Süddeutsche Zeitung

FC Bayern: Holger Badstuber:Festtage für das Jugendhaus

Holger Badstuber hat sich in den Millionenkader des FC Bayern als Verteidiger eingereiht - und beweist, dass der Nachwuchs unter van Gaal Verantwortung übernehmen darf.

A. Burkert

Neulich nach dem Derby gegen Nürnberg ist Holger Badstuber eine Stunde nach dem Spiel heimgefahren, er verließ die Münchner Arena nicht im Stechschritt mit einer konspirativen Sonnenbrille auf der Nase und Gucci-Täschchen unterm Arm. Sondern mit einem jugendlichen Lachen im Gesicht und im Trainingsanzug des FC Bayern. So weit das zu sehen war, hat niemand der vielen Passanten nach einem Autogramm gefragt oder ihm wenigstens aufgeregt hinterhergeschaut. Die Kundschaft beachtete ihn einfach nicht. Sie hielt ihn womöglich für einen Balljungen.

Dabei ist Badstuber seit Saisonbeginn Stammspieler beim FC Bayern. Bei den Profis der Bayern, die an diesem Mittwoch Juventus Turin erwarten. Der Innenverteidiger stand in sämtlichen Pflichtspielen 90 Minuten auf dem Platz, nur nicht im Pokal, wo Trainer Louis van Gaal Reservisten testete. Spielt er auch gegen Juve? Badstuber schaut aus seinen jungen Augen und wirkt überrascht über die Frage. Er sagt: "Ich gehe davon aus."

Aufstieg keine Überraschung

Ein gewisser Badstuber, 20, darf demnach davon ausgehen, gegen Juve bei seinem bislang größten Spiel mitzumachen. Auch im Stadtteil Harlaching, im Jugendhaus des FC Bayern, werden sie dann sicher noch einmal staunen über den Allgäuer aus Rot, mit dem nun wirklich niemand gerechnet hat - außer ihnen selbst. Erstaunt über den Aufstieg? "Nein", sagt Hermann Gerland, "wir haben ihn doch hier bei uns gehabt!"

Es wird zu Recht immer viel an die gewaltige Etatkraft des FC Bayern erinnert, 60 Millionen haben sie diesen Sommer allein für Mario Gomez und Arjen Robben bezahlt. Nur an Ablöse. Aber diese Saison sind auch wieder jene Werte in den Fokus gerückt, welche die Nachwuchsabteilung produziert, aus der van Gaals Assistent Gerland stammt. Wenn am Mittwoch die Teams Aufstellung nehmen, blickt Gerland, 55, von der Bank stolz in vielleicht vier Gesichter, die "von uns kommen": Schweinsteiger, Lahm, Müller, der zweite Aufsteiger, und eben Badstuber. "Das ist wunderbar für uns", sagt der Ausbilder Gerland.

Sollte Badstuber auch gegen Juve einlaufen, bekommt der kantige Westfale vielleicht sogar glasige Augen. Denn mit dem Innenverteidiger verbindet ihn eine Geschichte, "die ich immer noch so unglaublich finde!" Gerland kann viele unglaubliche Geschichten erzählen, aber keine rührt ihn wohl so wie die Badstubers. Denn ihn hat er schon als Baby auf dem Arm gehabt: Mit der Familie sind die Gerlands eng befreundet, seitdem er und Hermann Badstuber gemeinsam den Fußballlehrer-Schein machten.

Herausragender Stammspieler

"Wenn dein Junge gut ist, bringst du ihn zu mir", hat Gerland später geflachst, und Badstuber senior entgegnete stets: "Er kommt zu dir, wirst du sehen!" Der Junior kam 2002 wirklich nach München, bis zur Mittleren Reife fuhr ihn die Mutter viermal die Woche hierher. 140 km hin, 140 km zurück. Und im Februar 2009 sind Gerland und sein Freund dann bei Manager Uli Hoeneß gewesen - Badstuber junior, als A-Jugendlicher herausragender Stammspieler in der Drittliga-Reserve, erhielt einen Profivertrag beim Lieblingsverein seines Vaters, bis 2011.

Auf dem Rückweg von der Säbener Straße verspürte Hermann Badstuber allerdings plötzlich Schmerzen. Am 21. März starb er an Krebs. "Hermann hat ihn nie oben spielen sehen", sagt Gerland. "Er wäre sicher wahnsinnig stolz."

Stolz sind derzeit alle beim FC Bayern auf ihre Talente, obwohl niemand weiß, ob dieser Mut van Gaals dorthin führt, wo der Verein hin möchte. Manager Hoeneß hat in der Vergangenheit, wenn beim HSV das Münchner Eigengewächs Trochowski glänzte, Lahm als Leihspieler in Stuttgart oder Misimovic in Wolfsburg, stets argumentiert, beim FCBayern sei "Jugend forscht" aus Zeitgründen "leider nicht möglich, weil wir halt doch schnellen Erfolg benötigen". Van Gaal indes reklamiert nicht nur Zeit für seinen Weg, den er als "Prozess" bezeichnet. Sondern auch die Badstubers. Er sagt: "Für mich gibt es nicht jung oder alt, sondern nur gute und schlechte Spieler."

"Er wird ein internationaler Spieler"

Im Münchner Jugendhaus halten sie inzwischen alle viel von Badstuber, der jetzt mit seiner Schwester in München wohnt. "Wie Thomas Müller wird er ein internationaler Spieler", glaubt Gerland. Unter ihm spielte Badstuber bei den Amateuren auf der Sechser-Position, "weil wir hier moderne Verteidiger wollen, die das Spiel aufbauen können", sagt Gerland. Ein präzises Passspiel, Kopfballstärke und Cleverness werden ihm nachgesagt, was sich offenbar herumsprach: Mit 18 lagen Badstuber 17 Angebote aus der ersten und zweiten Liga vor. Doch nach Mats Hummels (Dortmund) wollten die Bayern nicht das nächste Verteidigertalent ziehen lassen.

Gerland ist glücklich über die Politik des Chefs van Gaal, er sagt: "Es gab hier schon Trainer, bei denen hätten er oder Müller keine einzige Sekunde gespielt."

Und so ist das Duell mit Juve nicht nur "ein Festtag" für das Jugendhaus, wie Gerland schwärmt ("aber nur wenn das Ergebnis stimmt"). Sondern auch eine Bewährung für den Jugendtrend der Bayern, die noch ihren Weg suchen. Es wird auch für ihn Rückschläge geben, das weiß Badstuber, und der Argentinier Martin Demichelis, den er wohl bisher vertrat, ist ja auch wieder im Training. "Mag sein", entgegnet er, "aber ich konzentriere mich jetzt nur auf mein Spiel".

Und, nervös vor dem großen Spiel, das ja jenen Druck erzeugen muss, von dem in München alle sprechen? Badstuber lächelt, "nee", sagt er, "das muss ein Spieler aushalten, wenn er im Profigeschäft ein Großer sein will".

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SZ vom 30.09.2009/dop
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