Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Guardiola setzt sich selbst auf die Anklagebank

  • Nach dem Ausscheiden im Champions-League-Halbfinale gegen Atlético Madrid beteuert Pep Guardiola, alles gegeben zu haben.
  • Seine Mannschaft nimmt der Noch-Trainer des FC Bayern in Schutz, seinem Nachfolger wünscht er mehr Erfolg.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Im Moment des Scheiterns sah Pep Guardiola sehr schmal aus. Links von ihm stürmte die Entourage von Atlético Madrid auf den Platz, mit hochgerissenen Armen und verzerrten Gesichtern. Vor ihm fielen seine Spieler zu Boden und vergruben sich im Rasen. Inmitten all des Getöses ging Pep Guardiola in seinem dunklen Anzug und den braunen Schuhen ein paar Schritte, blieb stehen, ging wieder. Er wirkte verloren und suchte irgendetwas, um sich festzuhalten. Also drehte er sich um, fand wohl seine Familie auf der Tribüne und schickte zwei Kusshändchen zu den Liebsten.

Pep Guardiola, den viele derzeit als besten Fußballtrainer der Welt betrachten, hat es nicht geschafft. Drei Jahre lang wollte er mit dem FC Bayern München die Champions League gewinnen. Dreimal schied er im Halbfinale aus. Das 2:1 am Dienstagabend gegen Atlético Madrid reicht nicht nach dem 0:1 im Hinspiel. Ist die Mission damit gescheitert?

Guardiola wollte ganz großen Pokal holen

Es war die Frage, die er kommen sah wie eine rabenschwarze Wolke, die der Wind einem über den Kopf weht. Pep Guardiola ist eigentlich ein stolzer, selbstbewusster Mann. Doch dass er nur an diesem einen Titel gemessen werden sollte, den sein Vorgänger Jupp Heynckes eben gewonnen hatte, das hat ihn schon lange geärgert.

Es ist ein Grund, warum er München nun bald verlassen wird. Deutscher Meister am Samstag in Ingolstadt? Pokalsieger gegen Borussia Dortmund? Ja, mei. Guardiola, das Trainer-Genie, war hier, um den ganz großen Pokal zu holen. Das sehen viele in München so und noch mehr in Guardiolas Heimat Spanien.

Am Dienstagabend kurz vor Mitternacht nahm er instinktiv die Büßerhaltung ein. Er setzte sich quasi selbst auf die Anklagebank. "Ich weiß, was passieren wird. Sie schreiben ja bereits", rief er den Berichterstattern zu. Er meinte damit: Ihr werdet mich nun in der Luft zerreißen. Ihr werdet mir nachrufen, ich wäre ein Unvollendeter, ein Gescheiterter. Obwohl niemand nach diesem grandiosen Spiel gegen Atlético auf die Idee kam, das zu sagen, verteidigte sich Guardiola. "Ich weiß, ich habe mein Bestes gegeben. Das will ich den Leuten sagen." Und noch einmal: "Ich habe mein Leben für die Spieler gegeben, bis zur letzten Minute. Nun können die Leute sagen, was sie wollen. Ich bin sehr stolz."

Er erinnerte daran, dass seine Mannschaft eine tolle Champions-League-Saison gespielt habe. Dass sie gegen dieses Atlético mit der wohl stärksten Abwehr der Welt "drei, vier, fünf Tore" hätte schießen können. Dass sie alles umgesetzt habe, woran er glaube: "Nach vorne gehen, den Ball nehmen und passen", Chancen herausspielen. Er sei traurig für die Spieler, weil sie das nötige Ergebnis nicht erreicht hätten. Doch er sei glücklich, weil er ein großartiges Spiel seiner Mannschaft gesehen habe: "Ich bin so happy."

Das ist der Kosmos, in dem Pep Guardiola lebt. Er will seine Spieler verbessern, das Spiel seiner Mannschaft. Das Ergebnis spielt in seiner täglichen Arbeit eine nachrangige Rolle. Er glaubt, Ergebnisse sind die Konsequenz einer guten Leistung. Umso mehr hat er diesmal gelitten an der Seitenlinie. Denn er sah eine perfekte erste Halbzeit seiner Mannschaft. Er sah, wie sie nach dem Ausgleich durch Madrid mit purer Willenskraft und Enthusiasmus weiter nach vorne spielte und bis zum letzten Moment nicht nachlassen wollte.

Guardiola korrigierte für seine Verhältnisse kaum, lief dafür umso mehr auf und ab wie ein nervöser Eisbär im Tierpark. Nach dem 2:1 durch Robert Lewandowski blickte er in den schwarzen Nachthimmel, als bitte er dieses eine Mal um göttlichen Beistand. Pep Guardiola, der nicht an Ergebnissen gemessen werden will, weil es im Fußball bisweilen einfach blöd laufen kann, wollte dieses eine Mal schlicht das nötige Ergebnis. Für seine Mannschaft, die so fulminant spielte. Und für sich. Um Deutschland, wo er sich oft schlecht verstanden fühlte, vielleicht doch als Triumphator verlassen zu können.

Guardiola wünscht seinem Nachfolger schon mal alles Gute

Von ihm bleibt nun kein Henkeltopf in München. Nur seine Worte: "Ich habe vom ersten bis zum letzten Tag meinen Spielern helfen wollen. Ich habe viel gearbeitet, sehr viel, um die Bundesliga kennenzulernen, auch die deutsche Mentalität. Ich habe mein Bestes getan, ich habe kein regret. Das I would like to say."

Nun wartet aber noch der Endspurt in der Bundesliga. Und irgendwann das Pokalfinale. Kinkerlitzchen an diesem Abend. Beim Gedanken an die nahe Zukunft wirkte der Katalane wenig angetan. "Jetzt sind wir traurig, morgen noch mehr." Und in vier, fünf Tagen werden er und die Mannschaft merken, dass sie wirklich nicht im Finale stehen. "Das ist nicht gut."

Es klang wie eine Abschiedsrede. Und für einen feinen Charakter wie Pep Guardiola gehört zum Abschied dazu, seinem Nachfolger Glück zu wünschen: "Ich wollte das Finale erreichen und habe es nicht geschafft. Ich hoffe, Carlo Ancelotti kann das erreichen." Dass der neue Bayern-Trainer im kommenden Jahr eventuell auch Manchester City mit dem Kollegen Guardiola überwinden muss, macht es aber vermutlich nicht leichter.

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