Interview mit Josef Schuster:"Ich wünsche mir vom FC Bayern, dass er auf seine Fans hört"

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Fans in der Münchner Südkurve, wo viele der organisierten Anhänger stehen, protestierten ausdauernd gegen das Sponsoring von Qatar Airways. Auf dem Plakat sind Oliver Kahn (links), ehemaliger Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, und Herbert Hainer, aktueller Präsident des Vereins, zu sehen. (Foto: Markus Ulmer/Ulmer Pressebildage/imago)

Der Präsident des Zentralrats der Juden kritisiert den Verein für seine Geschäftsbeziehungen mit Katar - und unterstützt einen Mitgliederantrag, den Sponsorenvertrag nicht zu verlängern.

Interview von Sebastian Fischer

Der FC Bayern ist ein Verein, der auf seine jüdische Vergangenheit sehr stolz ist. Gleichzeitig steht der Klub in Geschäftsbeziehungen mit dem Emirat Katar, durch einen Sponsoring-Vertrag mit dem Staatsunternehmen Qatar Airways. Mitglieder sehen darin einen Widerspruch - unter anderem darum geht es in einem Antrag für die Jahreshauptversammlung in der kommenden Woche, der darauf abzielt, den Vertrag nicht zu verlängern. Ein Telefonat mit Josef Schuster, 67, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland.

SZ: Herr Schuster, kennen Sie den Antrag "Beendigung des Katar-Sponsorings beim FC Bayern"?

Josef Schuster: Ich lebe zwar in Bayern, aber in Nordbayern, in Würzburg. Da ist man nicht immer über alle Dinge, die den FC Bayern betreffen, bis ins letzte Detail informiert. Aber ich würde sagen, dass ich Sympathien für den FC Bayern habe. Von dem Antrag habe ich erfahren und ihn mir angeguckt. Er ist ja online.

Was ist Ihre Meinung dazu?

Was mich besonders gefreut hat: dass er aus der Mitte der organisierten Fanszene kommt. Der Begriff Ultra, zum Beispiel, ist ja in der Allgemeinheit leider immer noch eher etwas negativ besetzt, mit sehr radikaler Fankultur. Aber wenn ich sehe, dass sich die Fans des FCB auf den ehemaligen jüdischen Präsidenten Kurt Landauer beziehen, ist das etwas sehr Erfreuliches.

Der Initiator selbst, der Rechtsreferendar Michael Ott, bezeichnet sich allerdings nicht als Ultra.

Aber immerhin hat vermutlich auch der Antrag dazu beigetragen, dass im Stadion ein großes Banner zu lesen war, das einen eindeutigen Inhalt in die gleiche Richtung hatte.

Solche kritischen Banner wie das angesprochene, das Vorstandschef Oliver Kahn, Präsident Herbert Hainer und den Slogan "Für Geld waschen wir alles rein" zeigte, gibt es in der Fankurve des FC Bayern schon seit vielen Jahren.

Ich habe sie jetzt in dem Zusammenhang zum ersten Mal bewusst wahrgenommen.

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In der Begründung für den Antrag heißt es im Kapitel zu den Vorwürfen gegenüber Katar, "Kurt Landauer würde sich im Grabe umdrehen". Teilen Sie diese Ansicht?

Das ist eine Aussage, die ich unterschreibe. Und den Inhalt des Antrags teile ich. Die Überlegung, eine Vereinbarung über ein Engagement von Qatar Airways bei Vertragsschluss auslaufen zu lassen, ist richtig.

Wie bewerten Sie die Geschäftsbeziehungen des FC Bayern mit Katar?

Die sehe ich kritisch. Ich glaube, dass hier einfach die rein finanziellen Überlegungen im Vordergrund standen. Ich habe das Gefühl, dass sich die Verantwortlichen beim FC Bayern nicht im Klaren waren, was von Vertragspartnerseite dadurch mit zu verantworten ist.

Was meinen Sie genau?

Die Kritikpunkte an Katar gehen in zwei Richtungen: Zum einen werden Terrororganisationen wie Hamas von Katar finanziell unterstützt, auch der Iran wird unterstützt, der es sich auf die Fahne geschrieben hat, Israel zu vernichten. Und zum anderen sind vielen Medienberichten anlässlich der WM 2022 zufolge die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen zumindest fragwürdig.

Ihrem ersten Kritikpunkt könnte man entgegenhalten, dass die Unterstützung Katars für die Hamas in Gaza mindestens mit Duldung Israels geschieht.

Es stimmt, dass sich Israel, Katar und die Uno jüngst auf eine Zahlung von zehn Millionen Euro für die humanitäre Hilfe in Gaza verständigt haben. Insgesamt hat Katar aber laut Medienberichten seit 2012 fast zwei Milliarden Euro an die Hamas gezahlt. Und ich sage mal so: Ein mehrtägiger Raketenbeschuss auf Israel finanziert sich nicht von selbst.

Neben Ihrem zweiten Kritikpunkt, den fragwürdigen Arbeitsbedingungen, führen Menschenrechtsorganisationen noch die Diskriminierung von Angehörigen der LGBTQ-Gemeinschaft an. Zurück zum FC Bayern: Wie bewerten Sie es, dass sich der Klub einerseits zum Beispiel gegen Homophobie engagiert - und gleichzeitig für Katar wirbt?

Das sehe ich ausgesprochen problematisch, wobei ich dem FC Bayern schon die Ernsthaftigkeit der angesprochenen Bemühungen, die wir ja immer wieder hören und sehen, abnehme. Ich glaube allerdings, im konkreten Fall Katar haben für die Verantwortlichen die Geldscheine so einen Reiz gehabt, dass sie das andere in dem Moment nicht ausreichend beachtet haben.

Dass es "gutes Geld" für die Partnerschaft gebe, hat der ehemalige Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zuletzt offen zugegeben, von rund 20 Millionen Euro jährlich ist die Rede. Doch der Klub verteidigte sich in der Vergangenheit auch damit, dass Angela Merkel 2018 den Mittelstand aufgefordert habe, mit Katar Geschäftsbeziehungen einzugehen - und der Verein einen vertraulichen Dialog mit seinen Partnern über gesellschaftliche Themen führe. Halten Sie das für eine logische Argumentation?

Nein, das ist in keiner Weise logisch, Sie können das ja nicht mit dem Engagement eines mittelständischen Unternehmens vergleichen, hier geht es rein um eine Werbekampagne für eine staatliche Fluggesellschaft. Und ich habe meine ernsthaften Zweifel, dass der Dialog vom FC Bayern zu einer Verbesserung der menschenrechtlichen Lage in Katar in irgendeiner Weise beiträgt.

Welchen Ausgang der Debatte wünschen Sie sich?

Ich wünsche mir vom FC Bayern, dass er auf seine Fans hört und den Vertrag mit Qatar Airways zwar erfüllt, aber nicht erneuert, sondern auslaufen lässt.

Und was die WM im kommenden Jahr angeht, was wünschen Sie sich vom DFB?

Der Boykott einer einzelnen Mannschaft bringt gar nichts, das wäre nur sinnvoll, wenn es in breitem Maß der Fall wäre. Aber ich wünsche mir eine deutlich kritische Haltung, gegebenenfalls auch vor Ort.

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