FC Bayern im Trainingslager:Heikles Gesprächsthema Schweinsteiger

Bastian Schweinsteiger betont beim Trainingslager in Katar seine Fortschritte im Aufbautraining. Doch er strahlt noch nicht jenen Neujahrs-Optimismus aus, den sich die Bayern und der Bundestrainer wünschen.

Von Philipp Selldorf, Doha

Auf dem Gelände der Aspire-Sportakademie in Katar gibt es echtes Vogelgezwitscher und solches, das aus Lautsprechern kommt. Offenbar traut man den echten Vögeln nicht zu, dass sie verlässlich fürs Wohlbefinden der Sportler singen. Bei Dunkelheit aber schweigen die falschen Vögel, und so hörte Bastian Schweinsteiger nicht viel mehr als sein eigenes Atmen, als er am frühen Montagabend unter der Aufsicht von Reha-Trainer Wilhelmi seine Laufübungen machte. Nebenan trainierten die Kollegen, wie der FC Bayern im neuen Jahr noch mehr Tore schießen könnte.

Pep Guardiola hatte dazu den Kader in drei Teile geteilt: drei Torhüter, die drei nebeneinander aufgestellte Tore bewachten, Defensive und Offensive. Die Spielidee bestand darin, dass sich die Offensivspieler aussuchen durften, welches der drei auf Feldbreite postierten Tore sie ansteuern wollten, was einerseits die Offensivspieler erfreute (weil sie einen Treffer nach dem anderen erzielten) und andererseits die einheimischen Zuschauer beglückte, die in großer Zahl die Tribüne bevölkerten.

Auf der Tribüne des Nachbarplatzes herrschte hingegen die gleiche Einsamkeit wie auf dem penibel geschnittenen Rasen: Unten lief der Reha-Profi Schweinsteiger auf und nieder, und auf der Tribüne saß keiner - außer Muftha aus Nigeria. Er trug ein Schweinsteiger-Trikot und einen Schweinsteiger-Schal, und es war dann nicht mehr sonderlich verblüffend, dass sich der junge Mann und angehende Fußball-Lehrer als ein ernstzunehmender Schweinsteiger-Fan bekannte: "Ich liebe Bayern München", sagte er, "aber ohne ihn ist Bayern München wie Tee ohne Zucker."

Im Laufe der ersten Tage im Trainingslager haben Schweinsteiger und sein einsamer Fan eine stille Freundschaft geschlossen, und es klang eine Spur von Weisheit an, als der Münchner Nationalspieler am nächsten Tag feststellte, dass ein einziger richtiger Fan manchmal wertvoller sei als hundert, die bloß ein paar Tore bei der Angriffsschulung beklatschen.

Wie es ansonsten um das Gemüt und die Physis des 29-Jährigen bestellt ist, wird wohl noch eine Weile ein heikles Gesprächsthema beim FC Bayern bleiben. Schweinsteiger scheint es selbst nicht genau zu wissen. Er möchte gern so verstanden werden, dass es ihm gut geht, und dass seine Vorbereitung auf die Rückrunde und die WM erfreulich vorankommt. Aber er strahlt nicht den Neujahrs-Optimismus aus, den sich Bayern-Coach Guardiola und Bundestrainer Joachim Löw von ihrem Vizekapitän wünschen. "Ich bin zufrieden, wie es jetzt ist. Ich kann die Übungen sehr gut machen", sagt Schweinsteiger.

"Jeden Tag ein bisschen besser"

Guardiola will ermittelt haben, dass es "jeden Tag ein bisschen besser" wird mit der Genesung, er denkt dabei nicht nur an die eigenen Interessen: "Ich weiß, wie wichtig Bastian für das Team, den ganzen Verein und den deutschen Fußball ist", sagt er.

Für die Nationalelf ist Schweinsteiger nach dem Ausfall der Mittelfeld-Autorität Sami Khedira sogar besonders wichtig, aber um hilfreich zu sein, müsste er nicht nur beim allmählich misstrauischen Publikum ein paar Zweifel beseitigen. Auch Löw muss überzeugt werden, dass es sinnvoll ist, Schweinsteiger auf die große Reise mitzunehmen. In ähnlich angeschlagener Verfassung wie 2012 bei der EM wird er kein zweites Turnier bestreiten dürfen.

Beim Sprinttraining in Doha arbeitet Schweinsteiger hart daran, Tempo und Spritzigkeit zu gewinnen, doch für den Betrachter am Rande scheint es so zu sein, als ob er damit noch ziemlich am Anfang stünde. Seine Schritte sind von Mühsal beladen. Schweinsteiger betont dennoch die Besserung: "Ich habe das erste Mal Läufe mit Kurven gemacht", informierte er die Öffentlichkeit am Dienstag, "ich kann nicht in die Zukunft schauen, aber ich bin guter Dinge, dass es nicht allzu lange dauert". Letzteres bezieht sich aufs Training mit Ball, nicht auf die Teilnahme an Spielen.

Es dauert noch, bis die Bayern die großen Herausforderungen in der Champions League angehen, und noch mehr Zeit vergeht, bis der Bundestrainer Mitte Mai in Südtirol das erste WM-Camp eröffnen wird. Aber die unglückliche Krankengeschichte des Münchner Mittelfeldchefs zieht sich ebenfalls seit Monaten hin. Die Probleme wegen eines freien Gelenkkörpers im Sprunggelenk plagten Schweinsteiger bereits in der Vorsaison. Nach dem Eingriff im Sommer kehrte er zwar auf den Platz zurück und kam in 17 Pflichtspielen zum Einsatz, doch der Effekt war eher dürftig - er spielte deutlich unter seinem Niveau. Und weil sich keine Besserung einstellte, die Schmerzen unter Belastung (bzw. Gegner-Einwirkung) zunahmen, musste der Münchner im November ein weiteres Mal operiert werden.

Nun also das nächste Aufbautraining, während seine Mitspieler, von denen manche auch seine Konkurrenten sind, fröhlich Bälle jagen. Nervös macht ihn das angeblich nicht: "Ich bin auch schon ein paar Jahre hier dabei und weiß, welche Qualitäten ich habe, wenn ich gesund bin. Da hat man auch eine gewisse Ruhe in sich."

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