FC Bayern und Juan Bernat:Der einzige Gewinner der Pressekonferenz-Karikatur

  • Das schaffen nicht so viele Spieler: bei Bayern Karriere zu machen, wenn sie schon weg sind.
  • Juan Bernat ist inzwischen so etwas wie der einzige Gewinner dieser Pressekonferenz-Karikatur des FC Bayern geworden.
  • Dabei geht es um viele Kollateralschäden, die seine frei gebliebene Kaderplanstelle auslöst.

Von Christof Kneer

Am 21. April 2015 hat Juan Bernat sein bestes Spiel für den FC Bayern gemacht. Das ging in der Nachbetrachtung damals etwas unter, weil Philipp Lahm, Robert Lewandowski oder Thiago im Champions-League-Rückspiel gegen den FC Porto noch besser spielten. Bernat war von Trainer Pep Guardiola als Linksaußen aufgestellt worden, von wo er ebenso kesse Flanken schlug wie von der anderen Seite Philipp Lahm, der Rechtsaußen spielte. Auch in München war der Trainer Guardiola ja berühmt und berüchtigt für die 17 Optionen, die er pro Spiel in seinem Kopf hatte, wobei er manchmal eben auch die 18. (und falsche) Option erwischte. An diesem Abend im April 2015 hatte er aber fast keine Wahl mehr: Die Münchner mussten ein 1:3 aus dem Hinspiel aufholen, und zu allem Überfluss fehlten auch noch Franck Ribéry, Arjen Robben und David Alaba verletzt. Keiner war mehr übrig, der sich ums Flügelspiel kümmern konnte, also verwandelte Guardiola seine Außenverteidiger für einen Abend in Außenstürmer.

Juan Bernat leitete nach 14 Minuten mit scharfer Flanke das 1:0 ein, am Ende gewannen die Bayern 6:1. Und Bernats tadellose Leistung ging auch deshalb etwas unter, weil die Münchner in dieser Zeit der sogenannte Ärztestreit, Teil I beschäftigte.

Bernat, 25, war noch nicht mal eine besonders große Meldung wert, als er in diesem Sommer den FC Bayern verließ. Er hatte wenig gespielt in der vergangenen Saison, immer wieder war er verletzt, was allerdings keinen Ärztestreit auslöste. Die Bayern wirkten schon länger nicht mehr, als würden sie noch größeren Wert auf diesen Spieler legen, und seit dieser Pressekonferenz, die man nicht mehr vergessen wird, weiß man jetzt auch, wann genau die Bayern vom Glauben abgefallen sind.

Wegen Bernat muss Rummenigge den Präsidenten Hoeneß nun öffentlich tadeln

"Als wir in Sevilla gespielt haben, war Juan Bernat fast allein dafür verantwortlich, dass wir aus der Champions League beinahe ausgeschieden sind", hat Hoeneß am vorigen Freitag gelästert, "und da wurde entschieden, dass er verkauft wird." Und für all die Begriffsstutzigen, von denen sich dieser Verein umstellt sieht, hat Hoeneß sicherheitshalber noch angefügt, Bernat habe damals "einen Scheißdreck" gespielt.

An diesem Montag nun, als der FC Bayern zum Champions-League-Vorrundenspiel nach Athen aufbrach, sagte der Klubchef Karl-Heinz Rummenigge in der Abflughalle des Münchner Flughafens: "Ich glaube, der Uli weiß, dass er zumindest mit dem einen Wort nicht sehr glücklich gelegen ist." Und mit dem einen Wort meinte der Klubchef vermutlich nicht "Sevilla".

Das schaffen auch nicht so viele Spieler: beim FC Bayern Karriere zu machen, wenn sie schon weg sind. Bernat ist inzwischen so etwas wie der einzige Gewinner dieser Pressekonferenz-Karikatur. Man müsse aufhören, Bernat "zu verherrlichen", hatte Hoeneß auf dem Podium gezischt, zur Verwunderung von zirka 100 Prozent aller anwesenden Reporter. Auch die Reporter waren bis dahin ja davon ausgegangen, dass Bernat den Klub verlassen hatte, und die Wucht dieses plötzlichen Comebacks lässt nun mindestens so tief in diesen Verein hinein blicken wie das restliche absurde Theater vom vorigen Freitag. Der Pressekonferenz war eine mediale Mini-Bernat-Debatte vorausgegangen, aber die hat offenbar ausgereicht, um einen wunden Nerv des Klubs zu treffen. Der eher nachrangige Bernat ist nun tatsächlich dafür verantwortlich, dass Rummenigge Hoeneß tadelt.

Rafinha hat sich gleich mal verletzt

Zum Verständnis ist es wichtig zu wissen, dass es in der Mini-Bernat-Debatte im Grunde gar nicht um Bernat geht. Zumindest geht es nicht konkret um diesen wendigen und sehr verlässlichen Fußballspieler, es geht um Größeres: um die Architektur dieses Kaders, den die hohen Herren ihrem Trainer Niko Kovac da hingestellt haben. Bernats Name steht stellvertretend für ein Planungs-Versäumnis, das sich als zentral herausstellen könnte: Die Münchner haben Bernat radikal auf den Markt hinaus geredet, sie wollten ihn unbedingt loswerden, und sie haben ihn dann für eine offenbar geringe Gebühr zu Paris Saint-Germain verkauft; gleichzeitig haben sie die alte Schulweisheit vergessen, wonach ein Kader auf allen Positionen doppelt besetzt sein sollte. Für die Außenverteidigung haben die Bayern nach Bernats Abschied nur noch Joshua Kimmich (rechts) sowie David Alaba (links) - sowie den guten, alten Rafinha als Einspringer für beide Flanken.

Kimmich und Alaba dürfen kaum mehr pausieren

Natürlich hat sich Rafinha gleich verletzt zu Beginn der Saison, auch David Alaba war eine Weile vom Sport befreit, sein Einsatz ist auch jetzt fürs Athen-Spiel gefährdet. So haben die Zuschauer zuletzt ein paar Grenzerfahrungen machen dürfen: Einmal sahen sie den Stürmer Serge Gnabry in einer Außenverteidiger-artigen Rolle rumturnen, ein anderes Mal trafen sie den Mittelfeldspieler Leon Goretzka links hinten an.

Goretzka fremdelte erwartungsgemäß und wurde zur Pause erlöst. Nein, es geht nicht um den Spieler Bernat, es geht um die vielen, kleinen Kollateralschäden, die seine frei gebliebene Kaderplanstelle auslöst. Dem Zugang Goretzka wird durch nicht artgerechte Haltung die Ankunft in München erschwert, Alaba und der überspielt wirkende Kimmich dürfen weder pausieren noch sich verletzen, und sowieso kann der anspruchsvolle Kimmich nun auf gar keinen Fall ins zentrale Mittelfeld umziehen wie in der Nationalelf. Und auch Franck Ribéry und Arjen Robben dürften es als unterlassene Hilfeleistung begreifen, wenn die jahrelang heilige Flügelzange nicht mehr richtig zuschnappt, weil die Verteidiger hinter ihnen mit jedem Einsatzmeter müder werden.

Das ist ja überhaupt die große Saisonfrage, und aufgrund der Altersstruktur im Kader klingt sie etwas bedrohlicher als sonst: Wie kommen Robben, Ribéry und die anderen durch den Winter, und welche Körper haben sie, wenn im April die entscheidenden Spiele anstehen? Kann der dann 18 Jahre alte kanadische Flügelspieler Alphonso Davies schon helfen, der im Winter kommt? Ist Rafinha im Bedarfsfall noch gut genug fürs Topniveau? Hat Kovac dann überhaupt genügend gesunde Topspieler für Guardiola-eske Rochaden?

In Paris sind sie übrigens sehr zufrieden mit Juan Bernat. Als der Trainer Tuchel erfuhr, dass Bernat zu haben sei, habe er, so hört man, "nicht eine Minute überlegt".

Zur SZ-Startseite
FC Bayern: Manuel Neuer und Robert Lewandowski

FC Bayern
:Zweieinhalb Tore fürs Betriebsklima

Mit einer starken Leistung demonstriert Robert Lewandowski, wie einfach Fußball sein kann: Geht es dem Stürmer gut, regeneriert sich der ganze FC Bayern. Aber was, wenn die richtigen Rivalen kommen?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: