FC Bayern in Hoffenheim:1001 Geschichten in zwei irren Halbzeiten

1899 Hoffenheim v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Und dann kam Robert Lewandowski: Der Pole erzielte spät das 2:1.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Was für ein kurioses Spiel in Hoffenheim: Der FC Bayern steht kurz vor der Niederlage - doch dann kommt alles anders.
  • Die Münchner siegen mit 2:1, weil die TSG ihre Chancen nicht nutzt.
  • Hier geht's zur Einzelkritik des FC Bayern.

Von Benedikt Warmbrunn, Sinsheim

Anstoß. Kevin Kuranyi spielt den Ball zu Kevin Volland, es folgt eine dieser schnellen, direkten Passfolgen - so, wie sie das in Hoffenheim kultiviert haben. Irgendwann ist der Ball in der gegnerischen Spielfeldhälfte. Passiert ist nichts. Ballverlust, weiter passiert nichts. Eine Halbzeit beginnt, noch auf der Suche nach ihrer Geschichte.

Anstoß, eine knappe Stunde zuvor. Arjen Robben spielt den Ball zu Thomas Müller, es folgt eine dieser schnellen Passfolgen, so, wie sie das beim FC Bayern kultiviert haben. Mario Götze, Xabi Alonso, der einzige Fehler an dieser Passfolge ist zunächst, dass der Ball sich auf das eigene Tor zubewegt. Die Kugel kommt zu David Alaba, dem Linksverteidiger. Ein Pass in die Mitte, unerreichbar für Jérôme Boateng, vor dem Tor rutscht Manuel Neuer aus. Und so landet das Spielgerät bei Kevin Volland. Als erster Hoffenheimer Spieler berührt er den Ball, einmal. Dann rollt das Ding über die Torlinie, die Führung für den Gastgeber.

Die Sekunden, zum Nachzählen: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun. Es ist das schnellste Tor der Ligageschichte, genauso schnell wie das von Karim Bellarabi 364 Tage zuvor beim 1:0 für Bayer Leverkusen gegen Borussia Dortmund (hier eine Liste der schnellsten Treffer der Liga-Geschichte).

Die erste Halbzeit der Partie zwischen der TSG Hoffenheim und dem FC Bayern, sie hat bereits ihre Geschichte gefunden.

Für den FC Bayern ist es ein Schock. Nach zehn Sekunden müssen sie zum zweiten Mal zum Anpfiff, eigentlich sogar zum dritten Mal; der erste Anpfiff wurde zurückgepfiffen, weil ein Hoffenheimer Spieler zu früh in den Mittelkreis gerannt war. Dieser zweite (oder dritte) Anstoß bleibt jedoch der letzte für die Gäste. Es beginnt eine hitzige, intensive, bisweilen hart geführte Partie - die der FC Bayern erst wenige Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit für sich entscheidet, durch den Treffer zum 2:1 (1:1) - als der eingewechselte Robert Lewandowski zufällig richtig steht und den Fuß hinhält.

"Ich bin zufrieden mit dem Sieg und vor allem mit der Leistung", wird Trainer Pep Guardiola später sagen, "wir wussten, dass es schwer wird. In den letzten Jahren hatten wir mit Hoffenheim immer viele Probleme." Sein Gegenüber Markus Gisdol wird dagegen hadern: "Es fällt mir schwer, die richtigen Worte zu finden, weil wir alle enttäuscht sind. Ich muss meiner Mannschaft ein Wahnsinns-Kompliment machen, sie hatte Bayern am Rand einer Niederlage."

Guardiola hat die Startelf an diesem Nachmittag im Vergleich zum 5:0 am ersten Spieltag beim Hamburger SV auf einer Position verändert, für den späteren Siegtorschützen Lewandowski beginnt Mario Götze. Die Formation ist so zunächst eine Art 3-3-3-1, mit Thomas Müller als einziger Spitze.

Immer wieder Douglas Costa

Doch das sind erst einmal nur Zahlenspiele. Die Sekunden nach dem Rückstand verstreichen, werden zu Minuten, und die Gäste erholen sich nicht von diesen ersten Augenblicken. Die Kombinationen, so, wie sie sie beim FC Bayern kultiviert haben, funktionieren nicht. Neuer mit einem unpräzisen Abwurf, Boateng mit einem Kopfball vorbei am Mitspieler, die ersten Minuten sind durchzogen von solchen Ungenauigkeiten.

Hoffenheim versucht diese Nervosität zu nutzen, die Spieler laufen die FCB-Verteidiger im Spielaufbau an, spätestens der erste Mittelfeldspieler wird im Sprint attackiert. Nach zehn Minuten befreien sich die Gäste aus dieser Pressingschlinge, die Zuspiele werden genauer, sie verlagern das Spiel nun weiter nach vorne. Das Team kommt so zu ein paar kleineren Torchancen, Douglas Costa scheitert an TSG-Keeper Oliver Baumann (11.), zwei Minuten später schießt der Brasilianer den Ball ans Außennetz.

Bis zur ersten großen Möglichkeit vergehen allerdings fast 33 Minuten, dann lenkt Baumann einen Kopfball von Müller mit einer Hand über die Latte. Acht Minuten später allerdings ist der TSG-Torwart geschlagen: Einen Schuss von Costa kann Baumann gerade so abklatschen, Müller drückt ihn über die Linie, der Ausgleich (41.). Das Spiel, aus Sicht des FC Bayern beginnt es erst jetzt - jedoch ohne Verteidiger Medhi Benatia, der früh raus muss. Ihm droht wegen einer Muskelverletzung (erlitten ohne gegnerische Einwirkung) ein längerer Ausfall, er "glaube nicht, dass es wenig ist", erklärt Sportvorstand Matthias Sammer später.

In der zweiten Halbzeit erhöhen die Gäste das Tempo, sie drücken den Gastgeber nun weit in den eigenen Strafraum zurück. Wie schon eine Woche zuvor gegen den HSV bringen gerade die Einwechselspieler frischen Schwung; Thiago kommt später für Arjen Robben, Lewandowski für Philipp Lahm.

An vielen gefährlichen Aktionen ist weiterhin Costa beteiligt, nach einem Dribbling von Götze schießt er vorbei (52.), zehn Minuten später klatscht Baumann erneut gerade so einen Costa-Schuss weg, Niklas Süle klärt allerdings zur Ecke. Die Taktzahl der FC-Bayern-Chancen erhöht sich nun rasant, Arturo Vidal trifft die Latte (66.), Baumann pariert nach einem Lewandowski-Schieber (69.). Dann erhöht sich auch die Gangart, es wird eine ruppige Partie.

72. Minute, gelbe Karte für Boateng nach einem Foul an Volland. Immer noch die 72. Minute: gelb-rote Karte für Boateng - den fälligen Freistoß hatte er im Strafraum mit dem Ellenbogen abgewehrt. Elfmeter. Es ist die große Chance für Hoffenheim, erstmals gegen den FC Bayern eine Bundesliga-Partie zu gewinnen.

Doch Eugen Polanski trifft nur den Pfosten, ehe die Münchner klären können.

Die zweite Halbzeit, sie hat nun auch eine Geschichte. Eine erste. Es ist noch nicht die, die den Ausgang der Partie beeinflussen wird.

Stattdessen erspielt sich der FC Bayern in den letzten Minuten die besten Möglichkeiten der zweiten Halbzeit. Lewandowski scheitert an Baumann, Müller trifft aus kurzer Distanz nur den Pfosten (beide 88.).

Und dann rennt wieder einmal Douglas Costa zur Torauslinie, er flankt in die Mitte, und da steht Lewandowski, er drückt den Ball über die Torlinie - der letzte Anstoß dieses irren Spiels bleibt schließlich ohne Folgen. Es endet 2:1.

Costas Vorlagen, Lewandowskis Tore. Das könnte so eine der oft erzählten Geschichten in dieser Spielzeit des FC Bayern werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: