FC Bayern in der Champions League:Bayern hat Ersatz für alle - außer für Lewandowski

Bayern München - Borussia Dortmund

Dieser Griff und der dazugehörige Blick macht den Bayern Angst: Robert Lewandowski (l) und seine Schulter.

(Foto: dpa)
  • Beim 4:1 gegen Dortmund verletzt sich mit Robert Lewandowski ausgerechnet der Bayern-Spieler, der für die Münchner überhaupt nicht zu ersetzen ist.
  • Das Problem ist: Auch andere waren oder sind angeschlagen.

Von Claudio Catuogno

Philipp Lahm kann sehr spöttisch lächeln. Er legt dann den Kopf ein bisschen schräg, drückt das Kinn vor, man sieht ein angriffslustiges Blitzen in seinen Augen. Manchmal bedeutet das: Leute, ich könnte euch jetzt eine Menge erzählen, tu's aber nicht. Als Lahm kürzlich bekannt gab, dass er nächstes Jahr nicht Uli Hoeneß' neuer Sportdirektor wird, da grundierte er diese Nachricht mit der nonverbalen Süffisanz eines Mannes, der viel weiß, aber wenig preisgeben wird. Manchmal drückt Philipp Lahm mit seinem spöttischen Kopf-schräg-Kinn-vor-Lächeln aber auch das Gegenteil aus: dass er doch auch nicht auf alles eine Antwort wissen kann, bloß weil er der Bayern-Kapitän ist.

Am Samstagabend nach dem 4:1 (2:1) gegen Borussia Dortmund wurde Philipp Lahm in den Arena-Katakomben gefragt, ob er schon eine erste Diagnose abgeben könne zur Schulterverletzung des Stürmers Robert Lewandowski - und ob der denn nun mitspielen könne am Mittwoch gegen Real Madrid. Eine erste Diagnose? Er? Der Rechtsverteidiger? Ja glauben die Leute denn, er habe einen eingebauten Röntgenblick? Kopf schräg, Kinn vor. "Ich weiß es nicht", sagte Lahm also. "Ich glaube ja, da macht man erst mal Bilder."

Ja, wenn die Fußballersehne schmerzt, macht man erst mal Bilder. Ultraschall. Kernspin. Und dann steht da am nächsten Tag zum Beispiel "Sehnenteilabriss im Ellenbogen" auf einem Formular - wie bei Lahm kurz vor der WM 2010. Lahm hat das mehrmals erlebt: wie sich plötzlich alles Hoffen und Bangen um ein Körperteil eines Schlüsselspielers drehen kann. Tut es weh? Wird es trotzdem gehen? Lahm trug damals in einer Schiene quasi den Ellenbogen der Nation spazieren. Es tat dann zwar noch weh zum WM-Start. Aber es ging.

Die Schulter der Nation, zumindest der bayerischen Fußballnation, das ist jetzt die von Robert Lewandowski. Rechts.

Lahm wollte sich am Samstag nicht als Hobbydoktor profilieren, seine eher pessimistische Rede zur Schulter der Nation war ausschließlich seiner Lebenserfahrung geschuldet: "Wenn ein Spieler raus muss, ist das nie ein gutes Zeichen." Lewandowski selbst, der zwar auch nicht in seine Schulter schauen kann, aber wenigstens hineinfühlen, war optimistischer: "Wir wollten kein Risiko eingehen, deshalb die Auswechslung. Es tut ein bisschen weh, es ist eine Schulterprellung, glaube ich. Aber es wird kein Problem für Mittwoch sein." Davon gingen am Sonntag, nach entsprechenden Untersuchungen, auch die Ärzte aus.

Aber die Bilder der Mediziner sind ja sowieso nur das eine. Die Bilder, die während so eines Spiels live versendet werden, reichen manchmal schon, um die Freude über ein 4:1 gegen den westfälischen Lieblingsrivalen in einen Schleier der Beunruhigung zu hüllen: Lewandowski, wie er in der 68. Minute alleine auf den Dortmunder Torwart Roman Bürki zusprintet, wie er links vorbei ziehen will, über Bürkis Fuß stolpert, abhebt, auf die Schulter kracht. Wie er zunächst noch den Elfmeter zum 4:1 verwandelt, halbhoch links, wie er sich dann an die Schulter fasst, mit schmerzverzerrtem Blick. Und wie bei den Bayern die große Aufregung ausbricht.

Auswechseln! Ausgerechnet "Lewa"! Viele fassten sich jetzt ihrerseits an die Schulter, als müssten sie das Malheur erst mal begreifen: Arturo Vidal auf dem Platz, der Trainer Carlo Ancelotti an der Seitenlinie, der Arzt Volker Braun auf der Bank.

Die Bayern haben einen ziemlich robusten Kader. Sollten relevante Körperteile von Franck Ribéry, Arjen Robben oder sonst wem im Bayern-Mittelfeld in naher Zukunft eingegipst werden müssen, wäre das zwar eine schlechte Nachricht - aber wohl irgendwie zu kompensieren. Nur eines dürfe halt nicht passieren, raunen sie intern bei Bayern schon seit Monaten: dass ihr Mittelstürmer ausfällt. Für einen Ausnahme-Torjäger wie Lewandowski gibt es kein Back-up. Jetzt hoffen sie also, dass der 28 Jahre alte Pole Recht behält. Dass er halbwegs schmerzfrei mitwirken kann, wenn es am Mittwoch gegen Real Madrid um den Einzug ins Halbfinale der Champions League geht.

Zugleich wurden die Münchner am Samstag aber auch wieder daran erinnert, wie fragil so eine Fußballmannschaft im Saisonendspurt ist. Ein Blick auf die Tribüne stützte diesen Eindruck noch, dort saßen Thomas Müller, der eine Woche zuvor im Spiel gegen Augsburg (6:0) einen Schlag auf den Knöchel bekommen hatte, und der Nationaltorwart Manuel Neuer, der nach einer Fuß-OP noch pausieren musste. Gegen Real sollen beide zurückkehren, heißt es.

Einer wird am Mittwoch allerdings definitiv fehlen: Mats Hummels. Der 28-Jährige klagte am Sonntag im Training nach einem Pressschlag über Schmerzen im Sprunggelenk und wurde mit einem Golf-Wägelchen vom Platz gefahren. Er habe drei vorzügliche Innenverteidiger, hatte Carlo Ancelotti zwar zuletzt immer betont, Hummels, Javi Martínez und den kürzlich erst nach einer OP zurückgekehrten Jérôme Boateng - aber Hummels war in überragender Verfassung. Es scheint, als schleiche sich das Verletzungspech gerade von allen Seiten an.

Die Dortmunder, die in der Champions League schon am Dienstag die AS Monaco zu Gast haben, können über diese Sorgen der Münchner allerdings nur süßsauer lächeln: Ihnen fehlt ja gleich die halbe Mannschaft verletzungsbedingt.

Bayern München - Borussia Dortmund

Fit für Real? Erst mal egal, am Samstag genoss der verletzte Thomas Müller seinen Ausflug auf die Tribüne.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Dass Robert Lewandowski im Mittelpunkt stehen würde in der Partie gegen seinen Ex-Klub, das war anzunehmen gewesen. Bloß aus anderen Gründen. Bayern gegen Dortmund, das ist ja auch das Torjägerduell der Liga: 25 Treffer hatte der BVB-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang vor dem Spiel erzielt, 24 Lewandowski - jetzt sind es 26. Man sah Lewandowski an, dass ihn das Duell motivierte: mehrmals haderte er, weil der Kollege Arjen Robben wieder, wieder und wieder (und dann erneut, wieder, noch mal und wieder) selbst den Abschluss suchte, anstatt abzugeben. Das allerdings tat immer nur kurzzeitig weh. Schulterschmerzen sind schlimmer.

Derweil verbreitete sich auch in München die Kunde aus Madrid, dass sich der Real-Innenverteidiger Pepe im Stadtderby gegen Atlético zwei Rippen gebrochen hat - bei einem Zusammenstoß mit dem Teamkollegen Toni Kroos ().

Pech ist eben relativ.

Man kann sich den Gesichtsausdruck von Philipp Lahm vorstellen, als er davon erfuhr.

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