Süddeutsche Zeitung

Jahreshauptversammlung des FCB:Das Thema Katar ist zu schwerwiegend für die Bayern

Der FC Bayern macht lukrative Geschäfte mit Katar, wo Gastarbeiter sich mitunter zu Tode schuften müssen. Einen Widerspruch? Den will der Verein darin nicht erkennen. Ein gefährlicher Fehler.

Kommentar von Holger Gertz

Karl-Heinz Rummenigge, früher rotbäckiger Stürmer, dann kratzbärtiger Boss des FC Bayern, ist auch im Ruhestand mit seinem Latein nicht am Ende. Neulich klang sein Reden nach dem römischen Kaiser Vespasian, dessen Erkenntnis "pecunia non olet" sich in die Gegenwart rübergerettet hat: Geld stinkt nicht. "Wir haben gutes Geld aus diesem Vertrag bekommen", sagte Rummenigge über die gut dotierte Partnerschaft mit Qatar Airways - und damit über die Geschäftsbeziehung mit dem Emirat und künftigen WM-Gastgeber Katar.

Gutes Geld brauchen die Bayern, um mit den Investorenklubs aus Frankreich und England mitzuhalten. Dass es aus einem Land kommt, in dem Menschenrechte nicht viel zählen? Rummenigge führte aus, dass sich die Menschenrechte in Ländern wie Katar durch den Fußball auch verbessern könnten, er sei da "grundsätzlich optimistisch". Das erinnerte nicht an Vespasian, eher an den von Edgar Selge gespielten gierigen Sparkassenmann in Dietls "Rossini", der so überdreht wie naiv jauchzt: "Ich hab' ein gutes Gefühl!"

Ein gutes Gefühl haben, mit Blick auf Bayerns Katar-Business, nicht alle. Vor der Jahreshauptversammlung an diesem Donnerstag wollte Bayern-Vereinsmitglied Michael Ott durchsetzen, dass sein Antrag auf Beendigung des Sponsoring-Deals zur Abstimmung zugelassen werde. Das Amtsgericht München lehnte eine Einstweilige Verfügung ab, aber das Thema bleibt. Es ist zu schwerwiegend. Bei den Bauarbeiten für die WM wurden Arbeitsmigranten ausgebeutet, etliche sind gestorben. Inzwischen habe es Verbesserungen gegeben, heißt es. Allerdings: Vor einer Woche teilten die Menschenrechtler von Amnesty International mit, dass in Katar "die Fortschritte im Jahr 2021 stagniert haben und alte missbräuchliche Praktiken wieder aufgetaucht sind". Ernüchternd, besonders für Schönfärber.

Regelmäßig sind es die Fans, die den Klub auf seine Lebenslügen hinweisen

Nein, man sorgt als Fußballverein, der mit Katar Geschäfte macht, eben nicht automatisch dafür, dass die Situation sich dort bessert. Regelmäßig sind es Bayern-Fans, die den Verein auf seine Lebenslügen hinweisen. Michael Ott mit seinem Antrag auf Ende des Sponsorings. Oder Oliver Schmidt, der in seinem Webblog ein anderes Thema im Bewusstsein hält: Der Verein hat einerseits seine jüdische Tradition verspätet wertzuschätzen gelernt und hält den von den Nazis verfolgten Präsidenten Kurt Landauer in Ehren. Andererseits macht der Verein Geschäfte mit einem Regime, das verdächtigt wird, islamistischen Terror zu finanzieren. Schmidt hat einen offenen Brief an den Vorstand geschrieben: Wie es sein könne, dass der FC Bayern ausgerechnet mit Katar deale. "Einem Land, welches Israel - gelinde gesagt - ablehnt." Entscheidende Frage: "Für mich ist das ein Widerspruch - wie stehen Sie dazu?"

Es ist kennzeichnend für Vereine und Organisationen im großen Sport, über Widersprüche hinwegzusehen und Geschäftemacherei als humanitären Akt zu verbrämen. Der FC Bayern, ein in vieler Hinsicht respektabler Verein, ist hier in gefährlicher Nähe zu Thomas Bachs IOC, das einerseits Themen wie Geschlechtergerechtigkeit als Anliegen herausstellt. Und andererseits, wie gerade zu beobachten, nicht erkennbar dafür sorgt, dass den Missbrauchsvorwürfen der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai gegen einen hohen Politiker nachgegangen wird. Aber mächtige Vereine und Verbände, die sich in ihren Widersprüchen derart verheddern, sind am Ende nur Dekoration für Regimes, die mächtiger sind.

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