Marko Pesic ist derzeit schwer zu erreichen. Kein Wunder, der Geschäftsführer der Basketballer hat viel zu tun, der Kader muss zusammengestellt werden, ein Sportdirektor gefunden, ein Trainer sowieso, es gilt also eine neue Saison für den Double-Sieger vorzubereiten. Genauer: die Saison. Der FC Bayern ist national das Maß der Dinge, nun soll im funkelnagelneuen SAP-Garden eine neue Ära eingeläutet werden: der Angriff auf die europäische Spitze. Das Grand Opening, der erste Auftritt in der 11 500 Zuschauer fassenden Arena, ist für den 3. Oktober angekündigt, es wird eine große Show geben, inklusive eines Überraschungskonzertes.
Es ist auch der erste Spieltag in der Euroleague, zu dem sich royaler Besuch angesagt hat: Gegner ist Real Madrid, kein anderes Team steht so beispielhaft für die enorme Qualität in der höchsten europäischen Liga so wie die Königlichen. 2023 gewann Real die Euroleague, im Mai gab es eine überraschende Finalniederlage gegen Panathinaikos Athen. Auch Serge Ibaka wird dabei sein, der NBA-Champion von 2019, einer der Spieler, die beispielhaft für die Entwicklung der Liga in den vergangenen Jahren stehen. Nur: Er wird nicht das Münchner Trikot tragen.
An Ibaka lässt sich die Malaise des FCB gut beschreiben: Sie hätten ihren Topspieler gerne gehalten, der Center erhielt „ein sehr gutes Angebot“, sagt Pesic. Ibaka selbst hatte außerdem betont, wie gut es ihm in München gefallen hat – trotzdem ist er weg. „Serge geht dahin, wo er sich wohlfühlt“, erklärt Pesic, dann kommt der entscheidende Zusatz: „Und wo er die Euroleague gewinnen kann.“ Geld spielt dabei nicht die entscheidende Rolle, Ibaka hat allein in der NBA 150 Millionen Dollar verdient. Was ihm fehlt? Die europäische Krone. In München wäre er die unumstrittene Nummer eins auf seiner Position, bei Real muss er sich hinter Walter Tavares und dem wohl aus der NBA zurückkehrenden Usman Garuba anstellen.
Isaac Bonga geht zu Partizan, das liegt nicht daran, dass der Klub sexy ist – er zahlt einfach besser
Die Münchner haben aber nicht nur ihren Vorzeige-Center verloren, sondern auch das hochtalentierte Spielmacher-Duo Leandro Bolmaro, 23, (zu Mailand), fort ist bald auch Sylvain Francisco, 26, der vorher nie Euroleague gespielt hat und nach Kaunas wechselt. Immerhin mussten beide (dank der Umsicht des scheidenden Sportdirektors Daniele Baiesi) aus ihren Verträgen herausgekauft werden – was eine siebenstellige Ablösesumme einbrachte. In Isaac Bonga hat der FC Bayern einen Weltmeister und Publikumsliebling verloren, der 24-Jährige spielt fortan für Partizan Belgrad – auch bei seinem Angebot ging Pesic an die Schmerzgrenze. Umsonst, was sicher nicht daran lag, dass Partizan besonders sexy ist – die Serben zahlen schlichtweg besser. Der Klub wird von Stadt und Staat unterstützt und baut sich einen Top-Kader zusammen, jüngst kam Frank Ntilikina von den Charlotte Hornets aus der NBA.
Das ist das Los der Bayern, da macht sich Pesic keine Illusionen: „Wir sind zwar kein Ausbildungsverein, aber unsere Spieler sind auf dem Markt gefragt.“ Es sei ja auch eine Art der Wertschätzung, „wie sich die Spieler bei uns entwickeln und wo sie hingehen“. Als Beispiel dient ihm Wade Baldwin, den schwer vermittelbaren Spielmacher wollte vor vier Jahren niemand haben, er galt als schwer trainierbar und undiszipliniert. In München blühte er auf und führte die Bayern fast in das Euroleague-Final-Four – das war vorher keinem deutschen Klub gelungen. Mittlerweile zählt Baldwin zu jenen Topakteuren, die ein Team sofort auf ein besseres Niveau befördern und für siebenstellige Gehälter von Spitzenklub zu Spitzenklub tingeln. Gerade ist der 28-Jährige von Maccabi Tel Aviv zu Fenerbahce Istanbul gewechselt, die Türken bauen an einem Kader, der die Euroleague endlich wieder gewinnen soll.
Jammern hilft nichts, sondern gut scouten und hungrige Spieler holen
Die Hoffnung, dass den europäischen Topvereinen angesichts der immensen Investitionen eines Tages die Luft ausgeht, hat sich als trügerisch erwiesen, die Spirale dreht sich weiter. Kein Grund zum Jammern, findet Pesic: „So ist der Markt, wir müssen mit unseren Möglichkeiten Lösungen finden.“ Sprich: gut scouten und hungrige Spieler holen, die etwas beweisen wollen. „Ich will nicht immer die Mannschaft von 2021 bemühen, aber deren Identität war es, zu kämpfen, zu riskieren, schnell zu spielen, etwas zu beweisen. Dieses Team hat funktioniert, davon habe ich vergangene Saison nicht so viel gesehen.“
Vielleicht gelingt das ja wieder, in Yam Madar haben die Bayern einen Spielmacher geholt, mit dem Prädikat Toptalent. Bei Fenerbahce konnte er sich nicht durchsetzen – der 23-jährige Israeli hat also etwas zu beweisen. Ähnliches gilt auch für Oscar da Silva, der vom FC Barcelona in seine Heimatstadt wechselte, oder Kevin Yebo von den Niners Chemnitz. In der Basketball-Bundesliga (BBL) wird der Double-Sieger die Referenzgröße bleiben: In Nick Weiler-Babb, der zusammen mit da Silva und den Weltmeistern Niels Giffey und Andreas Obst demnächst bei Olympia spielen wird, ist gerade auf den deutschen Positionen viel Klasse im Kader. Kapitän Vladimir Lucic und die Euroleague-erfahrenen Haudegen Elias Harris und Devin Booker darf man ebenfalls nicht vergessen. Auch Carsen Edwards, der wertvollste Spieler der Finalrunde wird wohl bleiben, und für die Trainerposition deutet sich ebenfalls die optimale Lösung an. Sowohl Weltmeistertrainer Gordon Herbert wie auch die Bayern haben ihr Interesse an einer Zusammenarbeit hinterlegt, eine Entscheidung werde demnächst fallen, ist zu hören. Seinen Vertrag beim japanischen Klub Chiba Jets hat Herbert jedenfalls aufgelöst.
Die Münchner werden erneut versuchen, den Spagat zwischen der Übermannschaft in der heimischen Liga – die BBL besitzt laut Pesic immer oberste Priorität – und dem angriffslustigen Verfolger in der Euroleague hinzubekommen. Eine Rolle, in der sich die FCB-Verantwortlichen nicht unwohl fühlen. Daran wird sich nichts ändern, solange die Konkurrenz weiter mit Geld um sich wirft. Das ist für Außenstehende bisweilen schwer zu verstehen, zumal sich die Münchner Fußballer gerade mit vielen Millionen Euros ein Team zusammenbauen, das die Champions League aufmischen soll. Aber während bei Barcelona oder dem Premieren-Gegner Madrid zweistellige Millionendefizite einfach in den riesigen Schuldenbergen der Fußballer verschwinden, muss die Basketball-GmbH des FCB weiter eigenständig wirtschaften. Es gibt viel zu tun.