FC Bayern in der Einzelkritik:Neuer ist halb Raubkatze, halb Mensch

Manuel Neuer zeigt gegen Arsenal erst animalische Reflexe, dann patzt er. Xabi Alonso sammelt Ballkontakte wie Bonusmarken und Arturo Vidal scheitert am Timing. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp, London

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Manuel Neuer

FC Arsenal London vs. Bayern Munich

Quelle: Tobias Hase/dpa

Manuel Neuer: Da haben sich die Engländer wieder mal die Augen gerieben: Einen so guten Torhüter wie ihn kennen sie auf der Insel gar nicht. Plauderte vor Anpfiff im Kabinengang mit Ex-DFB-Kollege Mertesacker, der ihm offenbar erklärte, was "Eistonne" auf Englisch heißt. Führte sich mit einem Raubkatzen-Reflex gegen Özil ein, überraschte dann mit einem Zuspiel hinter die eigene Torauslinie, das die Fans zum Johlen animierte wie sonst nur die Darts-WM in Sheffield. Wollte den Engländern wohl zeigen, dass er auch nur ein Mensch ist. Ist er natürlich nicht. Seine Abwehr gegen Walcotts Kopfball lieferte den endgültigen Beweis: Dieser Neuer stammt vom Planeten Playstation. Aber was sind schon endgültige Beweise - sein Patzer beim Gegentor relativierte dann doch wieder alles. Ein weiterer Raubkatzenmoment beim 0:2 kam zu spät.

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Philipp Lahm

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Quelle: AFP

Philipp Lahm: Ob die Engländer so einen guten Rechtsverteidiger wie ihn kennen, ist auch mindestens "questionable". Ganz und gar nicht fragwürdig war dagegen seine Rolle: Arsenals Flügelspiel sollte bei ihm an weltmeisterliche Grenzen stoßen. Das gelang nicht immer, aber dafür bekam die Welt in der Offensive eine Art Retro-Lahm zu sehen. Sprintete, kreiselte und flankte wie der Lahm aus den Jahren 2006 bis 2013. Ließ es nach der Pause nach vorne gemächlicher angehen, räumte dafür aber hinten fachgerecht auf. Machte eigentlich kaum etwas verkehrt und musste trotzdem teilnahmslos den Gegentreffer mit anschauen.

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Jérôme Boateng

Arsenal v Bayern Munich - UEFA Champions League Group Stage - Group F

Quelle: REUTERS

Jérôme Boateng: Galt einst als zu wackelig, um sich dauerhaft bei Manchester City zu etablieren - die Engländer haben halt ihre eigene Wahrnehmung. Traf vor dem Sechzehner häufig auf die Herren Walcott und Sanchez, was ein lustiges Bild ergab: Hier der drei Meter große Boateng, dort Arsenals Flitzerzwerge. Verhinderte mit energischem Durchgreifen so manche Überfallaktion der Londoner. War an diesem Abend ausnahmsweise nicht der offenkundigste Riese auf dem Platz - denn auf der Gegenseite spielte ja Mertesacker, der bekanntlich vier Meter groß ist. Als Neuer beim 0:1 an allen vorbeisprang, konnte er dem Ball nur noch hinterher schauen. Seltsamer Abend.

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David Alaba

Arsenal v Bayern Munich - UEFA Champions League Group Stage - Group F

Quelle: REUTERS

David Alaba: Dürfte sich ungern an den Februar 2014 erinnern, als er an selber Stelle zu einem echten Engländer mutierte: Wegen seines versemmelten Elfers zittert der Außenpfosten im Emirates-Stadion wohl heute noch. Hatte zu Beginn einige Probleme gegen das Konter-Inferno der Engländer, dabei ist er doch sonst selbst ein Höllenhund für jede Rennerei. War als Innenverteidiger trotzdem die bessere Wahl im Vergleich zu Martínez, denn er fuchste sich im Lauf des Spiels hinein ins große Getümmel. Verschoss diesmal keinen Elfer und ersparte dem Außenpfosten damit vielleicht weitere Qualen.

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Juan Bernat

Arsenal FC v FC Bayern Munchen - UEFA Champions League

Quelle: Bongarts/Getty Images

Juan Bernat: Spielt immer dann, wenn alle denken, er spielt sicher nicht. Spielt dann meistens unauffällig, macht wenig falsch und verschwindet prompt wieder aus der ersten Elf. Konnte Arsenals ICE-Fußball zunächst nicht immer unterbinden, dabei wäre er vom Körperschwerpunkt (tief!) her durchaus dazu geeignet gewesen. War meist nur dann sichtbar, wenn er mit Sicherheitspässen zum Power Play der Bayern beitrug. Bekam schließlich noch ein wenig Beschäftigung, als Wenger die Ein-Mann-Antilopenherde Oxlade-Chamberlain auf ihn los ließ. Löste diese Herausforderung unauffällig, aber effektiv.

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Xabi Alonso

FC Arsenal London vs. Bayern Munich

Quelle: dpa

Xabi Alonso: Spielt fast immer - egal was alle denken. Neben Boateng der einzige Münchner mit Insel-Erfahrung (Liverpool!) und uneingeschränkter Herr der Standards. Sammelte in der ersten Halbzeit Ballberührungen wie andere Leute Bonusmarken im Supermarkt. Hätte schon nach 45 Minuten das Pfannenset UND die Küchenmaschine gewonnen. Versuchte zur Feier des Tages einen Torschuss aus dem Mittelkreis - kennt man in England ja von ihm (Liverpool!). Büßte nach dem Wechsel ein wenig von seinem Ballmagnetismus ein und verdaddelte ein paar Aktionen. Half sich schließlich mit britischer Härte und grätschte ein wenig herum. Dann war Feierabend. Als er ging, fiel das Gegentor.

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Arturo Vidal

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Quelle: AFP

Arturo Vidal: Beherrscht das Stilmittel der Gift-Grätsche und war schon allein deshalb der Richtige für den englischen Rabaukenfußball. Verbrachte entsprechend viel Zeit in der Senkrechten, weil er entweder selber hinlangte oder "britische Härte" zu spüren bekam. Rang dem Weltklassemann Petr Cech mit einem Dropkick nur ein müdes Hechtsprüngchen ab. Rannte in gewohnter Manier wie ein chilenischer Andensherpa, fand aber nicht immer das richtige Timing. Kann immerhin für sich beanspruchen, dass er beim 0:1 schon mit einem Bein unter Dusche war. Ist derzeit nicht in der Form wie noch zu Saisonbeginn.

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Thiago

Arsenal FC v FC Bayern Munchen - UEFA Champions League

Quelle: Getty Images

Thiago: Beherrscht die Kunst des Kurzpasses so gut wie die Engländer die Kunst des kurzen Rasens. Würde man beide Künste vereinen, käme sowas wie "Thiago in Wimbledon" heraus, aber das wäre dann eine andere Sportart. Kombinierte sich im Verbund mit Müller zu einer Jahrhundertchance, die Cech (Weltklassemann!) per Millenniumsparade entschärfte. Zeigte viele von diesen subtilen Körperwacklern und Passgenauigkeiten, die so kaum ein Fußballer auf der Welt draufhat. Musste mit zunehmender Dauer erkennen, dass reine Kunst keine Tore schießt. Das alte Problem der Tiki-Taka-Lehre.

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Thomas Müller

Arsenal FC v FC Bayern Munchen - UEFA Champions League

Quelle: Getty Images

Thomas Müller: Ist ganz knapp kein Engländer, weil er ja einige Hundert Kilometer südlich des Weißwurstäquators aufwuchs (Starnberger See). Verbrachte große Teile des Spiels auf der Suche nach Platz für ein wenig Anarchie, fand aber nur gehorsame Aufpasser in Arsenal-Shirts. Wich aufgrund des Staus im Zentrum weit nach Rechts aus, wo ihm stets der Spanier Monreal die Sohlen streichelte. Erkämpfte sich trotzdem zwei feine Gelegenheiten, doch es war einfach kein Müller-Tag. Anarchie geht halt auch nicht immer.

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Douglas Costa

Arsenal FC v FC Bayern Munchen - UEFA Champions League

Quelle: Bongarts/Getty Images

Douglas Costa: Über seine Liebe zu Weißwürsten ist die Allgemeinheit noch im Unklaren, dafür ist bekannt, dass er gerne Übersteiger macht. Und was für welche! Seine Variante mit Sohlentunnel gegen Bellerin vor seiner Pfostenflanke ist ab sofort im Fußballduden unter "fachgerecht vernaschen" zu finden. Beschäftigte bei jeder Ballberührung gleich mehrere Engländer und war offenbar voll auf Schussbefehl getrimmt: Antritt, Haken, Rumms, so sah das oft aus. Leider fand er mit seinen Versuchen kein Durchkommen - und so bleibt die Erkenntnis: Übersteiger allein reichen nicht immer.

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Robert Lewandowski

Arsenal v Bayern Munich

Quelle: dpa

Robert Lewandowski: Braucht für seine Tore weder Weißwürste, noch Übersteiger - ihm reicht meist so wenig Platz wie in der Londoner Tube zur Rush-Hour. Agierte frei nach dem Prinzip "find the gap" und fahndete nach Lücken in Arsenals Abwehrdickicht. Als er keine fand, probierte er es mit einem Schuss aus dem Kanonenfeuer-Einmaleins (vereitelt vom Weltklassemann Cech). Haute sich mit gewohntem Elan in jeden Luftkampf, probierte es mit Läufen über Außen und werkelte wie ein Hafenarbeiter in den Docks der Themse. Vergeblich.

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Einwechselspieler: Joshua Kimmich und Rafinha

Arsenal FC v FC Bayern Munchen - UEFA Champions League

Quelle: Bongarts/Getty Images

Rafinha: Kam herein - und prompt fiel das 0:1. Lag aber nicht an ihm, er hätte im Luftkampf eh keine Chance gehabt. Als das 0:2 fiel, war sein gebrauchter Abend perfekt.

Joshua Kimmich: Teilte sich mit Rafinha das Schicksal des Einwechselspielers: Kaum drin, schon in Rückstand. Sowas Blödes.

© SZ.de/ska
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