FC Bayern in der Champions League:"Herr Lahm, alles Gute, wir sehen uns ja nicht mehr"

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Als wär's ein Bild von heute: Die beinahe unveränderten Philipp Lahm und Cristiano Ronaldo begegnen sich 2012 im Halbfinale der Champions League. (Foto: Stefan Matzke/sampics)
  • Philipp Lahm rückt immer mehr auf die Zielgerade seiner Karriere.
  • Dass Lahm ein großer Spieler ist, erkennt man daran, dass der Fußballgott ihm einen würdigen Abschied inszeniert. Es geht ein letztes Mal gegen Real und in zwei Wochen im DFB-Pokal noch mal gegen Dortmund.

Von Christof Kneer, München

Philipp Lahm sieht die Szene noch vor sich. Er weiß noch, dass es der große Roberto Carlos war, der nach dem Anpfiff den Ball verlor, er weiß noch, dass Hasan Salihamidzic sich den Ball schnappte und auf der rechten Angriffsseite loszog, die gleichzeitig die linke Abwehrseite von Real Madrid war. Auf der verteidigte üblicherweise der große Roberto Carlos, aber gut, der stand ja jetzt irgendwo in der Nähe der Anstoßkreises herum und überlegte gerade, wie man eigentlich so bescheuert den Ball verlieren kann. Salihamidzic sauste also die robertocarloslose Seite entlang und legte den Ball nach innen, wo Roy Makaay so trocken einschoss, wie nur Roy Makaay das konnte. "Is' normaaaal", sagte Makaay hinterher meistens bis immer, wenn man ihn auf seine Tore ansprach.

Das alles weiß Philipp Lahm noch, und die Erinnerung amüsiert ihn sehr. Was er aber nicht mehr weiß und unbedingt wissen möchte: wann genau dieser Treffer fiel. "Es war das schnellste Tor in der Champions-League-Geschichte des FC Bayern", sagt Lahm, "aber nach wie vielen Sekunden fiel es noch mal? Zwölf? Fünfzehn?"

Trainer Carlo Ancelotti kennt sich mit den letzten Metern aus

Die Nachschlagewerke melden: zehn. Tor für Bayern nach zehn Sekunden. Der FC Bayern ist gegen Real Madrid damals ins Viertelfinale der Champions League eingezogen, im Frühjahr 2007 war das noch eine große Sache. Lahm muss einen unterirdischen Tag erwischt haben damals, er bekam vom kicker die Note 3. Mit ihm spielten übrigens Menschen namens Kahn, Sagnol, Lúcio, van Bommel, Hargreaves oder eben Makaay, eingewechselt wurde Andi Görlitz, auf der Bank saß Mehmet Scholl. Trainer war: Ottmar Hitzfeld.

Ja, Philipp Lahm kommt von weit her. Er hat eine lange Reise hinter sich, und mit jedem Tag mehr wird ihm bewusst, dass es jetzt auf die letzten Meter geht. "Ich ertappe mich immer wieder bei dem Gedanken, dass ich irgendwas gerade zum letzten Mal mache", sagt Lahm, "in Gladbach haben die Ordner zum Beispiel gesagt: Auf Wiedersehen, Herr Lahm, alles Gute, wir sehen uns ja nicht mehr. Da wird einem bewusst, dass wieder etwas zu Ende gegangen ist."

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Dass Lahm ein großer Spieler ist, erkennt man daran, dass der Fußballgott ihm einen würdigen Abschied inszeniert. Es geht ein letztes Mal gegen Real und in zwei Wochen im DFB-Pokal noch mal gegen Dortmund - "gegen diese Gegner habe ich in meiner Karriere schöne Schlachten geschlagen", sagt Lahm, "mit Real und dem BVB schließen sich jetzt Kreise".

Lahm stand schon immer stellvertretend für den FC Bayern, aber so stellvertretend wie in diesen finalen Saisonwochen stand er vielleicht noch nie. Lahm ist ein Zielgeradenfußballer, der die Ziellinie da vorne schon kommen sieht und bis dahin noch mal alles raushaut, was er in seinem Körper so findet. Genau so geht es Xabi Alonso, und auch Franck Ribéry und Arjen Robben spielen so, obwohl sie noch eine Runde mehr drehen. Und begleitet werden sie alle von Carlo Ancelotti, einem Zielgeradencoach, der sich mit den letzten Metern einer Saison besonders gut auskennt.

Ja, es könnte sein, dass Lahms internationale Karriere in sechs Tagen endgültig zu Ende ist, nach Hin- und Rückspiel gegen Real Madrid. Es könnte aber auch sehr gut sein, dass sie noch drei Spiele weitergeht, bis zum Finale. Denn das ist es ja, was die Bayern zurzeit so gefährlich macht: dass die Zielgeradenspieler und der Zielgeradencoach gemeinsame Sache machen. Alle Spieler würden Ancelottis Geschichte kennen, sagt Lahm, das mache ihn glaubwürdig und vermittele Vertrauen, aber Lahm legt schon auch Wert auf den Erfahrungsschatz der Spieler.

"Auch wir wissen seit Jahren, wie sich die letzten Saisonwochen anfühlen, wir kennen diese Mischung aus Anspannung und riesiger Vorfreude." Auch deshalb ist Real ja gerade so ein geschichtsträchtiger Gegner: In sechs Tagen führt der Kapitän Lahm die Elf zurück zu ihren Anfängen - ins Bernabéu-Stadion. "Im Bernabéu haben wir 2010 das Champions-League-Finale gegen Inter Mailand gespielt", sagt Lahm, "es ging zwar verloren, aber da hat dieser Zyklus begonnen, der uns so erfolgreiche Jahre beschert hat, mit dem Höhepunkt des Triples 2013."

Es ist jener Zyklus, der nun, mit Lahms nahendem Rücktritt, allmählich endet.

Zukunft ist offen

Mit dem Zyklus enden auch die Duelle der dekadenprägenden Philipp Lahm und Cristiano Ronaldo, zweimal treffen sie sich jetzt noch, dann ist es vorbei. In der Nationalelf hat Joachim Löw seinen Lahm oft vom direkten Zweikampf befreit, er hat gerne Arne Friedrich oder Jérôme Boateng gegen Ronaldo gestellt; auf seinen letzten Karrieremetern ist Lahm in München aber noch mal zum klassischen Rechtsverteidiger geworden, was Duelle mit dem Linksaußen Ronaldo wahrscheinlich macht. Lahm traut sich Ronaldo immer noch zu, nur im Kopfballduell, sagt er mit einem Schmunzeln, "würde ich ihm ungern begegnen".

Ob und wann Lahm den alten Rivalen mal wiedersieht, ist völlig offen, es ist so offen wie seine Zukunft. Bekanntlich hat sich Lahm mit seinem Herzensklub nicht auf eine gemeinsamen Stellenbeschreibung einigen können, in der nächsten Saison wird also garantiert kein Bayern-Sportchef Lahm über mögliche Duelle mit Real Madrid sprechen. Aber nach Lage der Dinge werden die Münchner die Stelle ohnehin nicht vor Sommer 2018 besetzen, was Lahm am Ende wieder ins Spiel bringen könnte.

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Was seine Bewerbungsunterlagen angeht, ist er ohnehin auf einem guten Weg: Neben seinen bekannten Referenzen arbeitet er gerade am Ausbau eines weiteren Alleinstellungsmerkmals. "Im Moment bin ich der Spieler mit den meisten Champions-League-Spielen ohne Tor", sagt er, schon deshalb wäre ein Weiterkommen gegen Real wichtig. "Diesen Rekord", sagt Philipp Lahm, und diesmal ist sein Schmunzeln ein Grinsen, "könnte ich mit jedem weiteren Spiel ausbauen."

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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