FC Bayern in der Einzelkritik:Erst verstört, dann verzückt

Manuel Neuer bekommt so viel zu tun wie zuletzt in 34 Bundesligaspielen nicht, Javi Martínez bringt seine ganze Wucht auf den Platz und agiert vortrefflich nach vorne und Bastian Schweinsteiger erkämpft sich trotz Verletzung beim Aufwärmen endlich diesen verdammten Titel. Die Bayern beim 2:1 gegen Dortmund in der Einzelkritik.

Von Andreas Burkert und Claudio Catuogno, London

FC Bayern in der Einzelkritik

Manuel Neuer

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(Foto: Getty Images)

Bayern-Keeper Manuel Neuer bekommt soviel zu tun wie zuletzt in 34 Bundesligaspielen nicht, Javi Martínez bringt seine ganze Wucht auf den Platz und agiert vortrefflich nach vorne und Bastian Schweinsteiger erkämpft sich trotz Verletzung beim Aufwärmen endlich diesen verdammten Titel. Die Bayern beim 2:1 gegen Dortmund in der Einzelkritik. Von Andreas Burkert und Claudio Catuogno, London.  Manuel Neuer: Neben Ilkay Gündogan der zweite Gelsenkirchener auf dem Rasen. Hatte sich zu Wochenbeginn entschieden, im grünen Trikot aufzulaufen - obwohl ihm dieses Hemd vor einem Jahr im Finale gegen Chelsea nicht wirklich Glück gebracht hat; die Ärmel seines Aufwärm-Shirts waren übrigens borussengelb. Sah gleich zu Beginn eine Serie von Eckbällen in seinen Hoheitsbereich fliegen, den gefährlichsten Ball fischte er sehr entschlossen aus der Luft. Auch Robert Lewandowskis erster Annäherungsversuch aus rund 25 Metern parierte er sicher - und geradezu spektakulär dann gegen Jakub Blaszczykowski, dessen Direktabnahme aus kurzer Distanz er mit dem Fuß abwehrte. Als ihn dann nach rund 20 Minuten auch noch Marco Reus und Sven Bender aus der Distanz geprüft hatten und er schließlich noch in höchster Not den gegen den entlaufenden Lewandowski die Nerven behielt, war festzustellen: So viel wie in den ersten 45 Minuten hatte er an 34 Ligaspieltagen nicht zu tun gehabt!

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Philipp Lahm

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(Foto: dpa)

Philipp Lahm: Hat vor zwei Wochen eine neue Erfahrung gemacht, als er erstmals als Kapitän die Meisterschale in Empfang nehmen durfte. Wollte dieser Premiere am Samstagabend unbedingt eine weitere hinzufügen, indem er erstmals etwas ganz Großes gewinnt. Spielte sein drittes Champions-League-Finale. Sah sich von Anfang an aber hoch stehenden Dortmundern gegenüber. Marco Reus und Sven Bender rannten wie wilde Terrier auf ihn zu und provozierten das Undenkbare: einen Fehlpass des Mannes, der nie Fehlpässe spielt! An Offensivaktionen des Rechtsverteidigers war erst mal nicht zu denken - zu viel Arbeit bescherte ihm nicht allein der stürmische Reus.

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Jérôme Boateng

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(Foto: Getty Images)

Jérôme Boateng: Der deutsche Nationalspieler erhielt erwartungsgemäß den Vorzug gegenüber Daniel Van Buyten. Weil er als wendiger gilt als sein belgischer Fachkollege und somit kompatibler für die Duelle mit den quicken Dortmunder Konterspielern wie Reus. Mit dem Anpfiff hatte er sich zu Boden und in der Luft zu bewähren, was ihm ihn einigen brenzligen Situationen auch glückte. In Ballbesitz aber wie alle Münchner Aufbauspieler in der ersten halben Stunde nur überzeugend bei Rückpässen auf Neuer. Einmal enteilte ihm dann Lewandowski mit einer fantastischen Körpertäuschung, doch Neuer sprang ein.

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Dante

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Dante: Mit Standard Lüttich hat der brasilianische Abwehrchef schon mal die belgische Meisterschaft gewonnen. Doch was ihm dieses Jahr widerfährt kommt ihm unverändert wie ein Traum vor. Nach einem Jahr Abstiegskampf und einer überzeugenden zweiten Saison bei Borussia Mönchengladbach ist er jetzt Deutscher Meister, Nationalspieler der Selecao - und vertrat nun als einziger den stolzen Kontinent Südamerika bei der europäischen Krönungsmesse in Wembley (BVB-Profi Felipe Santana saß nur auf der Bank). Dass den Bayern die Organisation der Deckung gegen das schwarz-gelbe Überfallkommando zunächst missriet, belegte nicht nur seine von Reus erzwungene gelbe Karte vor der Pause. Im Durcheinander der Beine wie sämtliche Bayern leidlich um Orientierung bemüht. Wurde einige Male überspielt, machte dann aber immer wieder diese Vergehen wieder wett mit Energieleistungen. Versuchte sich notgedrungen mit einigen weiten Schlägen, nicht jeder Ball kam an.

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David Alaba

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David Alaba: Als die Bayern im Mai 2001 zuletzt die Champions League gewann, war der Wiener acht Jahre alt und hielt Österreich vermutlich für eine Weltmacht im Fußball. Inzwischen ist der 20-jährige eine Weltmacht auf der linken Verteidigerposition der Bayern. Nach Ansicht seines Teamkollegen Thomas Müller hatte er vor dem Finale seinen nächsten Titel "bereits sicher" - den des österreichischen Fußballers des Jahres 2014. Über seine linke Seite entwickelten die Dortmunder viel Gefahr, er befand sich einfach zu oft in Unterzahl, da Franck Ribéry dem weit aufrückenden BVB-Verteidiger Lukasz Piszczek unreichend Aufmerksamkeit schenkte. In der anderen Richtung gelangen dem Münchner Duo über links kaum mal wertvolle Raumgewinne.

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Javier Martínez

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(Foto: Getty Images)

Javier Martínez: Während sie daheim in Barcelona und Madrid noch Kopfweh haben von den Halbfinalduellen mit den dreisten deutschen Klubs, hielt der 24-jährige Spanier im Wembleystadion die Farben des Welt- und Europameisters hoch. Der 40-Millionen-Mann spielte eine starke Partie. Zwar suchte auch er anfangs nach den richtigen Distanzen im Raum. Doch dass die Bayern in der Viertelstunde vor der Pause doch ins Spiel fanden - das war vor allem sein Verdienst. Martínez gewann jetzt wichtige Zweikämpfe, er brachte Bälle nach außen und schaffte es sogar mal, Reus abzulaufen. Wie er sich kurz darauf vor dem eigenen Strafraum im Duell mit zwei Dortmundern befreite - mit einem Hackentrick -, war eine Schau. Im Gegensatz zu Schweinsteiger wagte der defensive Mittelfeldspieler immer wieder fuchtlos Vorstöße in den Dortmunder Strafraum, wo seine Gefährlichkeit bei Kopfbällen ebenfalls Wirkung hinterließ.

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Bastian Schweinsteiger

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(Foto: dpa)

Bastian Schweinsteiger: Vor einem Jahr wollte er nach seinem Pfostenschuss im Elfmeterschießen gegen den FC Chelsea im Boden der Münchner Arena versinken. Ist aber nicht verschwunden, sondern hat alle Psychologen abgewiesen und sich mit einer überzeugenden Saison therapiert. Er sei dieses Jahr eben fit gewesen, hatte der Mittelfeldstratege zuletzt seine konstante Verfassung erklärt. Zog sich dann aber die erste Verletzung des Abend zu - beim Aufwärmen! Mario Mandzukic traf unglücklich den Knöchel des Kameraden, der daraufhin mit Eisspray behandelt wurde. Ob dieses Vorfall schuld war oder nicht: Bastian Schweinsteiger verstörte geradezu mit seinen Abspielfehlern in der eigenen Hälfte, er wirkte überfordert und übernervös angesichts der Dortmunder Überzahl im Mittelfeld. Einmal narrte ihn sogar der eher selten als Edeltechniker auffällige Dauerläufer Kevin Großkreutz mit einem Beinschuss, ein anderes Mal narrte Schweinsteiger alle Anwesenden mit einem Freistoß ins Nirwana. Ließ sich dann wieder in den eigenen Strafraum zurückfallen, um dort Zutrauen zu diesem Spiel zu finden; das Münchner Manko in der Zentrale linderte dieser Rückzug eher nicht. In der Pause hatte er offenkundig den Auftrag erhalten, wieder ins Gefecht zu ziehen. Nahm jetzt mehr am Geschehen teil, gegen Ende der regulären Spielzeit waren dann auch wieder einige gescheite Pässe von ihm zu sehen, die Thomas Müller oder Mario Mandzukic auf den Weg schickten. In der 87. Minuten wäre ihm fast das 2:1 geglückt, doch Roman Weidenfeller entschärfte mit seinen Fäusten die Direktabnahme.

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Arjen Robben

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(Foto: Getty Images)

Arjen Robben: Der einzige Bayern-Spieler, der vor dem Einmarsch der Mannschaften im Kabinengang gelacht hat - was man aber nicht als Beleg für eine fehlende Grundspannung werten musste. Eher als Zeichen für nicht vorhandene Verkrampfung in Tateinheit mit grenzenloser Vorfreude. Fiel damit zunächst positiv auf im Vergleich zu den anfangs in Ehrfurcht erstarrenden Kollegen. Schien sich aber mit zunehmender Spieldauer daran zu erinnern, dass er die großen Da-hab-ich-Bock-drauf-Endspiele bisher fast alle verloren hat: bei der Weltmeisterschaft 2010 mit den Niederlanden gegen Spanien, mit den Bayern im selben Jahr und 2012. Kam mehrmals vielversprechend zum Abschluss, lief sich aber fest, verzog - oder drosch Weidenfeller die Kugel ins Gesicht (43.). In der zweiten Halbzeit bereitete er geschickt an der Grundlinie den Führungstreffer von Mario Mandzukic vor. Ein großes Versäumnis war jedoch sein Zögern in der 77. Minute, als sich Thomas Müller mit seinen Sieben-Meilen-Stiefeln gegen Marcel Schmelzer durchsetzte, den Ball an Weidenfeller vorbei legte - und statt des Niederländers BVB-Verteidiger Neven Subotic willensstark nachsetzte. Doch am Ende ist es ausgerechnet der 29-jährige Holländer gewesen, der diese hochklassige Partie zugunsten der Bayern entschied. Robben überlief Mats Hummels und chippte den Ball in Seelenruhe ins Netzz - ausgerechnet er also, der voriges Jahr in der Verlängerung gegen Chelsea einen Strafstoß vergeben hatte und auch wegen anderer Szenen nicht mehr hoch in der Gunst des Bayern-Publikums stand. Robben ist und bleibt ein Mann für die großen Spiele, das hat er in den zurückliegenden Runden gegen Juventus Turin und den FC Barcelona bewiesen - und das bewies er auch in Wembley, wo er nach dem Abpfiff überwältigt zu Boden sank.

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Thomas Müller

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(Foto: dpa)

Thomas Müller: Wie immer die Lockerheit in Person. Jedenfalls auf der Pressekonferenz am, wie die Uefa das verbandsamtlich nennt, "MD-1". Also am "Matchday minus one". Also am Freitag. Wenn es Elfmeterschießen gibt? "Habe ich nicht das Gefühl, dass irgendjemand in die Hose scheißt", lieferte Müller die deftige Schlagzeile des Tages respektive Minus-eins-Tages. Die Weltpresse nahm zur Kenntnis: So einen schrägen Typen hat Borussia Dortmund nicht. Weiterer Vorteil: Erst 23 Jahre alt - und schon im dritten Champions-League-Finale dabei. Am MD0 dann allerdings anfangs überhastet im Aufbauspiel - wenn er den Ball prallen ließ, dann schon mal zum Gegner. Doch neben Martínez und Robben gebührte ihm das Verdienst, dass die Münchner Offensive allmählich in Gang kam. Wenn etwas vorn geschah, waren Müllers Haxen im Spiel.

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Franck Ribéry

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(Foto: Getty Images)

Franck Ribéry: Nahm sich offenbar die Laienschauspieler zum Vorbild, die während der Eröffnungszeremonie in Ritterrüstungen und mit Schild und Bogen aufeinander losdroschen - ein allenfalls subtiles Werben der Uefa für Fairplay, Friedfertigkeit und Nächstenliebe. Ribéry jedenfalls schlug wie auf dem Schlachtfeld dem Dortmunder Lewandowski den Arm ins Gesicht - da dieser ihn vorher bedrängt hatte, machte der Franzose offenbar das Kriegsrecht geltend. Hätte gemäß der Genfer Konvention auch Rot sehen können - wurde aber lediglich mündlich verwarnt. Danach gleich Initiator der bis dahin größten Bayern-Chance: Weite Flanke auf Mandzukic von links, dessen Kopfball Weidenfeller aber noch auf die Querlatte schaufelte (26.). Leistete sich auch in der zweiten Hälfte eine Unbeherrschtheit, die ihm diesem außergewöhnlichen Spieler leider manchmal im Weg steht. Beim Siegtor von Robben brachte er sich jedoch entscheidend als Vorbereiter ein.

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Mario Mandzukic

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(Foto: Getty Images)

Mario Mandzukic: Von allen Offensivspielern der Bayern noch am emsigsten in der Disziplin Bälleklau, allerdings - dem feierlichen Anlass angemessen - diesmal nicht so rustikal und robust wie zuletzt gegen Barcelona. Den ersten Ball stahl er den Dortmundern per Hackentrick (3.). Da sich das Spielgeschehen dann verblüffend oft in der Hälfte der Bayern abspielte, lange ohne große Bindung zum Spiel - bis zu jener Ribéry-Flanke in der 26. Minute. Nach der Pause arbeitete er sich mit Biss in diese umkämpfte Partie, immer wieder suchten ihn die Kollegen mit hohen Flanken. Das Tor zur Führung glückte ihm jedoch im Parterre, seelenruhig wie ein Schalterbeamter verwertete er Robbens Hereingabe

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Mario Gomez

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(Foto: AFP)

Mario Gomez: Kam ganz spät - und durfte damit noch als Aktiver mitjubeln. Tat das äußerst engagiert. 

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Luiz Gustavo

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(Foto: REUTERS)

Luiz Gustavo: Durfte auch noch kurz dabei sein - zum Sichern des Resultats. Das gelang vortrefflich. 

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