Noch einen knappen Monat lang läuft die Transferperiode, es ist also genug Zeit für die eine oder andere Verrücktheit, doch der womöglich interessanteste Transfer innerhalb der Liga deutete sich bereits am Freitag an. Es geht dabei nicht um einen Spieler mit feinem Füßchen, es geht um keinen Torjäger, nicht mal um einen Trainer geht es. Sondern um einen unauffälligen Mann mit randloser Brille, der sich am wohlsten im Hintergrund fühlt und all die Jahre immer froh war, dass sein Gesicht die wenigsten kennen. Sollte dieser gesichtslose Michael Reschke nun aber tatsächlich vom FC Bayern zum VfB Stuttgart wechseln, wäre das eine der Überraschungen des Transfersommers.
Am Freitagmittag teilte der VfB mit, dass er sich von seinem Sportvorstand Jan Schindelmeiser getrennt habe, "nach intensiven Gesprächen". Schindelmeisers Vertrag läuft nun noch bis Ende September, von seinen Aufgaben wurde er bereits entbunden. Wenig später kursierten erste Meldungen, dass der Nachfolger bereits gefunden sei: Reschke.
Was auf den ersten Blick ziemlich unerwartet kommt, hatte sich im Hintergrund über Wochen angedeutet. In Stuttgart waren offenbar nicht mehr alle zufrieden mit der Transferpolitik des Aufstiegsmanagers Schindelmeiser, manche beklagten sich offenbar auch über mangelnde Absprachen. Und in München hatte Reschke, 59, mit den Klubbossen nach SZ-Informationen bereits Gespräche geführt, in denen es um seine Zukunft ging. Angebote hatte der gebürtige Rheinländer immer wieder, der frühere Bayern-Trainer Pep Guardiola hätte ihn im vergangenen Sommer gerne mit zu Manchester City genommen. Auch Schalke 04 umwarb Reschke heftig, erst nach seiner Absage kam Christian Heidel als Sportvorstand.
In München arbeitete Michael Reschke als Kaderplaner, eine Position, die ihn von der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit fernhielt. Er reiste um die Welt, besuchte Fußballspiele auf mehreren Kontinenten, immer auf der Suche nach einem Spieler, der dem Klub helfen könnte, sofort oder in zwei, drei Jahren. So entdeckte er für den FC Bayern etwa Joshua Kimmich, von dem er Guardiola sofort überzeugte, obwohl Kimmich nicht mal sonderlich gut spielte, als die beiden ihn beobachteten. Was Guardiola und Reschke einte, war, dass sie Fantasie in einen Spieler hineinstecken, dass sie das Potenzial erkennen, obwohl es noch schlummert. Zugleich zählte es zu Reschkes Aufgaben als Kaderplaner, zu überlegen, welcher Spieler wie lange zu binden sei; auf seine Initiative verlängerten die Bayern die Verträge mit fast allen Stammspielern bis 2021.
In dieser Funktion war er im vergangenen Sommer noch wichtiger geworden, nachdem sich der FC Bayern vom Sportvorstand Matthias Sammer getrennt hatte. Die Option allerdings, Sammers Nachfolger werden zu können, hatte Klubboss Karl-Heinz Rummenigge auch öffentlich früh ausgeschlossen. Im Herbst kehrte Uli Hoeneß als Präsident zurück, und zum Wochenanfang präsentierten Hoeneß und Rummenigge als neuen Sportdirektor Hasan Salihamidzic, den Rummenigge ausdrücklich als Reschkes Vorgesetzten bezeichnete. Mit der Figur Salihamidizic soll Reschkes Abschied nichts zu tun haben, womöglich hat er in diesem neuen Konstrukt aber die Verwirklichung seiner Transferfantasien gefährdet gesehen.
Bis Freitagnachmittag bestätigten weder Reschke noch der VfB den Wechsel. Dafür stellte der Aufsteiger einen anderen früheren Münchner vor. Innenverteidiger Holger Badstuber, zuvor ohne Verein, unterschrieb beim VfB einen Einjahresvertrag.