FC Bayern in der Champions League:Der 72-Jährige unter den Halbfinalisten

FC Bayern in der Champions League: Welche Konstanz, welches Tempo, welche Wettbewerbshärte haben sie noch drauf? Der FC Bayern um Arjen Robben (l.) und Franck Ribéry (3.v.l.) ist die vielleicht unberechenbarste Mannschaft im Halbfinale der Champions League.

Welche Konstanz, welches Tempo, welche Wettbewerbshärte haben sie noch drauf? Der FC Bayern um Arjen Robben (l.) und Franck Ribéry (3.v.l.) ist die vielleicht unberechenbarste Mannschaft im Halbfinale der Champions League.

(Foto: AFP)

Der FC Bayern wirkt wie das ausgeglichenste der verbliebenen Teams in der Champions League. Doch die bisherigen Prüfungen waren zu leicht, um die wahre Qualität der Münchner abzuschätzen.

Kommentar von Christof Kneer

Von Karl-Heinz Rummenigge stammt der Satz, wonach die Meisterschaft "der ehrlichste Titel" sei. Sehr wahrscheinlich ist damit nicht gemeint, dass andere Titel auf unredliche Weise erworben werden, aber den Bayern ist es traditionell wichtig, die Charaktereigenschaften einer Meisterschaft zu betonen. So eine Meisterschaft ist demnach ein Pfundskerl, erfolgreich, verlässlich und auch menschlich schwer in Ordnung.

Im europäischen Spitzenfußball läuft derzeit ein interessantes Experiment: Überprüft wird, wie viel Emotion noch in einer ehrlich erworbenen Meisterschaft steckt. Wie sehr könnte sich Manchester City über den Premier-League-Titel freuen, falls parallel Jürgen Klopps FC Liverpool die Champions League rockt? Wie laut würden sie in Barcelona die Meisterschaft feiern, falls Real Madrid parallel schon wieder die Champions-League-Trophäe hochstemmt? Und dürfte man sich als Juventus Turin nach dem siebten nationalen Titel in Serie wirklich solide gehen lassen, wenn Europa parallel einen Klub aus Rom bewundert, der in der Meisterschaft 21 Punkte hinter Juve liegt?

Liverpool liegt in der Meisterschaft übrigens 17 Punkte hinter Manchester City. Real liegt 15 Punkte hinter Barcelona.

Ausgeglichen - aber auch fast unberechenbar

Es ist ein originelles Teilnehmerfeld, das da jetzt im Halbfinale der Champions League zusammenfindet. Unter den letzten Vier stehen drei Teams, die sich diese Saison eher auf die großen Momente zu spezialisieren scheinen - und der FC Bayern. In dieser Gesellschaft wirken die Münchner wie ein Muster an Konstanz, sie gestatten sich kein Tief und keine Pause, und sie sind aus den führenden fünf Ligen (Paris St. Germain eingerechnet) der einzige angehende Meister, der noch die Champions League gewinnen kann.

Seit Jupp Heynckes von seinem Bauernhof zurückgekehrt ist, spielt der FC Bayern in größtmöglicher Seriosität alles weg, was ihm auf dem Platz begegnet. Heynckes hat die Elf schon so geprägt, dass sie aussieht wie er: Der FC Bayern ist der 72-Jährige unter den Halbfinalisten, er wirkt auf sehr jung gebliebene Weise souverän, professionell und auch kreativ. Aber zu den Kuriositäten des Halbfinal-Tableaus zählt eben auch dies: dass gerade diese ausgeglichenen Bayern die vielleicht unberechenbarste Elf im Feld sind. Es gibt Mitte April immer noch keine belastbaren Hinweise darauf, welche Konstanz, welches Tempo und welche Wettbewerbshärte Ribéry & Robben in dieser Saison auf Topniveau noch draufhaben.

Die Bayern können nichts dafür, aber es ist ja so: Sie haben ihre Prüfungen allesamt sehr vorbildlich bestanden, aber die K.o.-Prüfungen waren auch nicht so anspruchsvoll wie die der anderen drei Halbfinalisten. Erst Besiktas Istanbul (die im Hinspiel 75 Minuten in Unterzahl waren), dann der FC Sevilla: Das fühlt sich so an, als habe der FC Bayern gerade die Europa League gewonnen - und sich damit für die Champions League qualifiziert, praktischerweise gleich fürs Halbfinale.

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