Einzelkritik nach dem Hinspiel:Better foul Saul

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Philipp Lahm trifft Fernando Torres wieder, Thiago bekommt einen Serientipp, und Müller kommt zu spät.

Von Claudio Catuogno und Martin Schneider

Manuel Neuer: Wurde vor der Partie von der Sportzeitung Marca mit Jan Oblak verglichen ("zwei riesige Torhüter"). Für Uneingeweihte: Jan Oblak ist Torhüter von Atlético. Und kein Schlechter - mit dem darf man verglichen werden. Neuer war dann aber doch nicht riesig genug, um Saul Niguez' platzierten Schuss ins lange Eck abzuwehren. Ansonsten weniger geprüft als von ihm selbst befürchtet - er hatte Atlético ja als "andere Hausnummer als all das, was wir bisher erlebt haben" erwartet. Dafür bewachte er seine Haustür riesig. Warf ständig Bälle ins Feld, muss dafür aber nicht mit einer Strafe rechnen. Gelb bekam er für Gegnerbeschimpfung.

Philipp Lahm: Hat an diesem Abend den riesigen Torhüter Oliver Kahn als deutscher Rekord-Champions-League-Spieler abgelöst: 104. Einsatz! War mutmaßlich froh, dass seine Zeit als Linksverteidiger schon 104 Jahre zurück liegt - wäre sonst Fernando Torres regelmäßig begegnet, der ihn im EM-Finale 1908, pardon, 2008 abgekocht hatte. Die beiden begegneten sich nur gelegentlich - meist mit Vorteil Lahm, der Atléticos Vorstöße konsequent unterband. Im Stellungsspiel routiniert, auch als Antreiber mal wieder engagiert.

Javier Martínez: Gewissermaßen der Anker der spanischen Armada (Martínez-Bernat-Alonso-Thiago), die Pep Guardiola gegen die Inquisition Atlético aufs Feld geschickt hatte. Freut sich womöglich, wenn (also: falls) bald Mats Hummels bei den Bayern Innenverteidiger spielt und er selbst wieder im defensiven Mittelfeld - ständig als letzter Mann bestürmt zu werden, und dann noch vom unermüdlichen Antoine Griezmann, brachte ihn manches Mal in die Bredouille. Empfahl sich aber als Stürmer: Köpfte in der 56. Minute nach einer Ecke mit viel Wucht. Aber genau in die Arme des riesigen Oblak.

David Alaba: Sein 50. Einsatz in der Champions-League, als bisher jüngster Spieler überhaupt (23). Wird, wenn er so weiter macht, demnächst Lahm einholen. Ist allerdings Österreicher und wurde ausgerechnet im Jubiläumsspiel zur Slalomstange: Beim Gegentor ausgewackelt, wie es Marcel Hirscher mit dem Plastik auf der Piste macht. Im Spielaufbau aktiver als Martínez, als Stürmer etwas präziser: Knallte einen Schuss gegen die Querstange (54.)

Juan Bernat: Hatte den Vorteil, dass ihm der engagierte Thiago auf seiner Seite zur Seite stand. Hatte den Nachteil, nicht so ballsicher zu sein wie Philipp Lahm gegenüber. Hätte beim Gegentor wie drei andere Spieler alles anders machen müssen. Ein Spiel für ihn wie ein schlechter Tapas- Laden: alles dabei, manches gut, manches macht Bauchweh.

Xabi Alonso: Hat als einziger Münchner mal in Madrid gewohnt (wenn auch nicht in der Nähe der Metrostation Alonso Martínez) - und schon 22 Mal gegen Atlético gespielt (aber noch nie mit 34). Litt darunter, dass die Atlético-Spieler seine Nähe suchten wie penetrante alte Bekannte: fast immer zu gut bewacht, um im Spielaufbau großartige Impulse zu setzen - was das Spiel der Bayern auf die Flügel zwang (siehe auch: Costa, Coman).

Thiago: Der feinfüßigste unter den Bayern-Fußballern - schon deshalb war der Abend für ihn kein Vergnügen gegen einen Gegner, der zarte Kunst gern mit dem Vorschlaghammer zerschlägt. Immer wieder mit passablen Aktionen als Balleroberer und offensive Ordnungskraft im Mittelfeld. Beim 0:1 gegen Niguez hingegen zu zögerlich, hätte gegebenenfalls härter einschreiten können (Serientipp: "Better foul Saul") und so Alonso, Bernat und Alaba vor dem Schicksal als Slalomstangen bewahrt.

Arturo Vidal: Hatte sich vorgenommen, aktiv gegen sein Image als Schwalben- Experte anzukämpfen. Profilierte sich daher bereits in der dritten Minute als Grätschen-Experte und erwarb sich im weiteren Verlauf diverse Zusatzqualifikationen. Das Problem: Mit Grätschen spielt man keine Pässe. Hätte öfter den bedrängten Alonso unterstützen müssen, aber sein Gefühl für den freien Raum kann nicht mit seinem Gefühl für die freie Wade mithalten. Offensiver als Thiago, kam auch zu Abschlüssen, setzte aber diesmal auch seine Schüsse nicht so präzise wie seine Grätschen.

Douglas Costa: Einer der beiden Sprinter, mit denen Guardiola Atlético über die Seiten knacken wollte. Hatte aber konsequent zwei Gegenspieler gegen sich, versuchte ebenso konsequent durchzuwackeln wie Kollege Saul Niguez, scheiterte dabei aber zu oft - holte im besten Fall mal einen Freistoß raus. Setzte einen davon ans Außennetz (25.), war ansonsten in seinen Aktionen aber meist zu unpräzise.

Kingsley Coman: Der andere der beiden Sprinter. Ist immer noch erst 19 Jahre alt, der einzige Teenager auf dem Platz, und beeindruckende 15 Jahre jünger als Alonso. Und 15 km/h schneller. Im Eins-gegen-eins meist ebenso konsequent gedoppelt wie Costa und mit Mühe; bei den wenigen Kontern, die er im Raketentempo vortrug, im Abschluss zu zögerlich und verspielt. Dribbelte einmal vier Gegenspieler aus, scheiterte dann aber am Bein des fünften.

Robert Lewandowski: Auf dem Platz so einsam wie ein Veganer in einem der tausend Schinkenläden von Madrid. Damit er an den Ball kommen konnte, mussten die Bayern drei Abwehrreihen überwinden. Meistens scheiterten seine Mitspieler aber spätestens an der zweiten. Ein Kampf gegen Windmühlen wäre einfacher gewesen. Ein kurioser Querschläger war immerhin Vorlage für einen Kopfball von Vidal.

Franck Ribéry: Kam in der 64. für Coman und dribbelte viel.

Thomas Müller: Kam in der 70. Minute für Thiago. Wäre vielleicht besser in der 10. Minute für Costa gekommen.

Medhi Benatia: Der Marokkaner kam in der 77. Minute für Juan Bernat. Kommt vielleicht bald seltener (siehe: Mats Hummels).

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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