Diese 87. Minute war noch einmal etwas für Historiker. Kingsley Coman tat etwas, was er eigentlich gar nicht kann, er lief sehr langsam, und dementsprechend dauerte es auch eine Weile, bis er von seiner linken Seite auf der gegenüberliegenden Seite des Rasens angekommen war. Dort traf Coman auf Franck Ribéry, der etwas tat, was er eigentlich gar nicht mag: Ribéry ließ sich einwechseln. Diese Disziplin ist grundsätzlich unter seiner Würde, ein Ribéry muss immer spielen, so hat Ribéry das immer gesehen. An diesem Abend aber ahnte er, dass sein Einsatz keine Pflicht mehr war, sondern nur noch eine Kür.
Seine Bayern, die er in so vielen Jahren so oft gerettet hatte, die brauchten ihn nicht mehr an diesem Abend, unverschämterweise hatten sie auch ohne ihn ein 3:0 gegen RB Leipzig herausgeschossen. Macht man das?
Im Supercup 2019 wird Double-Sieger FC Bayern auf den Bundesliga-Zweiten Borussia Dortmund treffen. Termin ist der 3. August, über Spielort und Anstoßzeit soll in Kürze entschieden werden, teilte die Deutsche Fußball Liga (DFL) am Montag mit. Am Supercup nehmen in der Regel der Meister und der Pokalsieger teil. Gewinnt eine Mannschaft beide Titel, tritt sie aber gegen den Liga-Zweiten an. Seit 2011 fand die Partie immer im Stadion des Pokalsiegers bzw. Meisterschafts-Zweiten statt. SZ
Ribéry, 36, hat noch mal ein paar Minuten abbekommen am Samstagabend, der Rahmen für sein letztes Spiel war angemessen feierlich. Pokalfinale, Berliner Olympiastadion, Trophäen-Übergabe im Konfettischnipselregen: Ja, so kann man gehen.
Ein letztes Mal, quasi für die Archive, hat Ribéry in der Nachspielzeit übrigens noch den klassischen Ribéry versucht, er hat am linken Flügel ein Solo angerissen, ein Haken rechts, kurze Verzögerung, ein Haken links, aber er kam nicht mehr vorbei. Irgendein Leipziger Abwehrspieler, der keinen Sinn für Geschichte haben kann, hatte ihm den Ball weggenommen.
Coman ist schnell - und wirkt ganz schön lässig
Es war der Tag, vor dem sich die Bayern ein paar Jahre lang gefürchtet hatten, und nun fühlte er sich plötzlich ganz leicht an. Eine Weile hatten sie in München ja die Sorge, dass der Abschied von Franck Ribéry und Arjen Robben sich einmal ähnlich epochal anfühlen könnte wie der Abschied von Franz Beckenbauer und Gerd Müller. Aber während der Klubchef Karl-Heinz Rummenigge da beim nächtlichen Pokalsieger-Bankett ein paar Huldigungen auf Ribéry und Robben zu formulieren versuchte, lief auf der Großleinwand hinter ihm ein Bild, das keine Worte brauchte.
Es liefen dort die besten Szenen des Pokalfinales, unter anderem diese: Joshua Kimmich spielt einen Pass in die Leipziger Abwehr, der Ball fliegt in seltsamem Bogen durch den Strafraum, Kingsley Coman stoppt sich den Ball mit rechts aus der Luft herunter, dann legt er ihn sich vor, rennt los und schießt ihn mit links ins Tor.
Dafür, dass Kingsley Coman wahnsinnig schnell ist, sich aber angeblich immer beim zweiten Ballkontakt verhaspelt, sah das übrigens ganz schön lässig aus.
Im Schatten der großen Ribéry/Robben-Debatten ist das zuletzt etwas untergegangen: dass sich beim FC Bayern gerade ein Spieler in noch schnellerem Tempo entwickelt, als er rennen kann. Der Franzose Kingsley Coman, 22, ist längst nicht mehr dieser zwar veranlagte, aber noch sehr hektische Spieler, der er war, als er in München ankam. Damals war er nichts anderes als eine Fantasie des ehemaligen FC-Bayern-Kaderplaners Michael Reschke, der Coman als 17-Jährigen bei einem Youth-League-Spiel im Trikot von Paris St. Germain gesehen und nicht mehr vergessen hatte. Reschke hat Comans Weg weiter verfolgt, im Auftrag des FC Bayern ist er im Juli 2015 zur U 19-EM nach Griechenland gereist, "ausschließlich wegen Kingsley Coman", wie Reschke sich erinnert.