FC Bayern: Jörg Butt:Auf Oldenburger Art

Bayern-Torwart Jörg Butt sorgt mit seinem kühl verwandelten Elfmeter für den Schlüsselmoment der Partie gegen Juventus - und bekommt prompt einen neuen Vertrag in Aussicht gestellt.

Andreas Burkert

Er steht noch vor dem Aufzug, dabei ist es spät, die Kollegen sind längst auf ihren Zimmern. Aber Jörg Butt bleibt umringt, immer wieder muss er erzählen, wie er das gemacht hat, bei diesem Tor, das den Gegner zermürbte. Nun ist Butt allerdings Oldenburger, ein sehr freundlicher zwar, aber eben doch reichlich mit der Gelassenheit des Nordens gesegnet.

FC Bayern: Jörg Butt: Hoch konzentriert: "In der Situation muss du alles ausblenden", erklärte Jörg Butt die Gefühlslage vor dem Elfmeter.

Hoch konzentriert: "In der Situation muss du alles ausblenden", erklärte Jörg Butt die Gefühlslage vor dem Elfmeter.

(Foto: Foto: Reuters)

So hat er ja auch diesen Strafstoß verwandelt gegen den einstigen Welttorhüter Buffon, der leider in die Jahre gekommen ist: mit einer erstaunlichen Ruhe. Und so steht Butt weiter gelassen da, den Rücken zur Aufzugstür, "man muss versuchen", sagt er leise, "alle Dinge, die sich im Kopf abspielen, auszublenden". Ob er Buffon in die Augen geschaut habe bei seinem verzögerten Anlauf? Butt überlegt, er sagt: "Weiß ich gar nicht."

Wichtige Strafstöße zu verwandeln ist eine unterschätzte Kunst, doch Butts Turiner Elfmeter ist gleich als großer Moment begriffen worden. Butt ist Torwart, dass er auch ein guter Fußballer und Schütze ist, weiß man eigentlich auch in Turin - für Leverkusen und den HSV hat er schon mal Elfmeter gegen Juve verwandelt (in der Bundesliga 26). Doch als er sich in der 30. Minute plötzlich die 80 Meter nach vorne aufmachte, weil "mich heute auch einige Spieler nach vorne gerufen haben", verstummte der Lärm im zugigen Stadio Olimpico.

Schulbuchmäßig ausgeguckt

Und dann lief Butt an. Hielt kurz inne, verbog leicht die Hüfte. Und natürlich schaute er Buffon an, der nach rechts fiel. Butt schoss nach links. Einfach so.

Bastian Schweinsteiger konnte, in seinem einzigen schwachen Moment an diesem Abend, nicht hinsehen, er hielt sich die Hände vors Gesicht. Aber der Ball lag im Netz, 1:1. Butt lief wieder nach hinten. Er schrie, er ballte die Faust, alles andere als norddeutsch zurückhaltend war er jetzt. Nur das Publikum schwieg fortan, bis zur Pause. Nicht wegen des Ausgleichs. Sondern weil ihn ein Torhüter erzielt hatte. Auf Butts Art.

Die große Verstörung, die Butt mit seiner Seelenruhe hinterließ, beschäftigte hinterher auch die aufgewühlten italienischen Reporter. Schon wieder ein Elfer gegen Juve, fragte einer, wie das komme, fragen sie. Butt entgegnet vorsichtig auf Englisch, das sei sein 50. Champions-League-Spiel gewesen, "and I am happy to win the game". - Aber gleich drei Strafstöße in einem Torwartleben gegen Juve, "is normal?" Butt wiederholt, er sei einfach nur glücklich, über den Sieg.

Neuer Vertrag in Aussicht - mit 35 Jahren

Jörg Butt ist 35, vier Jahre älter als Buffon. Er ist nicht in die Jahre gekommen. Butt erlebt vielleicht gerade den Höhepunkt seiner Karriere. Mit Leverkusen stand er 2002 im Finale der Champions League, er schoss damals schon Strafstöße. Doch Butt, von dem man all die Jahre keine irreal wirkende Parade in Erinnerung hatte, ist nun auf einmal ein Symbol für die Ruhe, die unerwartet beim Rekordmeister eingekehrt ist.

Er hat das Duell mit Michael Rensing um die Kahn-Nachfolge gewonnen; er ignorierte die Ankündigung von Uli Hoeneß, eine neue Nummer eins verpflichten zu wollen; er gewann an Format und legte, wie zuletzt gegen Gladbachs Gewaltschützen Arango, erinnerungswürdige Paraden hin. Und nun ist Butt die erste Option für Elfmeter im Wert von 15 Millionen Euro.

Sportchef Christian Nerlinger erzählte nachher, der Trainer habe Butt schon zu Saisonbeginn als ersten Schützen festgelegt. Van Gaal sagte zu seiner Rangfolge: "Butt ist eins, Robben zwei, Schweinsteiger drei." Nerlinger ergänzte zu Butt, dessen positiver Einfluss auf das Gefüge seit Wochen herausgestellt wird: "Er ist eine herausragende Spielerpersönlichkeit, ein herausragender Charakter."

Der Vertrag von Butt endet zum Juli. Aber er wird jetzt wohl bleiben, vielleicht als Nummer eins. Der Klub sei eine Leistungsgesellschaft, betonte Nerlinger und positionierte sich in diesem Moment erstmals öffentlich in einer Sache: "Leistung wird beim FC Bayern honoriert, und Jörg bringt hervorragende Leistungen." Auch Butt kann sich "vorstellen, hier zu bleiben". Aber erst werde er in der Winterpause in Erfahrung bringen, "was sich der Verein so vorstellt". Wie er das so sagte, ist er wegen des Termins nicht sehr aufgeregt.

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