Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Kovac gewinnt gegen seinen Schattentrainer

  • Der FC Bayern schlägt Paris Saint-Germain in einem Testspiel in Klagenfurt mit 3:1. Für Niko Kovac ist es der erste Sieg im ersten Spiel.
  • Für Bayern erzielen Javi Martinez, Renato Sanches und Joshua Zirkzee die Tore.
  • Für Kovac ist es auch ein Sieg über Thomas Tuchel, den der FC Bayern eigentlich als Jupp-Heynckes-Nachfolger holen wollte.

Von Benedikt Warmbrunn, Klagenfurt

Arm in Arm liefen die beiden Männer in den Sommerabend hinein, zehn Meter, 20 Meter, 25 Meter, ganz in ihr Gespräch versunken, sie ließen sich nicht los. Als sie sich schließlich doch voneinander trennten, klatschte der kleinere der beiden Männer dem anderen auf den Hintern. Es war eine Geste, wie sie im Sport für Gewinner und Gönnertypen reserviert ist.

Und derjenige, der nun gönnen konnte, das war Niko Kovac.

Der FC Bayern hat am Samstagnachmittag in Klagenfurt das erste Testspiel vor der neuen Saison absolviert, es war die erste Partie von Kovac als Trainer des Vereins, aber daraus allein zog sie nicht ihren Reiz. Ihren Reiz gewann sie daraus, gegen wen es ging. Gegen Paris Saint-Germain. Und gegen deren Trainer, Thomas Tuchel.

Tuchel, das zur Erinnerung, galt ja rund um den Jahreswechsel einige Monate lang als möglicher Kandidat für die Nachfolge von Jupp Heynckes als Trainer in München. Der Klubboss Karl-Heinz Rummenigge fand, dass Tuchel eine gute Lösung wäre. Der Sportdirektor Hasan Salihamidzic fand auch, dass Tuchel eine gute Lösung wäre. Der Präsident Uli Hoeneß dagegen war so lange verschraubt in den Glauben, dass es außer Heynckes keine andere Lösung gebe, dass Tuchel auf einmal kein Kandidat mehr war. Sondern Trainer von Paris Saint-Germain. Und so einigten sie sich auf Kovac als neuen Trainer.

Tuchel startet die Charmeoffensive

Sie sind beim FC Bayern in diesen ersten Wochen demonstrativ glücklich mit ihrer Entscheidung. Salihamidzic ist mit Kovac befreundet, Rummenigge lobt dessen Akribie, und Hoeneß freut sich still, dass einer den FC Bayern trainiert, der einst schon als Spieler im Training des FC Bayern stand. Tuchel? Ist in München gegenwärtig kein Thema mehr. Er dürfte auch nach diesem Nachmittag nicht mehr zu einem Thema werden - Kovac gewann das Duell gegen seinen Schattentrainer 3:1 (0:1).

Das erste Mal begegneten sich die beiden eine halbe Stunde vor dem Anpfiff, Kovac kam gerade vom TV-Interview, Tuchel ging zum TV-Interview. Tuchel, kurze Hose, langärmeliges Shirt, zog Kovac, lange Trainingshose, kurzärmeliges Polo-Shirt, zur Seite, und sofort startete er eine Charmeoffensive. Ein fester Handschlag, Tuchel legte seinen langen Arm um Kovac' Schulter, er zog ihn zu sich heran. Eineinhalb Minuten lang ließ Tuchel seinen Kollegen nicht mehr los. Weitere Umarmungen, weitere Umklammerungen, einmal redete Tuchel leidenschaftlich auf Kovac ein, seine Hände hatte er auf dessen Schultern gelegt. Kovac, der Mann mit dem Kämpferherz, ließ all diese Berührungen geduldig über sich ergehen. Er redete so, wie es ihm am liebsten ist: ganz sachlich.

Wie verschieden diese beiden Trainertypen sind, zeigte sich auch während des Spiels. Kovac stand meist stoisch vor seiner Bank, die Arme vor der Brust verschränkt, manchmal legte er seine Finger an die Lippen. Hatte er etwas mitzuteilen, rief er ein paar Worte, dazu eine unaufgeregte Handbewegung. Erst in der zweiten Halbzeit lief er auch gelegentlich an der Linie auf und ab, weiter ganz gelassen.

Tuchel dagegen, der Meister der Inszenierung, setzte sich auf eine Kühlbox, das war natürlich schön für die Fotos. Die Arme schleuderte er durch die Luft, in Kreisen, in kleinen Wirbelstürmen. Manchmal scherzte er mit seinen Mitarbeitern auf der Bank. Einmal unterhielt er sich laut mit Gigi Buffon, seinem berühmten Torhüter, und in diesem Moment war nicht ganz klar, wer nun gerade wem Anweisungen gab. Erst gegen Ende der Partie saß Tuchel etwas stiller auf seiner Box.

Kovac, das haben sie beim FC Bayern noch einmal genau beobachten dürfen, ist also in vielem diesem Thomas Tuchel ein Gegenbild. Gestört haben wird sie das an diesem Nachmittag kaum.

Der FC Bayern gewann nicht nur, gerade in der zweiten Halbzeit war das auch teilweise recht ansehnlich, was die Mannschaft spielte. Kovac ist ja gekommen, um den Umbruch in einer über die Jahre gemeinsam älter gewordenen Mannschaft voranzutreiben, und der Nachmittag in Klagenfurt lieferte ihm dabei ein paar wichtige Erkenntnisse.

Kovac hat beobachten dürfen, dass Kingsley Coman nicht allein der Flügelspieler der Zukunft ist, sondern auch der der Gegenwart. Als er nach der Halbzeitpause für Franck Ribéry ins Spiel kam, gewannen die Angriffe des FC Bayern an Dynamik und Raffinesse. Auch Serge Gnabry, der für Arjen Robben kam, deutete an, dass er das nötige Tempo besitzt, um das zuvor recht schläfrige Spiel der Münchner zu beleben. Das Tor zum Endstand, erzielt von Joshua Zirkzee, leitete Coman mit einem langen Ball auf Gnabry ein, der mit viel Gefühl und Übersicht zu Zirkzee passte (78.).

Rückkehrer Renato Sanches trifft per Freistoß

Eine weitere Erkenntnis war, dass Kovac schon in seiner ersten Partie sah, dass eine seiner Forderungen umgesetzt wurde. Seine Forderung lautete: mehr Tore nach Standards! Das 1:1 erzielte Javier Martínez nach einem Eckball mit dem Kopf (60.), das 2:1 Renato Sanches mit einem direkt verwandelten Freistoß (68.). "Alle haben das gut gemacht", lobte Kovac, "aber wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen."

Zu den Erkenntnissen zählte auch, dass Paris bei schnellen Gegenangriffen oft durch eine luftige FCB-Abwehr rauschen konnte, so auch beim Tor von Timothy Weah (31.), Sohn des berühmten George Weah. Zudem funktionierte der Plan, dass die Außenverteidiger hinter den Flügelstürmern vorbeischleichen, in der ersten Halbzeit nur gelegentlich - was auch daran lag, dass sich die Routiniers Arjen Robben und Franck Ribéry nur bedingt als unverzichtbare Stammkräfte empfahlen. Der Umgang mit den beiden wird aber ohnehin schon weit oben auf Kovac' Liste der Umbruchmaßnahmen platziert sein.

Als die Partie dann vorbei war, liefen sich die beiden Trainer entgegen, Tuchel mit einem breiten Grinsen, Kovac mit einem weit ausgebreiteten Arm. Handschlag, Umarmung, und doch war nun alles anders. Nun war es Kovac, der Tuchel nicht losließ und immer weiter auf seine Seite zog.

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