FC Bayern im DFB-Pokalfinale:Sind Sie zu nett, Herr Guardiola?

Bayern Muenchen v 1. FC Kaiserslautern - DFB Cup

Die Verteidiger Dante (Mitte) und Boateng lauschen den Anweisungen ihres Chefs: Macht Pep Guardiola den FC Bayern zur Kuscheloase?

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach dem teilweise holprigen Pokalerfolg gegen Kaiserslautern hält FC Bayerns Sportchef Matthias Sammer seine nächste einstudierte Ruck-Rede. Er verurteilt die Münchner "Kuscheloase" - und kritisiert sogar Trainer Pep Guardiola. Das Psychospiel zum Saisonfinale ist eröffnet.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Wie schnell Matthias Sammer doch noch ist. Er ist immerhin 46 Jahre alt und hat ein recht kaputtes Knie. Doch jetzt wollte er nur noch raus aus diesem Stadion. Er hatte genug erzählt. Sammer eilte fast im Stechschritt dem Ausgang entgegen, zog seinen Rollkoffer durch die Katakomben. Hinter ihm und seinem Trolley jagten Kameras und Mikrofone her, doch lästige Nachfragen wollte er keinesfalls beantworten. Dabei wäre das durchaus interessant gewesen.

Zum Beispiel, was er damit meinte, als der Sportchef des FC Bayern direkt nach dem 5:1 im Halbfinale des DFB-Pokals gegen den 1. FC Kaiserslautern ins erstbeste Mikrofon sagte: "Ich glaube, wir gehen zu positiv, zu nett, zu lieb, in so einer Kuscheloase, miteinander um." Oder: "Wir müssen ein Stück weit mehr brennen, Gier in den Augen haben und den Mut haben, die Dinge untereinander anzusprechen."

Es ist wahrlich nicht das erste Mal, dass Sammer nach einem Spiel mit einer einstudiert wirkenden Ruck-Rede die Spieler des FC Bayern an ihre Aufgabe erinnert. Nämlich zu gewinnen, Titel zu holen, sich nie und nimmer gehen zu lassen. Der Zeitpunkt war für ihn perfekt, denn Sammer ist ein Freund der antizyklischen Reaktion.

Das geht zum Beispiel so: Nach dem 0:3 gegen Borussia Dortmund verteidigt er die Spieler, sie seien keine Roboter, sie hätten auch Gefühle. Vier Tage später, nach einem erwartbaren 5:1 gegen den Zweitligisten Kaiserslautern, folgt die herbe Kritik. Es ist das psychologische Einmaleins der Leistungsoptimierer. Überraschend war aber, dass die Zuhörer diesmal eins und eins zusammenzählten - und bei einer Kritik am Trainer landeten.

Denn Sammer sagte auch, die Beteiligten hätten zuletzt sieben von acht möglichen Titeln geholt, jetzt müsse man sich aber die ehrliche Frage stellen, "ob wir noch zwei holen wollen". Er meint den Pokal im Finale am 17. Mai gegen Borussia Dortmund und die Champions League, die in der kommenden Woche mit dem Halbfinale gegen Real Madrid weitergeht. Um dann die letzten drei, vier Prozent zur optimalen Leistung wieder zu finden, so Sammer, "ist es in der Ansprache notwendig, einen etwas raueren Ton zu wählen und der fehlt ein bisschen". Es sei wichtig, dass die Spieler "mal in der Ansprache den Hinweis bekommen, dass das nicht reicht".

Ansprachen an die Spieler macht normalerweise der Trainer. Sind Sie zu nett, Herr Guardiola? Auch der Trainer flüchtete vor dem Minenfeld und reagierte nicht direkt auf Sammers Aussage. Er stimmte lediglich der Kritik an der Leistung zu. Im schwachen Spiel gegen Dortmund am vergangenen Samstag habe seine Mannschaft nicht gekämpft, sei nicht genug gelaufen.

"Wir haben nicht auf Topniveau gespielt. Aber das ist ein bisschen normal", ordnete Guardiola die Niederlage angesichts der längst gewonnenen Meisterschaft ein. Nun sei er aber glücklich, wie seine Spieler gegen Kaiserslautern gekämpft haben und er kündigte an, dass er mit den Spielern trainieren und sprechen werde, "für Braunschweig und Madrid". In welchem Ton er sprechen werde, das verriet er nicht.

Über Braunschweig nach Madrid

Braunschweig. Der Name des nächsten Gegners in der Bundesliga fiel oft am Mittwochabend in München. Der Tabellenletzte muss nun als Generalprobe für Real Madrid herhalten, als Sparringspartner für einen FC Bayern, der die Wettkampfhärte sucht. "Wir müssen das Braunschweig-Spiel nutzen, um uns an das Gutspielen wieder zu gewöhnen", formulierte es Thomas Müller. Arjen Robben kündigte an, dort mit viel Power und Leidenschaft auftreten zu wollen.

Die Vergewisserung der eigenen Stärke könnten die Münchner gut gebrauchen, denn im Hinblick auf Real Madrid war der Auftritt gegen Kaiserslautern keineswegs beruhigend. Noch vor einem Monat wäre der Turbo-Meister über diesen Gegner in den ersten 30 Minuten wie ein Tornado hinweggefegt, hätte alles mit sich gerissen und wenn der Gast Glück gehabt hätte, dann hätten es die Münchner mit einem leichten Lüftchen ausklingen lassen können. Seit dem Gewinn der Meisterschaft ist dieser Automatismus weg.

Die Münchner benötigten im Spiel gegen Kaiserlautern eine profane Ecke-Kopfball-Tor-Variante, um überhaupt in Führung zu gehen. Dazu einen Arjen Robben, der fast als einziger weiterhin auf Tornado-Niveau spielt und die ersten drei Treffer vorbereitete. Bastian Schweinsteiger (24.), Toni Kroos (32.) und Thomas Müller per Elfmeter (50.) vollendeten sein Werk, später trafen noch Mario Mandzukic (78.) und Mario Götze (90.). Simon Zoller ließ mit dem 1:3 (60.) Kaiserslautern kurzfristig von der Sensation träumen.

"Es läuft nicht hundertprozentig", stellte Müller fest, "die grundsätzliche Sicherheit, die absolute Kontrolle ist nicht mehr vorhanden." Die Mannschaft bewegt sich nicht mehr so schlafwandlerisch sicher und perfekt verteilt über den Platz. Einige Profis sind augenscheinlich in ein heftiges Formtief gefallen.

Franck Ribéry ist seit seiner Ankunft in München 2007 noch nie so kraftlos gesehen worden wie an diesem Mittwochabend. Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm sind längst nicht mehr so präsent, Toni Kroos tut sich ohnehin schwer, eine Mannschaft aus einem Tief zu ziehen.

Und nun kommt der Sportchef und spricht im Fernsehen davon, dass alle zu lieb, zu brav seien. In einer Kuscheloase säßen. Die Ansprache an die Spieler zu sanft sei. Matthias Sammer hat das Psychospiel im Münchner Saisonfinale eröffnet.

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