Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Champions League:Mit Megafon durch die magische Nacht

  • Nach Bayerns Sechs-Tore-Gala gegen Porto spricht Karl-Heinz Rummenigge von einer "magischen Nacht".
  • Bayern erzielt innerhalb von 26 Minuten fünf Tore und beseitigt jegliche Zweifel am vierten Halbfinal-Einzug in Serie.
  • Thomas Müller ist nach seinem Treffer neuer deutscher Rekordtorschütze in der Champions League.
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Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Wer schon länger in Bayern wohnt, dem kam unweigerlich die Frage in den Sinn: Ist das überhaupt erlaubt? Auf einen Zaun steigen und mit einem Megafon herumbrüllen? Zu einer solch unchristlichen Zeit? In München? Wo doch die hiesige Polizei jedem Radler, der nachts zu laut bremst, mit einem Bußgeld droht?

Genügend Beamte waren ja anwesend. Doch wenn nicht alles täuscht, führte diese "magische Nacht" (Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge) dazu, dass hinter den Tribünen der Arena sogar einige Beamte mit den Knien wippten, während im Innenraum des Stadions gerade die erste Zaunparty der Münchner Champions-League-Geschichte gefeiert wurde.

6:1 hatte der FC Bayern gewonnen gegen den FC Porto. Eigentlich kein außergewöhnliches Ergebnis für diesen Verein. Allerdings war er nur sechs Tage zuvor von eben jenem FC Porto mit 3:1 besiegt worden. Im Viertelfinale der Champions League stand plötzlich die Deutung einer ganzen Saison auf dem Spiel. Außerdem hatten die Münchner noch nie einen Zwei-Tore-Rückstand zu Hause noch gedreht.

Und dann stand es zur Halbzeit 5:0. FÜNFZUNULL!!

Müller überholt Gomez

Gut, dass der FC Bayern den größten Jochgeier (hochdt: Schreihals; Anm.d.Red.) der bayerischen Geschichte als Stürmer beschäftigt, der nunmehr mit 27 Treffern deutscher Rekordtorschütze in der Champions League ist - vor Mario Gomez. Thomas Müller kämpfte sich auf den Zaun vor die Zuschauer, presste alle nicht vorhandenen Muskelfasern zusammen und schrie so dermaßen hinein ins Megafon, dass selbst die Fans in der Stadtmitte noch mithören konnten. "Gebt mir ein H!" - "Gebt mir ein U!" Und so weiter, bis zum Humba, humba, täterää!

Vorstandschef Rummenigge verschwand mit roten Glückseligkeits-Bäckchen im Bauch der Arena. "Das war einer dieser Abende, wo du nach Hause gehst und denkst: Das war traumhaft, was du hier erleben durftest." Stürmer Robert Lewandowski sagte es so: "Wir haben in der ersten Halbzeit wirklich geil gespielt."

Wie eine atlantische Sturmflut waren die Münchner über den FC Porto hinweggefegt. Allerdings nicht wie eine, wie man sie bislang kannte in der Menschheitsgeschichte. Die bayerische Flut schlug vor dem Aufprallen noch ein paar Haken, täuschte hier einen Einschlag an, um dann dort die Verteidigungswälle zu brechen. Sie spähte die wunden Punkte der Portugiesen aus, um dann derartige Verwüstungen anzurichten, dass diese vor Schreck all ihr Wissen über die Abwehr einer solchen Naturgewalt vergaßen und schlichtweg kapitulierten.

Der erste Angriff über Müller und Lewandowski endete noch am Pfosten, doch danach nahm der Abend für den FC Porto einen fürchterlichen Verlauf. Thiago (14.), Jérôme Boateng (22.) und Robert Lewandowski (27.) per Kopf, Thomas Müller (36.) und noch einmal Lewandowski (40.) per Flachschuss demütigten den Klub. Ihr Trainer Julen Lopetegui schrie an der Seitenlinie, er gestikulierte, hüpfte, wütete - doch nichts half. Völlig heiser erklärte er nach dem Spiel: "Der FC Bayern ist eine der besten Mannschaften der Welt und ist klarer Favorit auf den Gewinn der Champions League."

Trotz des Zwei-Tore-Vorsprungs gab es überhaupt nur zwei Momente, in denen Lopetegui an diesem Abend auf ein Weiterkommen hoffen durfte. Beim Anpfiff und als Jackson Martínez den Ball in der 76. Minute Richtung Tor abfeuerte. Es wäre das 2:5 gewesen (nachdem Martínez schon das 1:5 erzielt hatte, 73.) und die total ermatteten Münchner hätten anschließend kein Gegentor mehr bekommen dürfen. Doch Martínez schoss knapp vorbei. Am Ende traf Xabi Alonso noch per Freistoß zum 6:1.

So bleibt von diesem Abend hängen, dass sich auch ein FC Bayern wohlfühlt, wenn er sich mal in einer Art Außenseiterrolle befindet. "Es kann auch schön sein, wenn man mal mit dem Rücken zu Wand steht", sagte Müller, "weil wir als FC Bayern einmal im Jahr auch mal ein Spiel gewinnen können, und nicht immer nur nicht verlieren."

Und es bleibt hängen, dass Lopeteguis Kollege Pep Guardiola nicht wie im vergangenen Jahr gegen Real Madrid der Trainer-Depp ist, der alles falsch macht, wenn es darauf ankommt. Sondern der Trainer-Genius, den sie am liebsten auf Händen aus der Arena getragen hätten. "Wir können froh sein, so einen ausgefuchsten Trainer zu haben", sagte Rummenigge und Sportchef Matthias Sammer erklärte: "Der deutsche Fußball kann sich glücklich schätzen, ihn in seinen Reihen zu haben. Seine Ideen sind unglaublich."

Von Portos Selbstvertrauen war nichts mehr übrig

Guardiola hatte die Idee gehabt, dass Porto über die Außen zu knacken sei. Im Nachhinein fast banal, weil beide Randverteidiger wegen gelber Karten in München gesperrt waren. Das Außergewöhnliche ist, mit welcher Konsequenz Guardiola diese Idee dann verfolgt. Weil mit Robben und Ribéry die Flügeldribbler verletzt sind, stellte er Mario Götze (links) und Philipp Lahm (rechts) an die Seitenlinien.

Herr Lahm, haben Sie schon jemals Rechtsaußen gespielt? "Ja, vor ungefähr 17 Jahren. Bis zur U16 hab ich bei Bayern rechts vorne gespielt", erinnerte er sich, um noch einen Scherz hinzuzufügen: "Ich bin ja auch ein ähnlicher Typ wie Arjen Robben, das weiß ja jeder, dass ich gerne ins Tempodribbling gehe." Lahm spielte rechts vorne exzellent, bevor er später im Spiel auch im defensiven Mittelfeld, als Rechtsverteidiger und im offensiven Mittelfeld exzellent spielte.

Das gefürchtete Pressing der Portugiesen hebelte Guardiola mit der Anweisung an seine Innenverteidiger aus, den Ball einfach über die Presser hinweg auf Götze und Lahm zu schlagen. Die taktischen Kniffe der Bayern verwirrten den Gegner komplett. Ihre Leidenschaft und ihr Wille wirkten wie Säure. Porto löste sich auf. Von der Mannschaft, die vergangene Woche so robust und energisch Paroli geboten hatte, war nichts mehr übrig.

Von Perfektion wollte Pep Guardiola dennoch nichts wissen. Darauf angesprochen, reagierte er fast empört: "Nein, wir können besser spielen." Wie immer nach großen Siegen wirkte der Katalane eher verärgert als erfreut. Als ihn noch jemand auf seine an der Seite zerrissene Hose ansprach und ob es mit so einem Lüftungsloch nicht kalt gewesen sei in dieser Frühlingsnacht auf dem Platz, antwortete er genervt: "Nein, mir war heiß." Woraufhin er verschwand.

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