Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in Gladbach:Der Frust sitzt tief

Von Christopher Gerards, Mönchengladbach

Am Ende wurde Joshua Kimmich über das Ausmaß seines Ärgers nach den vergangenen zwei Spielen befragt, und seine Antwort fiel sehr eindeutig aus. "Das ärgert mich unendlich", sagte Kimmich und ergänzte mit ruhiger Stimme: "Ich könnte durchdrehen."

Es gab viel Grund für Münchner Frustration an diesem Samstag in Mönchengladbach. Da war zum einen das Ergebnis: das 1:2 (0:0) im Spitzenspiel. Hinzu kamen aber auch jene Parallelen zum 1:2 gegen Leverkusen, auf die Kimmich von einem Reporter angesprochen worden war: dass die Münchner trotz vieler Chancen ihr Spiel erneut verloren haben. Und dann war da auch noch die Tatsache, dass auf Platz sieben der Bundesliga-Tabelle tatsächlich dieser Name steht: FC Bayern München.

Kimmich konnte am frühen Abend schon einen Hauptverantwortlichen für das Geschehene präsentieren: "Am Ende sind wir einfach nur selber schuld, dass wir wieder null Punkte mitnehmen." In der Analyse des Spiels herrschte auf Seiten der Münchner große Einigkeit darin, dass man zum einen gut begonnen und zum anderen viele Chancen ungenutzt gelassen habe. "Die erste Halbzeit haben wir ein sehr gutes Fußballspiel von uns gesehen", sagte Kimmich: "Wir hatten richtig viele Chancen, belohnen uns aber wieder nicht - wie letzte Woche auch schon."

Kimmich hat "selten einen klareren Elfmeter gesehen"

Er selbst war derjenige gewesen, der einem Treffer in der ersten Hälfte sehr nahe gekommen war. Mit einem kurz ausgeführten (und keinesfalls Gründerpreis-verdächtigen) Eckball überrumpelten die Bayern die Gladbacher, und Kimmich machte sich auf in die Mitte. Seinen zentralen Schuss konnte Sommer nicht richtig kontrollieren, stoppte aber den Ball, bevor dieser gänzlich die Linie überqueren konnte. Viele Münchner Namen tauchten bis zur Pause auf in der Kategorie "wurde gefährlich, hat aber nicht getroffen": Lewandowski etwa, Tolisso, Müller, Goretzka. Auf der anderen Seite ließ sich allein mit Wohlwollen der Name Pléa notieren. Es war dann Ivan Perisic, der die Münchner per hübschem Drehschuss in Führung brachte (49.).

Kurz darauf kippte das Spiel. Man habe "ein bisschen das mutige Fußballspielen eingestellt", haderte Kimmich. Und Kapitän Manuel Neuer befand, das Team habe "aufgehört mit der Selbstverständlichkeit, mit der Dominanz". Was die Ursachen anging, wirkte er selbst nicht sicher: "Es gab jetzt keine Anweisung oder keinen Grund dafür, damit aufzuhören. Aber wir haben es halt getan." Man habe "das Fußballspielen vergessen", sagte Trainer Hansi Flick und kritisierte, dass man den Ball zu wenig habe laufen lassen. Und Sportdirektor Hasan Salihamidzic meinte, dass die Bayern nach dem Tor "komplett" aufgehört hätten, Fußball zu spielen: "Man weiß nie aus welchem Grund. Und darüber muss man reden."

Per Kopfball nach einer Ecke glich Ramy Bensebaini aus (60.). Und schließlich grätschte kurz vor Schluss der eingewechselte Javi Martínez etwas zu wild gegen Marcus Thuram, per Elfmeter folgte das 2:1 durch Bensebaini in der Nachspielzeit. Die Art und Weise, wie Martínez den Zweikampf bestritt, fiel in die Kategorie "äußerst riskant", er sah Gelb-Rot. Zuspruch von den Kollegen konnte er nicht erwarten. "Ein dummes Foul" habe zum Elfmeter geführt, fand Neuer, und Kimmich sagte, er habe "selten einen klareren Elfmeter gesehen".

Der Plan: neun Punkte aus drei Spielen

Und jetzt? Die Bayern liegen sieben Punkte hinter Gladbach, fünf Punkte hinter Leipzig, zwei Punkte hinter Dortmund. Vor einem Jahr am 14. Spieltag betrug der Rückstand auf die Dortmunder gar neun Punkte, am Ende wurden die Bayern Meister. Kimmich glaubt aufgrund der Fülle an Teams an der Spitze, dass eine Aufholjagd in dieser Saison "deutlich schwieriger wird". Der Plan der Münchner für die kommenden Wochen ist sehr simpel: Man wolle das Champions-League-Spiel gegen Tottenham am Mittwoch gewinnen und in der Bundesliga "noch neun Punkte holen", sagte Thomas Müller. Und ergänzte: "Sonst schaut's schattig aus."

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SZ vom 08.12.2019/ebc/dsz
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