FC Bayern:Guardiola: "Ich bin frei"

Abreise FC Bayern ins Trainingslager nach Doha

Bayern-Trainer Pep Guardiola wirkt gelöst - endlich kann er über seine Zukunft nachdenken.

(Foto: dpa)
  • München erlebt den ehrlichsten Pep Guardiola: Wie der Katalane seinen Abschied vom FC Bayern erklärt, ist beeindruckend.

Von Benedikt Warmbrunn

Am Ende einer Beziehung bleiben immer auch Sätze, kluge, schöne, unerhörte. Trainer Pep Guardiola hat in seiner bisher zweieinhalbjährigen Beziehung mit dem FC Bayern viele Sätze gesagt. Manche waren klug ("Der Ball ist immer schneller als die Beine!"), manche schön ("Ich liebe Hermann Gerland!"), einige auch unerhört ("Ich liebe Mario Mandzukic!"). Im Sommer, wenn diese dann dreijährigen Beziehung zu Ende gegangen sein wird, könnte der Grund für dieses Ende, das ja für einige im Verein zu früh kommt, jedoch in einem kleinen, kurzen Satz zu finden sein, drei Worte nur, aber ausnahmsweise: die ganze Wahrheit.

Dienstagmittag, das sogenannte Pressestüberl des FC Bayern. Pep Guardiola, mit dem der Klub die bisher vielleicht pathetischste Beziehung zu einem Trainer geführt hat, erklärt erstmals, warum er im Sommer gehen wird. In der Mitteilung, mit der die Klubführung vier Tage vor Weihnachten den Wechsel von Guardiola zu Carlo Ancelotti verkündet hatte, hatte er sich ja nicht zitieren lassen, er hatte ein halbes Jahr lang zu seiner Zukunft geschwiegen, und dieses Schweigen hielt er auch noch weitere zweieinhalb Wochen durch.

Nur der Name Manchester City kommt ihm nicht über die Lippen

Am Dienstag also redet Guardiola erstmals, es ist eine offene Rede, an manchen Stellen die ehrlichste seiner Jahre in München. Schließlich, Guardiola spricht schon seit einer halben Stunde, sagte er diesen einen Satz, drei Worte nur.

Er sagt: "Ich bin frei."

Guardiola spricht am Dienstag auch davon, wie glücklich er beim FC Bayern ist, wie stolz er auf diese Aufgabe und diese Mannschaft ist, aber das sind Aussagen aus dem Grundvokabular seiner Menschenfängerrhetorik. Die Freiheit dagegen, sie ist es, die diesen Menschen und Trainer ausmacht. Seine bisher stärksten Momente hatte Guardiola, wenn er sich gänzlich frei gefühlt hat. Er ist dann überraschend, ungewöhnlich, inspirierend.

So war das, als er 2013 nach einem Sabbatical nicht, wie von allen erwartet, nach England ging, sondern eben nach München. Als er es sich gleich zu Beginn seiner Zeit beim FC Bayern herausnahm, den weltbesten Außenverteidiger Philipp Lahm ins Zentrum des Spielfeldes zu stellen - und so den spielerischen Ansatz der Mannschaft auf eine höhere Stufe stellte. Oder auch, als sein ewiger Streitkamerad, der Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt zurückgetreten war - Guardiola trieb seine Mannschaft damals nach schweren Tagen mit taktischen Kniffen zu einem 6:1 gegen den FC Porto.

Wenn er sich dagegen nicht frei fühlte, wirkte Guardiola oft angegriffen. Zum Beispiel, als er das Gefühl hatte, sich im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid von seiner Mannschaft zu einer Aufstellung überreden lassen zu müssen - und mit dieser Aufstellung ausschied. Er fühlte sich auch nicht frei zu Beginn dieser Saison, als die Journalisten und auch ein klitzekleines bisschen die Klubbosse gespannt waren auf eine Aussage zu seiner Zukunft. Damals, im August, war der sensible Guardiola so nervös und gereizt wie selten in all den Münchner Monaten.

Am Dienstagmittag, bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im neuen Jahr, ist Guardiola dagegen locker, er ist gelöst, so sehr, dass er sogar darüber scherzt, wie überrascht er gewesen sei, als ihn nach dem Weihnachtsurlaub kein Journalist am Flughafen empfangen hatte. 40 Minuten spricht er insgesamt, die wichtigste Botschaft sagt er gleich zu Beginn, ehrlich, direkt, ohne Umwege. Guten Morgen, frohes neues Jahr, Gesundheit, und dann geht es endlich um seine Zukunft.

Neue Reize, auch für die Familie

"Der Grund, warum ich meinen Vertrag bei Bayern München nicht verlängere, ist einfach", sagt Guardiola, und falls es jemandem nicht einfach vorkommen sollte, sagt er den Satz zur Sicherheit zweimal: "Ich will in England in der Premier League trainieren. Ich will in England in der Premier League trainieren."

Guardiola begründet diese Verdoppelung später ausführlich, und jedes Argument führt letztlich näher zum Kern. Es geht ihm um die Freiheit. Da ist der Antrieb, Neues zu entdecken, Guardiola spricht von einer neuen Stadt, einem neuen Verein, von neuen Restaurants - das Unbekannte als Reiz, sagt er in einem seltenen privaten Moment, das sei auch ein Wert, den er seinen Kindern vermitteln möchte. Und da ist diese Furcht davor, die innere Freiheit zu verlieren. Dadurch, dass er zu lange in einer Stadt, einem Verein, denselben Restaurants bleibt.

"Ich brauche eine neue Herausforderung", sagt Guardiola - der FC Bayern sei ja nach dem FC Barcelona erst seine zweite Trainerstation. In England, sagt er, "will ich die Stimmung erleben, die Stadien, die Emotionen". Und er sei "kein Trainer, der 30 Jahre in einem Klub bleibt. Ich bin nicht gemütlich." Wäre er 55 oder 60, deutet er an, hätte er das Angebot des FC Bayern angenommen. Doch er, der 44-Jährige, sagt: "Ich will meine Karriere nicht beenden, ohne diese Erfahrung in England."

Die Aufgabe beim FC Bayern, so klingt der entspannte Guardiola am Dienstag, hat für ihn ein wenig an Reiz verloren - unabhängig davon, wie viele Titel er in der Rückrunde noch gewinnt (und ob die bisher nicht errungene Champions League einer davon ist). Mehrfach sagt er, dass am wertvollsten seine Hinrunden-Bilanz in drei Jahren Bundesliga sei: 51 Spiele, nur eine Niederlage. "Ich bin mir sicher, ich habe das Beste gemacht." Er glaube aber auch, dass für den Verein das gilt, was auch für ihn selbst gilt: Der FC Bayern brauche eine neue Herausforderung. Ob Ancelotti der richtige Nachfolger für ihn sei? "Ich denke", sagt Guardiola, "alles wird gut."

So offen und aufrichtig er am Dienstag auch spricht, zumindest ein kleines Rätsel hinterlässt er vor der Abreise ins Trainingslager nach Katar dann doch. Zu welchem Verein es ihn führen wird und ob das, wie alle erwarten, Manchester City sein wird, allein das hat Guardiola nicht verraten.

Diese Freiheit hat er sich einfach mal genommen.

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