FC Bayern:Jenseits der Wehwehchen

Bayern Muenchen v Eintracht Frankfurt - Bundesliga

Jerome Boateng spielt wieder Fußball - die Bayern haben nun alle Optionen in der Abwehr.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Aus dem Stadion von Saskia Aleythe

Als ihn die Erleichterung ergriff, schaute Jérôme Boateng in den Himmel. Es ist sein Ritual, klar, doch an diesem Nachmittag war es doch etwas mehr. Wenn er auf den Rasen kommt, tippt Boateng mit den Händen auf die Halme, bekreuzigt sich, hebt die Finger hinauf zum Blau, es ist mehr ein Akt der Würde als einer der Routine. Und gegen Frankfurt ja ohnehin: Nach 108 Tagen Verletzungspause darf das Zelebrieren schon mal intensiver ausfallen.

In der 65. Minute tickten die Zeiger in München ein bisschen langsamer. Was für den Verteidiger des FC Bayern angenehm war, denn die 75 000 Fans in der Arena machten ja gerade nur Lärm für ihn und seine Rückkehr in ein Team, das sich gerade in allen relevanten Wettbewerben der Gegner entledigt. Wie sich das das Comeback angefühlt hat für Boateng? "Ganz gut", startete der 28-Jährige, schwarze Brillanten im Ohr, unter dem Pulli eine dicke Goldkette versteckt, "bei 3:0 ist es angenehm, reinzukommen". Wer ihn gesehen hatte, brauchte auch gar nicht mehr viele Worte.

Schon beim Aufwärmen hatte ihn die Anhängerschaft des FC Bayern begleitet, er stand von der Bank auf, das Volk jubelte, er trabte los, das Volk jubelte, und hätte er sich zwischendurch die Schnürsenkel gebunden, wäre es vermutlich nicht viel stiller gewesen. Boateng lief zum Dank klatschend um den Eckpfosten, da waren die Hände schon fast wärmer als die Beine. "Das war ein schönes Gefühl, es hat lange genug gedauert, zurückzukommen", erwärmte er sich nach dem Spiel auch verbal und sagte sogar: "Es war ein unglaubliches Gefühl. Dafür habe ich hart gearbeitet."

2016 war das Jahr, in dem er mit Mats Hummels weiter zum besten Innenverteidiger-Duo des Landes zusammenwuchs, aber auch das der Blessuren. "Das waren jetzt wieder drei Monate nach dem letzten Jahr, wo es nicht so gut lief mit den Verletzungen", resümierte Boateng, "jetzt möchte ich zurück auf mein altes Niveau kommen." Muskelbündelriss, Waden- oder Knie-Probleme und dann eben die Brustmuskelverletzung im Dezember, immer war irgendwas bei Boateng, und meistens war es mehr als nur ein Wehwehchen. "Ich hoffe, dass ich jetzt auch gesund bleibe und der Mannschaft helfen kann."

Luxus in der Innenverteidigung

Die Mannschaft, in die Boateng nun zurückkehrt, ist eine andere als vor seiner Verletzung. Damals fiel es schwerer, Prognosen zu tätigen, wie diese erste Ancelotti-Saison ausgehen würde. Bayern war punktgleich mit RB Leipzig, kurz vor dem Aufeinandertreffen der beiden Teams musste Boateng operiert werden. Mittlerweile sieht der Blick auf die Tabelle entspannt aus: zehn Punkte Vorsprung vor der Rangnick-Elf, da lebt es sich insgesamt beschwingter. Klar, sie seien im Flow, sagte Boateng, "das ist nicht schlecht. Aber es kann auch ganz schnell umschlagen". Er hat das die vergangenen Jahre ja selbst miterlebt, wenn es ernst wurde in der Champions League.

Wobei die Situation im Kader nun ja auch eine andere ist als in den Vorjahren: Kuriert sich auch Juan Bernat noch aus, steht Ancelotti auf einmal der ganze Kader zur Verfügung - das hat es bei Bayern seit sieben Jahren nicht mehr gegeben. Und gerade in der Innenverteidigung führen die Münchner gerade ein Luxusleben: Javi Martínez ersetzte Boateng im Abwehrblock so formidabel, dass er dem Trainer nun Kopfschmerzen bei der Aufstellung bereitet.

Martínez, Boateng, Hummels, der am Samstag das beste Tackling der Saison zeigte? "Es gibt bei uns keine Nummer eins, zwei oder drei", versicherte Ancelotti nach dem Sieg gegen Frankfurt und ergänzte: "Ich habe drei fantastische Innenverteidiger, und ich werde alle drei nutzen." Was angesichts der anstehenden Aufgaben in Champions League, DFB-Pokal und Bundesliga ja auch recht angebracht ist.

25 Minuten blieben Boateng an diesem Nachmittag in München, er war beim Stand von 3:0 dann nur mäßig gefordert. Aber auf Zack, das war er schon wieder: Als die Frankfurter es doch nochmal mit einem Konter versuchten, klärte Boateng als letzter Mann ohne Tadel. Was man halt so im Blut hat als Weltklasse-Abwehrmann, auch nach dreieinhalb Monaten Pause.

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