Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in Hoffenheim:Der Ball will nicht rein

Der FC Bayern kommt trotz bester Chancen und insgesamt drei Abseitstoren nur zu einem 1:1 bei der TSG Hoffenheim. Den Münchnern fehlt die Effizienz - Trainer Nagelsmann hadert.

Von Felix Haselsteiner, Sinsheim

Die Küchenpsychologie, mit der die TSG Hoffenheim versuchte, den FC Bayern vor dem Anpfiff ein wenig zu verunsichern, hatte durchaus ihren Charme. Die Stadionregie etwa betonte mehrfach, dass die Münchner einst - am 1. Oktober 2019, um genau zu sein - ein Spiel in der Champions League bei Tottenham Hotspur mit 7:2 gewonnen hatten, nur um in der darauffolgenden Bundesliga-Partie vier Tage später 1:2 gegen Hoffenheim zu verlieren, eine historische Parallele, die sich aus dem Kontext erschließen sollte. Am vergangenen Dienstag hatten die Münchner schließlich ein sogenanntes "Statement" (ein Zitat des TSG-Trainers Sebastian Hoeneß) abgegeben, mit dem 7:1 gegen RB Salzburg. Und die Parallele hielt insofern stand, als dass die Bayern wie schon 2019 nicht gewinnen konnten, sondern mit einem 1:1 den Rückweg nach München antraten.

Wie schon unter der Woche in der Champions League begann Trainer Julian Nagelsmann mit der offensivsten Aufstellung, die mit dem aktuellen Kader möglich ist. Serge Gnabry, Leroy Sané, Thomas Müller, Kingsley Coman und Robert Lewandowski spielten von Beginn an, weshalb Jamal Musiala erneut auf die Doppelsechs neben Joshua Kimmich rückte - vor eine Dreierkette.

Die TSG beließ es unterdessen nicht bei der verstärkten Aufmerksamkeit für historische Scheinauffälligkeiten, sondern versuchte es auch noch mit dem Trick, die Verlängerung mit Andrej Kramaric wenige Sekunden vor Anpfiff zu verkünden. Der Stürmer bekam sogleich Glückwünsche in Form eines Handschlags von Manuel Neuer und Thomas Müller. Blumen immerhin wurden keine überreicht, dafür durfte Kramaric in der fünften Minute die erste Torchance des Spiels haben: Georgino Rutter spielte ihn im Strafraum gut frei, der Kroate ließ sich allerdings bei seinen beiden Abschlüssen zu viel Zeit, Manuel Neuer parierte aus kurzer Distanz stark.

"Es ist in der ersten Halbzeit zu dem Spiel geworden, das wir haben wollten", sagt Hoffenheims Trainer Hoeneß

Die Münchner kamen vier Minuten nach der TSG zu ihrer ersten guten Gelegenheit: Auf einen Doppelpass zwischen Coman und Lewandowski folgte eine Flanke, die Gnabry per Direktabnahme aufs Hoffenheimer Tor brachte. Oliver Baumann hielt genauso stark wie drei Minuten später bei einem von Kevin Vogt abgefälschten Ball und in der 16. Minute bei einem Abschluss von Müller aus kurzer Distanz. "Die ersten 20 Minuten war ich sehr zufrieden", sagte Julian Nagelsmann nach dem Spiel, mit einer Einschränkung: "Da müssen wir in Führung gehen."

Auch wenn den Bayern die besseren Chancen gehörten, nahm Hoffenheim gut am Spiel teil: Angelo Stiller, einst in der Jugend des FC Bayern ausgebildet, hätte beinahe sehenswert aus der Distanz getroffen (26.), Rutters Schuss kurz darauf war zu schwach. Gerade über gute Balleroberungen im Mittelfeld kam die TSG zu offensiven Szenen - und in der 32. Minute zur Führung: Kimmich verlor links offensiv im Mittelfeld den Ball und fehlte daher hinten, was Vogt ausnutzte und einen Vorstoß wagte. Über Kramaric kam der Ball zum wieder einmal aufgerückten David Raum, der mit einer Flanke Christoph Baumgartner am langen Pfosten bediente. Vom Innenpfosten ging dessen Abschluss ins Tor. "Es ist in der ersten Halbzeit zu dem Spiel geworden, das wir haben wollten", sagte Hoeneß.

Die Münchner brauchten allerdings nicht lange, um sich mit dem Rückstand abzufinden und zu antworten. In der 42. Minute traf Thomas Müller zum zweiten Mal aus Abseitsposition ins Tor (15 Minuten zuvor hatte bereits der vermeintliche Führungstreffer nicht gezählt), dann allerdings taten die Bayern etwas, was sie lang nicht getan hatten: Sie erzielten ein Tor nach einer Ecke. In der dritten Minute der Nachspielzeit legte Kimmich für Lewandowski in der Mitte auf, der sich mit einem kleinen Schubser Freiraum verschafft hatte. Die Hoffenheimer Hinweise darauf, dass das Tor in der dritten Minute der Nachspielzeit erzielt wurde, obwohl vorher nur eine Minute angezeigt worden war, verhallten.

Wenn der BVB seine Spiele gewinnt, könnte er bis auf vier Punkte an die Bayern heranrücken

Die zweite Spielhälfte eröffnete der FC Bayern erneut mit einem Abseitstreffer, dem dritten an diesem Tag: Lewandowski fälschte einen Coman-Schuss noch ab, sodass er nicht zählte. Es war der Auftakt zu einer hoch unterhaltsamen zweiten Halbzeit, in der die Münchner alleine durch Sanés Chancen in der 49. und 55. Minute in Führung hätten gehen können. Doch Sané vergab seine Gelegenheiten genauso wie Gnabry in der 68. Minute, als er nach einem Fehler von Raum alleine auf Baumann zulaufen konnte und Musiala kurz darauf, der einen Abspielfehler des TSG-Torwarts nicht nutzen konnte. Müller - diesmal nicht im Abseits - kam in der 73. Minute einmal mehr an Baumann vorbei, diesmal verhinderte Stefan Posch auf der Linie die Führung. "In den 20 Minuten nach der Pause müssen wir das Spiel entscheiden", sagte Nagelsmann: "Hoffenheim hätte die Chancen nicht gehabt, wenn wir vorher zwei, drei Tore machen."

Die Chancen, die Nagelsmann ansprach, hätten das Spiel allerdings auch noch zu Gunsten der Hoffenheimer entscheiden können. Gegen Bayerns offensive Aufstellung entstanden die TSG-Gelegenheiten immer wieder nach dem selben Muster: Ballgewinn in der eigenen Hälfte, Verlagerung auf die Flügel, scharfe oder hohe Hereingabe. Kramaric hätte so in der 58. und der 79. Minute, als er zweimal frei vor Neuer auftauchte, fast schon treffen müssen, der eingewechselte Jakob Brunn Larsen hatte in der 90. Minute auch noch einmal die Gelegenheit zum Siegtreffer per Kopf, Neuer war jedoch zur Stelle.

"Ich finde, es war ein sehr interessantes Fußballspiel für Zuschauer und Journalisten", lautete Nagelsmanns Fazit hinterher, was im Umkehrschluss hieß, dass es für ihn als Trainer schon angenehmere Spiele gegeben hatte als dieses 1:1 in Sinsheim, mit dem der FC Bayern trotz spielerischer Überlegenheit im Ergebnis nicht das gewünschte nächste, eindeutige Statement setzte. Da der BVB noch zwei Spiele zu spielen hat, könnte der Konkurrent im doppelten Erfolgsfall nun wieder bis auf vier Punkte an die Münchner heranrücken.

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