Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Einzelkritik:Lewandowski lässt sich austricksen

Der Stürmer hat Probleme, trifft aber. Boateng schwimmt ein bisschen. Und Friedl feiert ein kompliziertes Debüt. Die Bayern in der Einzelkritik.

Von Christopher Gerards, Brüssel

Sven Ulreich

Wurde jüngst von Lothar Matthäus als Kandidat für die DFB-Elf gehandelt. Verwies dann aber darauf, dass derselbe Lothar Matthäus ihm vor einigen Wochen noch Augenprobleme unterstellt habe. Gegen Anderlecht offenkundig mit guten Augen, vor seinem Tor herrschte ein Besucheraufkommen wie vormittags auf dem Grote Markt (soll einer der schönsten Marktplätze Europas sein). Rettete nach sieben Minuten mit dem Fuß gegen Teodorczyk, parierte auch den Nachschuss von Hanni, rettete nach einer Viertelstunde gegen Appiah und kurz vor der Pause wieder gegen Teodorczyk. Durfte sich angesichts dieser Vielzahl von Paraden auch mal schludrige Pässe rausnehmen. Nahm sich irgendwann aber ein paar viele schludrige Pässe heraus, was aber keine ernsteren Folgen mit sich brachte.

Joshua Kimmich

Konnte in der Anfangsphase von sich behaupten, dass über seine Seite weniger Angriffe des Gegners liefen als über die linke. Konnte das nach einer halben Stunde nicht mehr behaupten. Auffälligste Aktion in der Halbzeit: ein Disput mit Gegenspieler Trebel. Bediente nach der Pause zweimal Lewandowski, der jeweils hätte treffen können. Bediente dann Tolisso, der traf.

Niklas Süle

Teil einer Abwehr, die in der ersten Halbzeit so luftig wirkte wie belgische Waffeln. Gehörte nicht mal zu den Hauptschuldigen, musste sich aber einmal von Boateng anschnauzen lassen, weil der Gegner zu viel Platz hatte. Nach 40 Minuten im Glück, als er eine Reminiszenz an Daniel Van Buyten anbrachte und im Strafraum Gerkens wuchtig umschubste. Sah das 1:1 von Hanni aus nächster Nähe.

Jérôme Boateng

Nach muskulären Problemen wieder von Anfang an dabei, sein letztes Spiel war jenes bei Celtic Glasgow. Ein Abend wie ein Nordseebad im November: kalt, unangenehm, und ein bisschen geschwommen ist er auch. Passte nach acht Minuten im Spielaufbau derart unpräzise, dass Anderlecht zur ersten Großchance kam. Gehörte ansonsten in der Anfangsphase zu jenen Bayern-Spielern, denen ab und an mal ein Zweikampf sowie ein Pass im Aufbauspiel glückte (wobei er vor Teodorczyks zweiter Chance Vidal in Bedrängnis gebracht hatte). Sah nach der Pause Gelb, weil er sich zu laut beschwerte. Konnte das 1:1 ebenfalls nicht verhindern.

Marco Friedl

Hatte sein jüngstes Fußballspiel gegen die Reserve der Spielvereinigung Greuther Fürth bestritten, in der Regionalliga Bayern. Hat noch nie in der Bundesliga gespielt, kommt jetzt auf einen Champions-League-Einsatz. Der erwies als fast so kompliziert wie der belgische Föderalismus. Hatte in Thiago zunächst einen außerplanmäßigen Linksaußen vor sich, war deshalb defensiv wie offensiv hinreichend gefordert. Erledigte die Basis-Aufgaben ohne Fehler, ließ Anderlecht Rechtsverteidiger Appiah aber hier und da ein bisschen zu viel Platz.

Sebastian Rudy

Ließ sich zunächst sehr von seinen Mitspielern inspirieren und spielte ziemlich seltsam: Brachte nämlich für einen Fußballer namens Sebastian Rudy ungewöhnlich viele Fehler an. Schoss immerhin als erster Bayern-Profi aufs Tor, wobei der Schuss derart lasch und unplatziert ankam, dass Torwart Sels sich den Ball ohne Mühe schnappte.

Corentin Tolisso

Gehört zu den wenigen Spielern, die vom Trainerwechsel nicht zuallererst profitiert haben. Sitzt jetzt oft und/oder lange auf der Bank, was für einen mehr als 40 Millionen Euro teuren Sommerzugang eher unbefriedigend ist. Saß gegen Anderlecht nicht auf der Bank, spielte aber auch lange nicht so, dass er bald häufiger starten muss. Leistete seinen Beitrag im Münchner Fehlpass-Festival der ersten Hälfte und leitete eine Großchance ein - für Anderlecht. Verbrachte den Abend nach Martínez' Ein- und Robbens Auswechslung auf der rechten Seite. Bereitete von dort Lewandowskis 1:0 vor. Und traf dann selbst zum 2:1.

Arturo Vidal

Gegen Augsburg mit einem Tor und einer Vorlage, nun zunächst in der Prä-Augsburg-Form unterwegs: War in Anderlecht entscheidender Faktor im Aufbauspiel, weil er einen Fehler an den anderen reihte. Verpasste die Chance zum 1:0 nach Flanke von Robben, als Anderlecht Torwart Sels seinen Versuch blockte. Wurde in der zweiten Halbzeit wieder dabei gesichtet, Pässe zum Mitspieler zu bringen.

Arjen Robben

Sorgte nach 20 Minuten für massiven Szenenapplaus, als er einen Zweikampf gegen Olivier Deschat verlor. Rannte an, dribbelte, versuchte etwas - scheiterte aber in aller Regel. Sorgte für die passende Pointe zur Halbzeit, als er einen Freistoß deutlich übers Tor setzte. Musste kurz nach der Halbzeit mit Schmerzen im Oberschenkel raus.

Robert Lewandowski

Musste erleben, dass Anderlechts Strafraum in der ersten halben Stunde so zugebaut war wie die belgische Nordsee-Promenade. War in den ersten 30 Minuten kaum am Ball, ließ sich zudem einmal sehr einfach von Mbodji austricksen. Stand dann nach der Halbzeit an der richtigen Stelle und traf zum zwischenzeitlichen 1:0. Hätte auch zum 3:1 treffen können, scheiterte aber aus kurzer Distanz an Sels.

Thiago

Ist sowas wie der Feinbäcker im Kader des FC Bayern, spielt in der Regel Pässe, die sich auch in den Schaufenstern der örtlichen Schokoladen-Läden gut machen würden. Diesmal unterliefen ihm im Anderlechter Druck seltsame Stockfehler. Trat an als Linksaußen, kümmerte sich aber hier und da auch ums Aufbauspiel, weil die Kollegen nicht so richtig erfolgreich waren. Musste nach 42 Minuten verletzt raus, verließ auf Krücken das Stadion. Verdacht auf schwere Muskelblessur.

Einwechselspieler

James: Eingewechselt für Thiago. Brachte mehr Ballsicherheit ins Spiel der Bayern, ganz unwichtig war das nicht. Javi Martínez: Kam kurz nach der Halbzeit für Robben, sollte das zentrale Mittelfeld abdichten. War nach Lage der Dinge erfolgreicher als Tolisso. Mats Hummels: Kurz vor Schluss eingewechselt, um das Ergebnis über die Zeit zu bringen - als defensiver Mittelfeldspieler. Verlor dann aber den ersten wichtigen Zweikampf, was fast zum Ausgleich geführt hätte.

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