FC Bayern in der Champions League:Wer Paris schlägt, muss niemanden fürchten

Aus dem Stadion von Martin Schneider

Im Moment, als der alte FC Bayern endgültig wieder da war, zuckte Thomas Müller mit den Schultern. Man kann natürlich diskutieren, ob der alte FC Bayern nicht schon da war, als Uli Hoeneß lächelnd und glücklich Richtung Ausgang der Arena ging, kein Interview geben wollte, aber laut und deutlich rief: "Ich bin sehr zufrieden."

Vielleicht auch als Neymar, der teuerste Fußballer des Planeten, mit gesenktem Kopf zum Reisebus von Paris Saint-Germain schlurfte, dabei einen vergleichsweise großen Rollkoffer einer Edelmarke zog und sich Kopfhörer in die Ohren steckte, um allen zu signalisieren: Ich will nichts hören und reden schon gar nicht.

Der Bayern-Stolz ist immer noch angeknackst

Als Thomas Müller aber mit den Schultern zuckte, da sagte er: "Wir haben gewonnen, klar hatte Paris auch Chancen, aber man hatte jetzt nicht das Gefühl, dass hier eine Übermannschaft total überlegen war gegen uns. Wir sind immer noch der FC Bayern." Dann meinte er grantelnd, Paris hätte keinen Zaubertrank und man könne ruhig ein bisschen vom Gas gehen, bevor man andere Mannschaften so hochjubelt wie zuletzt PSG. Und dann sagte er noch mal, kurz bevor er ging: "Wir sind immer noch der FC Bayern."

Das 0:3 aus dem Hinspiel sticht offenbar immer noch im Stolz der Münchner, jedenfalls so tief, dass die 3:1-Revanche im Rückspiel Müller, den letzten gebürtigen Bayern beim FC Bayern, zu einem Mia-san-Mia-Anfall verleitete. Die Intonation war klar: Sollen sie doch Neymar holen, sollen sie doch Mbappé holen, sollen sie halt mehr als 400 Millionen Euro für die beiden ausgeben, sollen sie uns doch drei Tore einschenken, soll es doch überall heißen, Paris sei die neue Macht - wir haben eine Antwort darauf und die lautet: Wir sind der FC Bayern.

Die Münchner hatten sich an diesem Abend dezidiert vorgenommen, eine "Botschaft an Europa" zu senden, wie es Kingsley Coman formulierte. Und Europa sah einen Corentin Tolisso, der mit zwei energischen Läufen aus der Tiefe einmal per Kopf und einmal per Fuß Tore machte (37., 69. Minute), es sah einen James Rodriguez, der als Spielmacher aufging und eine erstaunliche Partie lieferte und mit Sven Ulreich den wohl jetzt besten Ersatztorhüter Europas. Die Konkurrenz durfte sich außerdem - neben einem beständig treffenden Robert Lewandowski (8.) - einen Kingsley Coman anschauen, der vor dem dritten Tor den Außenbordmotor anschmiss, einfach um eine Dani-Alves-Grätsche herumlief und dann vor der Flanke den Kopf hob, um den sprintenden Tolisso zu sehen, der vollendete.

Mittelfeldspieler Sebastian Rudy erklärte nachher ziemlich ausführlich, wie man das gemacht habe. Die Bayern hätten defensiver gespielt als sonst, im Kollektiv verteidigt, aggressiv zu agieren sei eine Vorgabe gewesen und außerdem sei es schon auch der Plan gewesen, Paris mal den Ball zu geben - Hauptsache nicht in Konter laufen und den Sprintern freie Bahn geben. Trainer Jupp Heynckes nannte die Taktik später: nicht nur clever, sondern klug.

Nur Mats Hummels ist sauer

Dass es dann nicht für den großen Coup - den Gruppensieg durch einen Sieg mit vier Toren Unterschied - langte, das lag zum einen am Gegentor, als Edinson Cavani mit einem Lupfer und Kylian Mbappé mit einem blitzartigen Antritt zum Kopfball alle Sicherungsmechanismen der Bayern überwanden (50.). Aber auch daran, dass die Mannschaft das letzte Risiko scheute. Rudy und Müller sagten, sie wollten gegen Ende nicht offensiver werden, weil es ein Ziel war, das Spiel zu gewinnen und man dem Gegner keine Räume geben wollte. Mats Hummels schien darüber ziemlich sauer zu sein, jedenfalls stapfte er erst wütend vom Platz und dann wortlos an allen Mikrofonen vorbei. Heynckes vermutete, dass die Hummels-Wut im fehlenden Risiko begründet lag: "So wie ich den Mats kenne, wollte er 5:1 gewinnen. Er ist voller Ehrgeiz und spielt im Moment überragend."

Obwohl es für Tabellenplatz eins nicht reichte, bleibt ein souveräner Sieg gegen eine Mannschaft, die durch die bisherigen Gruppenspiele mit fünf Siegen und einem Rekord-Torverhältnis von 24:1 gerast ist - unter anderem ja wegen des besagten 3:0 aus dem Hinspiel. Dieses Nulldrei aus Münchner Sicht im September war rückblickend betrachtet das vielleicht wichtigste Spiel der Saison. Denn die "Nacht von Paris", wie sie Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge offiziell nennen, war das Ende von Trainer Carlo Ancelotti und der Beginn von Jupp Heynckes. Die beiden Paris-Spiele liefern den endgültigen Beweis dafür, dass man diese Bayern-Saison in "vor Heynckes" (v.Hey.) und "nach Heynckes" (n.Hey.) einteilen muss.

Das Paris-Spiel v.Hey. kratzte auf unerhörte Art und Weise am Selbstverständnis des FC Bayern. Wer sich so überfahren lässt, hieß es damals, der muss sich mit der Champions League nicht weiter befassen. In der Bundesliga war Dortmund enteilt. Das mit der Bundesliga hat Heynckes dann ziemlich schnell wieder hingekriegt, und mit dem Sieg im Paris-Spiel n.Hey. scheinen auch die letzten Restzweifel aus dem verkorksten Saison-Start beseitigt. Denn nun sind plötzlich wieder Champions-League-Ziele erreichbar. Und die formulierte Jupp Heynckes: "Wir haben sicherlich mit dem heutigen Spiel untermauert, dass wir in der Champions League nicht nur wettbewerbsfähig sind, sondern dass wir eine gute Mannschaft haben, dass wir Ambitionen haben", sagte der Trainer.

Wer die Turbofußballer aus Paris schlägt, so die Gleichung, der muss niemanden fürchten. Durch den zweiten Platz in der Gruppe wird diese Aussage wohl schon im Februar geprüft werden. Als Gegner sind am 11. Dezember unter anderem Manchester City, Manchester United oder der FC Barcelona im Lostopf. Der Vorteil ist aber: Bis dahin hat der FC Bayern angesichts der komfortablen Situation in der Bundesliga nur noch ein todernstes Spiel - das Pokalspiel kurz vor Weihnachten zu Hause gegen derzeit total verunsicherte Dortmunder.

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