FC Bayern im DFB-Pokal:Elfmeter oder nix

Munich's Thiago celebrates with goalkeeper Neuer after scoring the decisive penalty to defeat Bayer Leverkusen in their quarter-final German Cup (DFB-Pokal) soccer match in Leverkusen

Manuel Neuer und Thiago: Protagonisten im Elfmeterschießen

(Foto: REUTERS)
  • Manuel Neuer hält, Thiago trifft: Hauchdünn setzt sich der FC Bayern im Elfmeterschießen in Leverkusen durch.
  • Nach einem intensiven, nervenaufreibenden Abend darf Pep Guardiola weiter aufs Triple hoffen.
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Von Christof Kneer

Pep Guardiola ist ein modebewusster Mann, Bilder sind ihm wichtig, aber in diesem Moment dachte er nicht daran, wie das aussehen könnte. Er saß auf einem Holzstühlchen am Rasenrand, allein, er sah Thomas Müller schießen, Robert Lewandowski, Xabi Alonso und Mario Götze. Bei Götze hippelte Guardiola nervös, aber als Thiago zum letzten Elfmeter anlief, der lange verletzte Thiago, da wackelte Guardiola nicht. Thiago oder nix, hatte er mal gefordert, und als wäre es das Leichteste von der Welt, entschied dieser junge Spanier dieses Pokal-Viertelfinale in Leverkusen.

0:0 n.V., 3:5 i.E. - hinter diesen nackten Zahlen verbarg sich ein monumentaler Pokalabend, den die Bayern am Ende genauso verdient für sich entschieden, wie die Leverkusener ihn verdient für sich entschieden hätten. Vielleicht waren es die weichen Faktoren, die diese Partie in die eine und nicht in die andere Richtung kippen ließen: Vielleicht war es Bayerns legendäre mentale Stärke, die sich gegen das ebenso legendäre Vizetum der Leverkusener durchsetzte.

Und natürlich hatten die Bayern wieder ihren Welttorhüter dabei: Manuel Neuer parierte gleich den ersten Elfmeter von Josip Drmic. Das war's schon, die Bayern gewannen das Elfmeterschießen von vorn. Am Punkt zeigte kein Bayern-Profi Schwächen. Falls es ein Elfmeter-Lehrbuch gibt: Man könnte alle fünf drucken. "Nervenaufreibend war's", sagte Thomas Müller später trocken. "Ich weiß nicht, ob ohne Elfmeterschießen heute jemals einer ein Tor geschossen hätte."

Pep Guardiola kann also weiter an seinem großen Ziel arbeiten: das Triple zu gewinnen - im Halbfinale müssen die Bayern aber erst mal den Rivalen aus Dortmund besiegen; das ergab die Auslosung um Mitternacht. Der Sieg in Leverkusen gibt Guardiola nun erst mal mehr Ruhe, er muss ja ein bisschen leiden zurzeit. Er kann nicht den Fußball spielen lassen, der ihm in einer idealen und auch in einer normalen Welt vorschwebt. Im Moment ist Bayerns Welt aber eher unnormal, weil Arjen Robben, Franck Ribéry und David Alaba fehlen - und damit sämtliche Spieler, die für Tempo, Dynamik und Zweikämpfe stehen.

Und auch die Spieler, die für kurze, scharfe Pässe stehen, sind gerade erst wieder - halbwegs - fit geworden (Philipp Lahm, Thiago). Aus all diesen Gründen hat sich Guardiola entschieden, im Moment weniger wie Spanien, sondern eher wie Italien spielen zu lassen - der Plan der Bayern war, aus einer defensiven Organisation heraus die Partie erst mal zu kontrollieren und dann darauf zu vertrauen, dass die Mannschaft gut und schlau genug ist, jene Möglichkeiten zu nutzen, die sich bieten - wie zuletzt in Dortmund, beim 1:0-Erfolg.

"Wir sind nicht immer für die Optik zuständig", entschuldigte Sportchef Matthias Sammer die wenig inspirierte Anfangsphase, "wichtig war uns erst mal, kein Gegentor zu bekommen."

Dieser Plan ist nicht Bayerns Lieblingsplan, aber es ist einer, der gegen die Leverkusener der Vorrunde vermutlich gleich prima funktioniert hätte. Aber Leverkusen hat sich weiterentwickelt, es ist nicht mehr die naive Elf, die den Gegner mit lauten Hurra-Rufen weit vorne angreift und sich irgendwann wundert, wenn weiter hinten die Lücke klafft. Zwar attackierten die Gastgeber die Münchner früh, aber sie ließen sich auch immer wieder fallen und blieben in den hinteren Reihen aufmerksam. So prägten sie die Anfangsphase, sie spielten schnell und kamen immer wieder nahe, aber nie ganz nahe ans Münchner Tor.

Kung-Fu von Thiago

Die Münchner brauchten eine Weile, um sich an ihre angeborene Ballsicherheit zu erinnern. Sie bekamen die Partie dann auf ihre neue, defensive Art und Weise in den Griff; den Bayern gelang es, die Torchancen der überlegenen Leverkusener klein zu halten und auf die eine, große Offensivszene zu lauern. Nach Bernats Flanke kam Müller zum Schuss, aber Bayer-Torwart Leno hielt vorzüglich (40.).

Guardiola hatte da bereits einen Systemwechsel empfohlen, nach der Auswechslung des angeschlagenen Benatia (für ihn kam Rode) verteidigten die Bayern vorübergehend mit einer Viererkette, und sie schickten nun auch immer wieder längere Bälle auf die Reise, um Leverkusens Abwehr zu überspielen. Guardiola überzeugte mit hohem Lauf- und Fuchtelaufwand, den er vermutlich in der Kabine fortsetzte, denn nach der Pause zwangen die Bayern das Spiel immer mehr auf ihre Seite.

Sie setzten sich minutenlang in Leverkusens Hälfte fest, was der Attraktivität der Partie entgegenkam - Bayern zeigte nun seine Klasse und kam zu einem aberkannten Kopfballtor von Lewandowski (60.), der Toprak leicht schubste. Das Spiel hatte nun extrem sehenswerte Minuten wie etwa die 65.: Ein meisterhafter Leverkusener Konter über Brandt und Bellarabi brachte nur deshalb kein Tor, weil Manuel Neuer herausragend parierte. Im Gegenzug tat es ihm der Kollege Leno gleich, der sich von Lewandowski nicht überwinden ließ.

Je näher die Verlängerung rückte, desto mehr zeigte sich aber der beiderseitige Respekt: Aus Angst vor dem einen Fehler scheuten beide nun das allerletzte Risiko, aber es blieb ein körperbetontes, zuweilen hektisches Ringen auf hohem Niveau. Guardiola warf nun auch Thiago ins Gefecht, der sich gleich mit einem Kung-Fu-Tritt gegen Kießling einführte, der ihm statt der roten eine gelbe Karte einbrachte. Kurz darauf stand Thiago dann daneben, als Rafinha mit letzter Kraft ein Tor gegen den einschussbereiten Brandt verhinderte.

Es war ein intensiver Wiedereinstieg für den lange verletzten Spanier, jeder Zweikampf war ein Abenteuer, aber keiner kämpfte so leidenschaftlich wie Guardiola, der vor Beginn der Verlängerung eine flammende Predigt hielt. In der ersten Hälfte der Extra-Zeit neutralisierten sich die abgekämpften Rivalen, und Leverkusens Trainer Schmidt griff zu einer subtilen Drohung: Er wechselte Hakan Calhanoglu ein, der bekannt ist für seine Elfmeter-Künste. Bayerns Bernat hätte das Elfmeterschießen fast noch verhindert, aber auch seinen Schuss hielt der Neuer-gleiche Bernd Leno (114.), dessen Paraden den Untertitel trugen: Soll nur keiner glauben, dass die Bayern im Elfmeterschießen wegen Neuer einen Vorteil haben. . . Ich bin auch noch da!

Bernd Leno hat dann auch wirklich keine schlechte Figur gemacht im Elfmeterschießen, er war oft nah dran. Aber der andere war einfach noch besser.

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