Es war eine bemerkenswerte Pressekonferenz, die Kovac am Donnerstag gegeben hat. Er hat noch einmal nachgewiesen, mit wie viel Stil und Würde er durch Wochen schreitet, in denen sich die eigenen Bosse als die größten Skeptiker positionieren, durch Wochen, in denen ihm die Bosse Tag für Tag die Arbeit erschweren. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge? Sagt, dass er "kein Problem" mit Kovac habe, und diese Emotionalität aus dem Gefrierschrank war schon das Liebenswerteste, was er zuletzt über den Trainer geäußert hat. Sportdirektor Hasan Salihamidzic? Sagt, "die Fakten sprechen für Niko Kovac", alles andere anscheinend aber nicht unbedingt. Präsident Uli Hoeneß, der lange stur an seinem Wunschtrainer festgehalten hat? Sagt, er wolle sich darauf konzentrieren, am Samstag Meister zu werden.

Und Kovac? Fordert "mehr Empathie".

Was hat der Trainer aus dem Liverpool-Spiel gelernt?

Zum Ausklang einer Saison, die als eine des Umbruchs ausgerufen wurde, mit einem jungen Trainer und einem gereiften Team, zum Ausklang einer Saison also, die wie wenige in der Klubgeschichte eine von oben vorgelebte Stabilität nötig hätte, reicht es, die Aussagen der Bosse neben die ihres Trainers zu legen, um zu erkennen, dass diese Arbeitsbeziehung vor einem frühzeitigen Ende steht.

Dass der FC Bayern auch im Erfolg alles hinterfragt, ist nicht verboten, es ist sogar seine Pflicht. So dürfte für Kovac auch nicht entscheidend sein, ob er keinen, einen oder zwei Titel gewinnt. Seine Zukunft wird davon abhängen, ob die Bosse ihm zutrauen, dass der Trainer in einer möglichen zweiten Saison, die dann schon eine des Aufbruchs in den nächsten Zyklus sein soll, der Mannschaft eine neue Identität geben kann. Es wird darum gehen, ob die Bosse glauben, dass die Spieler an Kovac glauben. Und dass der Trainer die Kabine im Griff hat, wie Fußballer oft sagen, war gerade in München schon immer eine Grundvoraussetzung - am Misstrauen der eigenen Spieler scheiterten schon so klangvolle Namen wie Louis van Gaal und Carlo Ancelotti.

Zum Ende dieses Jahres des Umbruchs wird es für Kovac also entscheidend sein, ob die Bosse und auch die Spieler ihm zutrauen, dass er etwa aus dem zu defensiv angegangenen Rückspiel im Achtelfinale der Champions League gegen Liverpool etwas gelernt hat. Ob er bereit ist, in den großen Spielen seine Sicherheitspolitik aufzulösen für einen forschen Spielansatz, wie ihn die meisten Profis beim FC Bayern bevorzugen, gerade in diesen wichtigen Spielen.

Es ist eine nicht ganz abwegige Frage bei einem Fußballlehrer, der zwar die Defensivarbeit als Handwerk bezeichnet, das Offensivspiel aber als eine "Kunst".

Diese Frage nach der fußballerischen Identität dürfte entscheidend sein für die Perspektive von Niko Kovac in München. Sportlich ist ein Votum gegen den aktuellen Trainer vertretbar - es ist aber auch ein Verlust für die Identität eines Vereins, der einst so stark auf Werte, auf Stil und auf Würde geachtet hat.

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SZ vom 18.05.2019/ebc
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