Süddeutsche Zeitung

Hasan Salihamidzic:Die absolute Anerkennung fehlt ihm noch

Hasan Salihamidzic rückt beim FC Bayern zum Sportvorstand auf. Seine Bilanz als Sportdirektor war wechselhaft, doch der Sané-Transfer zeigt: Er baut das Team der Zukunft nach seinen Vorstellungen.

Von Benedikt Warmbrunn

Als Hasan Salihamidzic 1998 den damals ruhmreichen Hamburger SV verließ, um sich dem ähnlich ruhmreichen FC Bayern anzuschließen, war sich die Branche schnell einig, dass den damals 21-Jährigen das Schicksal des Ergänzungsspielers erwarte. In einem Mittelfeld mit Stefan Effenberg, Mario Basler und Mehmet Scholl? Keine Chance. Das war das voreilige Urteil. Salihamidzic aber spielte neun Jahre lang in München, er erzielte 30 Tore in 234 Spielen; oft traf er, weil er da stand, wo gerade jemand zu stehen hatte, zur Not auch mit dem Knie. Vor allem aber rannte er und rannte und rannte, egal, ob er hinten rechts spielte oder vorne links.

Als Salihamidzic 2017 Sportdirektor des FC Bayern wurde, da war sich die Branche schnell einig, dass er wenig zu melden haben werde. Sportdirektor im Verein von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge? Keine Chance. Das war damals das Urteil. Aber war es ebenfalls voreilig?

Von diesem Mittwoch an ist Salihamidzic, 43, bei den Bayern nicht mehr der Sportdirektor. Er ist jetzt der Sportvorstand. Er ist kein Untergeordneter mehr, er ist auf der obersten Entscheidungsebene angekommen - und zwar nach einem weiteren Dauerlauf. Auch als Manager ist Salihamidzic einer, der rennt und rennt und rennt, der umtriebig ist, der nie aufgibt. Einer, der mit Salihamidzic am Verhandlungstisch saß, sagt: "Die Eigenschaften, die ihn als Spieler ausgezeichnet haben, die bringt er auch heute alle noch."

Als Salihamidzic 2017 vorgestellt wurde, als Kompromisslösung zwischen Hoeneß und Rummenigge, nach einem Jahr der vergeblichen Suche, hatte er schnell sein Image weg. Er galt als Notlösung. Ob er sich aus dem Schatten seiner Förderer herausgearbeitet hat, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen, auch im Verein. Doch dass er nun Sportvorstand ist, das steht auch für seine Fähigkeiten im Dauerlauf als Sportdirektor.

Wechselhafte Bilanz als Sportdirektor

Intern soll Salihamidzic früh signalisiert haben, dass er irgendwann in die Vorstandsebene aufrücken will. Als sich 2019 die Planungen der Bayern mit Oliver Kahn konkretisierten, sagte Salihamidzic der Sport-Bild: "Ich werde keinen anderen Sportvorstand akzeptieren." Er habe zu Kahn zwar ein "wirklich gutes Verhältnis", er habe jedoch auch "eine klare Haltung zu meiner Aufgabe beim FC Bayern, zu meinen Kompetenzen, zu meiner Arbeit". Mit dieser Haltung konnte Salihamidzic sich durchsetzen - Kahn kam zunächst als einfaches Vorstandsmitglied. Dass Salihamidzic von 2022 an unter dem Vorstandsvorsitzenden Kahn arbeiten wird, damit können wohl beide gut umgehen. Salihamidzic, weil er seine Stärken nicht in den repräsentativen Aufgaben sieht. Kahn, weil er froh ist, dass er jemanden hat, der im Vorstand für die sportliche Expertise zuständig ist.

Was die Kernaufgaben eines Sportdirektors angeht, da fällt Salihamidzics Bilanz wechselhaft aus. Trainer Niko Kovac kam 2019 als Salihamidzics Freund, doch dieser konnte ihn nie stärken; irgendwann wollte er es wohl auch nicht mehr, nicht gegen die Vorbehalte von Rummenigge. Auch mit dem aktuellen Trainer Hansi Flick hat Salihamidzic nicht immer mit einer Stimme gesprochen, so forderte Flick im Januar öffentlich Zugänge, und Salihamidzic antwortete nicht weniger öffentlich, dass er "kein Freund medialer Kaderplanung" sei.

Inzwischen haben sich Flick und Salihamidzic dem Vernehmen nach in der Kaderplanung angenähert, auch wenn sie weiter unterschiedliche Wünsche haben. So war Leroy Sané nie Flicks Wunschspieler (der lieber Timo Werner wollte), seine anfängliche Skepsis soll sich etwas gelegt haben. Dass Salihamidzic sich, wie von der Bild am Dienstagabend vermeldet, nun den Flügelstürmer von Manchester City gesichert hat, spricht auch dafür, wie viel Gewicht sein Wort intern hat. Sané ist schließlich auch ein Zugang, der an Salihamidzics letztem Tag als Sportdirektor sein gesamte Transferbilanz deutlich stärkt.

Salihamidzic verfolgt bei Wechseln zwei Grundsätze: Die Neuen sollen jung sein. Und sie sollen auf mehreren Positionen spielen können. So wie Sané, 24, der links und rechts auf dem Flügel spielen kann. Funktioniert hat diese Strategie bereits bei Linksverteidiger Alphonso Davies und Rechtsverteidiger Benjamin Pavard, die beide bald Stammspieler wurden. Leon Goretzka ist flexibel in der Mitte, er gehört nun zum Kraftzentrum der Bayern, nicht alleine wegen seines tatsächlich beeindruckendes Bizeps. Salihamidzic hat sich zudem stark gemacht für Mickaël Cuisance, der mit 20 definitiv jung ist, und der zumindest an den letzten Liga-Spieltagen nachgewiesen hat, dass er gereift ist. Und als sich der bereits damals umworbene Sané im August 2019 das Kreuzband riss, reagierte Salihamidzic mit zwei Ausleihen: Ivan Perisic brachte die erhoffte Entlastung auf den Flügeln. Philippe Coutinho aber, versehen mit einem Kaufoptions-Preisschild von 120 Millionen Euro, blieb blass.

Der Transfer jedoch, der wie kein anderer als Salihamidzics Transfer gilt, war der von Lucas Hernández. Doch der Franzose war in seiner ersten Saison für ein faires Urteil zu lange verletzt - was zunächst nicht gut ist für einen Spieler, der für die Bundesliga-Rekordsumme von 80 Millionen Euro kam (sowie mit einem medizinisch bereits erfassten Knieproblem). Und dass Salihamidzic im Sommer 2019 Fiete Arp sowie im Winter den Spanier Álvaro Odriozola engagiert hat, das haben möglicherweise auch Arp und Odriozola selbst wieder vergessen.

Es ist eine Transferbilanz mit Höhen und Tiefen - aber spätestens mit Sané ist es auch eine Bilanz, die zeigt, wie Salihamidzic den FC Bayern der Zukunft nach seinen Vorstellungen baut. Dass ihm dennoch weiter die absolute Anerkennung fehlt, liegt auch an Zwischenrufen, die oft aus dem Verein selbst gekommen sind. Dass Rummenigge ihm zweimal auf einer Pressekonferenz das Wort entzogen hat. Dass Flick öffentlich Zugänge gefordert hat. Dass Manuel Neuer im April, mitten in den Verhandlungen über einen neuen Vertrag, darüber geklagt hat, dass Details nach außen gedrungen seien. All das waren Zwischentöne von innen, für die Salihamidzic nicht immer etwas konnte, die aber vor allem ihm zur Last fielen.

Besonders leidenschaftliche Fürsprecher von Salihamidzics Arbeit finden sich dagegen unter den Beratern, deren Spieler Salihamidzic holen wollte oder holen will. "Emotional und hartnäckig" sei er, sagt einer. "Sehr überzeugend", ein anderer. Es klingt so, als habe der neue Sportvorstand kein Problem damit, seine Stärken weiter im Schatten einzusetzen.

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SZ vom 01.07.2020/ska
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