FC Bayern:Hoeneß erwägt sehr teure Maßnahmen

Meisterfeier FC Bayern

Uli Hoeneß ist sich sicher: Den Kader der Bayern kann man nur mit "Granaten" verstärken.

(Foto: dpa)
  • Auf den Verlust von Philipp Lahm und Xabi Alonso wird der FC Bayern mit teureren Maßnahmen reagieren als erwartet.
  • Favorisiert wurden zuletzt Alexis Sánchez und Leon Goretzka, für die ein 100-Milionen-Euro-Paket geschnürt werden könnte.
  • Für Philipp Lahm wird ein Schreibtisch an der Säbener Straße frei gehalten.

Von Klaus Hoeltzenbein

Da war es dann doch, dieses letzte Mal. Ein letztes Mal die rechte Außenlinie entlangwetzen. Ein letztes Mal dieser Dialog von Philipp Lahm mit dem Ball und Arjen Robben. Eine letzte Demonstration des bis zum Samstag wohl bekanntesten Bauerntricks des Weltfußballs.

So ein Bauerntrick glänzt durch seine vermeintliche Einfachheit. Jeder Gegner weiß ja, was kommt, was auf ihn zurollt - und trotzdem steht er blöd da wie ein Poller in tosender Brandung. Dieser Trick war maßgeblich dafür, dass Lahm am Samstag als Champions-League-Gewinner, achtmaliger deutscher Meister und sechsmaliger DFB-Pokalsieger verabschiedet werden konnte. Weltmeister wurde er auch, 2014 in Rio de Janeiro - sogar ohne diesen Trick und ohne Arjen Robben, den Niederländer.

Dem FC Bayern fehlt plötzlich so einiges

Aber beim FC Bayern hat er meist zuverlässig funktioniert, letztmals in Spielminute 73, beim Tor zur 2:0-Führung im Bundesliga-Finale gegen den SC Freiburg. Den Treffer erzielte Arturo Vidal, aber das ist ja gerade der Trick: dass niemand weiß, wer am Ende abschließt. Lahm und Robben eröffneten am rechten Flügel genau diese verschiedenen Optionen. Wobei Lahm die leichtere Rolle hatte. Schob den Ball immer gleich zu Robben, lief sich in dessen Rücken frei, und Robben entschied dann ziemlich souverän, ob er zurückspielte oder selbst den Torschuss (häufiger) respektive den besser postierten Mann (seltener) suchte. Des Gegners Abwehr jedenfalls stand kollektiv auf dem falschen Fuß.

Das ist vorbei. Dieser Trick funktioniert ohne den auch im Alter von 33 höchst emsigen Lahm nicht mehr. Und dem FC Bayern fehlt plötzlich so einiges, denn auch der schlaue Spanier Xabi Alonso, 35, der gegen Freiburg hellwache Reservetorwart Tom Starke, 36, sowie Klub-Ikone und Assistenzcoach Hermann "Der Tiger" Gerland, 62, wurden am Samstag aus dem Kreis der ersten Mannschaft verabschiedet.

Noch in der Partynacht aber hat Uli Hoeneß überraschend wortmächtig "eine Richtungsentscheidung" angekündigt. Dürfte bedeuten, dass der FC Bayern auf die Verluste von Personal und Bauerntrick mit teureren Maßnahmen reagieren wird als erwartet: "Wir haben einen Kader, wenn man den verstärken will, muss man Granaten kaufen", sagte Hoeneß am Münchner Rathausbalkon ins BR-Mikrofon: "Das Problem ist, dass wir uns auf einem Markt bewegen, auf dem über Summen diskutiert und Summen bezahlt werden, die wir nicht für möglich gehalten haben."

Da in einem spekulativen Kapitalmarkt Spekulationen erlaubt sein müssen, bietet sich laut letzter Nachrichtenlage gerade die folgende Kombinationskette an: Bayern sucht einen Backup-Stürmer für Robert Lewandowski sowie, nach dem Verlust von Lahm/Alonso, neue zentrale Autorität; favorisiert wurden zuletzt der pfeilschnelle Chilene Alexis Sánchez vom FC Arsenal sowie der Schalker Mittelfeld-Aufsteiger Leon Goretzka; beide haben noch je ein Jahr Vertrag; um beide rauszukaufen, könnte der FCB ein 100-Millionen-Euro-Paket schnüren; fallen könnte somit der klubinterne Transfer-Rekord, der 2012 beim 40-Millionen-Einkauf von Javi Martínez aufgestellt wurde.

"Werden uns sicher mal am Tegernsee zusammensetzen"

Spekulationen und Rechenspiele, mit denen Philipp Lahm (vorerst) nichts mehr zu tun haben wird. Für ihn haben die ganz großen Ferien begonnen. Auf dem Rathausbalkon, auf dem ihm die Feuchtigkeit in die Augenwinkel trat, stimmte die Mannschaft für ihn mit den Vorsängern Thomas Müller und David Alaba den Oktoberfest-Zelträumer "Weus'd a Herz host wia a Bergwerk" des Austro-Barden Rainhard Fendrich an.

Lahm gilt als alpennah sozialisiert, viel weiter als bis an den heimischen Tegernsee wird es nicht gehen, Ehefrau Claudia erwartet das zweite Kind, so dass der neue Tagesplan zu stehen scheint: "Jetzt habe ich vormittags frei, und nachmittags kann ich mich um die Familie kümmern. Das ist doch auch was Schönes."

Dieses einschränkende "doch auch" könnte doch auch zum Problem werden. Dies zumindest glaubt Karl-Heinz Rummenigge, der den Rhythmus der Frührentnerei von jungen Fußball-Legenden so erlebt hat: "Die ersten drei Monate sind super", referierte der Bayern-Vorstand in der Münchner Feiernacht, jedoch: "Nach sechs Monaten wird's langweilig, und nach acht Monaten überlegt man sich, was man tun kann." Rummenigge ist sich sicher: "So wird es auch bei ihm kommen."

Nicht nur diese Botschaft deutete darauf hin, dass die Beziehung zwischen Lahm und dem FC Bayern mit der Übergabe einigen Rentner-Rüstzeugs vor Anpfiff (Golfsack, rot-weiße Blumen) und diesem 4:1 gegen den SC Freiburg längst nicht beendet wurde. Im Gegenteil: Sogar Uli Hoeneß erklärt nun bereits, dass es demnächst zum neuen Dialog, von Seeufer zu Seeufer, kommen könne: "Wir werden uns sicher mal am Tegernsee zusammensetzen und ein gutes Gespräch führen."

Ein Schreibtisch bleibt frei

Dabei dürfte versucht werden, unter anderem die auf Lahms Abschieds-Interview-Tournee bundesweit gestreute Aussage wieder einzufangen, Aufsichtsratschef und Präsident Hoeneß, 65, sei noch "zu tatkräftig" und "zu jung", um die Macht im Klub zu teilen. Die Wettquoten bei den Buchmachern, dass es beide niemals wieder zusammenbringen könnte, sind jedenfalls an diesem Wochenende stark gefallen. Auch unter dem Eindruck, mit welch emotionaler Wucht die Fans dem scheidenden Kapitän auf großflächigen Bannern ("Vom Kind unserer Stadt zur Legende unseres Vereins") ihr Servus übermittelten.

Lahm hatte sich nie danach gedrängt, seine Autorität mit anbiedernder Geste über die Stimme des Volkes abzusichern. Ganz am Ende, als sich das Stadion am Samstag fast geleert hatte, ging er noch einmal hinüber in die Südkurve, dorthin, wo die Hardcore-Bayern stehen, ließ Sohn Julian von der Hand, klopfte sich zweimal kurz mit der Faust auf das Bayern-Emblem am Trikot, drehte ab und ging. Populisten führen einen anderen Wahlkampf.

Er weiß ja, dass ein Schreibtisch an der Säbener Straße frei gehalten bleibt - ob für ihn als Sportchef, Sportvorstand oder Chefsportvorstand bedarf der Definition. Für die weitere Reservierung sorgt schon Rummenigge, für den Lahm als Profi des Vertrauens galt. Die Tür zum FC Bayern stehe immer offen, hieß es stets, dass Philipp Lahm irgendwann im Businessanzug wieder hindurchgehen dürfte, ist wahrscheinlich. Wann, das bedarf der Tegernseer Runde - Lahm gilt als prinzipientreu, Hoeneß als stur. Es werden spannende Gespräche; ein Leak dieser Protokolle wäre sicher von ganz besonderem Unterhaltungswert.

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