Nein, Herr van Gaal wollte nicht, das war klar. Und so sagte er auf die Frage, ob Torhüter Michael Rensing denn Pluspunkte gesammelt habe, ziemlich deutlich, dass er eigentlich nichts sagen möchte. "Ich denke, dass das eine rhetorische Frage ist." Dann sah er den Fragesteller mit einem Ausdruck an, den man entweder als Mitleid oder Herausforderung interpretieren konnte.
Immerhin hatte dafür die Mannschaft mit dem 7:6-Finalsieg nach Elfmeterschießen gegen Manchester United wie schon tags zuvor beim 4:1-Mailand einige Antworten geliefert - vor allem zur Arbeit ihres Trainers. Denn obwohl der Audi-Cup sich irgendwo zwischen letztem Härtestest und namhaft besetztem Gauditurnier mit internationalem Flair bewegt, lieferte er doch die Erkenntnis: Van Gaal hat die Bayern schon jetzt so geprägt, wie sich das der Verein nach dem eher ganzheitlichen Ansatz des verhinderten Unternehmensberaters Jürgen Klinsmann gewünscht hat, nämlich im Stile eines klassischen Ausbilders und Fußballlehrers.
Und obwohl van Gaal inzwischen vier Wochen die Übungen in München leitet, scheinen die Spieler noch immer geradezu dankbar über ganz simples Grundlagentraining. "Wir trainieren jeden Tag, saubere Pässe zu spielen, den Ball flach zu halten", freut sich Rensing. Schweinsteiger wiederum ist beeindruckt von dem geradlinigen Kurs van Gaals, der nach den Revolutions-Wirren der Klinsmann-Ära offenbar klare Orientierung gibt: "Er verlangt sehr viel von uns. Er korrigiert auch viel." Und der stets analysesichere Lahm sagt: "Jeder der Spieler weiß, was er zu tun hat."
Tatsächlich erweckten die 90 torlosen Minuten des Finals erneute den Anschein einer beeindruckenden Harmonie im FCB-Gefüge. Sie wissen, was sie tun. Und wie erwartet vertraut van Gaal dabei mehr einem klaren System als nur der Klasse einzelner, womöglich launischer Spieler mit dem Habitus eines Ribéry. Wahrscheinlich ist so zu erklären, dass ein fußballerisch vergleichsweise limitierter, eher strategisch veranlagter Kopffußballer wie van Bommel wohl zu recht und erneut die Verantwortung im defensiven Mittelfeld samt Kapitänsbinde übertragen bekommt.
Wie ein Netz spannten die Bayern ihr Spiel auf, in dem sich die lethargisch wirkenden Gäste ständig verrannten. So war es gegen Manchester allerdings auch schwierig, Spieler aus dem Kollektiv wirklich hervorzuheben. Die Innenverteidiger Breno und Demichelis? Schirmten Rensings Tor ab, waren aber auch nur selten gefordert. Die Spielorganisatoren Timoschtschuk, van Bommel oder auch Schweinsteiger? Zeigten alle ein sehr munteres Passspiel. Aber das wirklich geniale Zuspiel, das selten ein System, sondern ein individueller Geistesblitz erzeugt, fehlte. Die Stürmer Gomez und Müller? Liefen fleißig, aber häufig umsonst. So blieb es 90 Minuten lang beim 0:0, wobei die letzte halbe Stunde ohnehin den Wechselspielen der Trainer zum Opfer fiel.
Da war es mehr als nur eine Fußnote, dass ausgerechnet Torhüter Michael Rensing als sicherer Rückhalt zum Mann der Partie gekürt wurde und die Begegnung im Elfmeterschießen mit zwei Paraden entschied. Er ist ein Kandidat für jenen Posten, der sich positionsbedingt am schwierigsten in ein System einspannen lässt. Bei den Feldspielern stehen van Gaal notfalls zahlreiche Optionen zur Verfügung, um seine favorisierte 4-4-2-Rautenformation zu bestücken, die sich zudem ebenfalls verwerfen ließe. Jedoch hatte der Niederländer bislang im Grunde keine Nummer eins, sondern nur eine doppelte Nummer zwei.
Rensing leidet noch immer unter der Diskreditierung zum Ende der vergangenen Saison, als ihn Klinsmann recht plötzlich auf die Bank verdonnerte. Auch Hans-Jörg Butt genügt den Ansprüchen des FC Bayern eigentlich nicht. So könnte Rensing dank seiner Vorstellung und Butts Patzer wieder gleichgezogen haben, und es ist anzunehmen, dass ihn van Gaal völlig unvoreingenommen beurteilt. Entsprechend selbstbewusst und gut gelaunt trat Rensing vor die Mikrofone: "Ich habe ein gutes Gefühl." Und: "Ich werde erst gehen, wenn ich sehe, dass da ein besserer Torwart ist als ich." Ob es irgendwelche Indizien gebe, dass er auch in den nächsten Begegnungen im Tor steht? "Nein. Die Entscheidung liegt beim Trainer."
Also, noch ein letzter Versuch zur Schlussmann-Frage: "Der Torhüter, der am Sonntag im Pokalspiel gegen Neckarelz im Tor steht, ist das dann auch zum Saisonstart die Nummer eins?" Van Gaal: "Auch das werde ich noch entscheiden." Dann fügte er hinzu: "Aber ich glaube schon." Hat er dabei nicht sogar ein bisschen gelächelt?
FC Bayern - Manchester United 7:6 (0:0) i.E.
FC Bayern: Rensing, Lahm (62. Görlitz), Demichelis (62. Van Buyten), Breno (62. Badstuber), Braafheid, Van Bommel, Timoschtschuk (77. Ottl), Baumjohann, Schweinsteiger (62. Pranjic) Müller (77. Sene), Gomez (62. Sosa). Manchester United: Van der Sar - Fletcher, Ferdinand (69. Cathcart), Evans, Evra - Gibson (63. Valencia), Scholes, Giggs , Nani - Berbatov (78. Anderson), Owen (78. Rooney).
Elfmeterschießen: 0:1 Giggs, 1:1 Baumjohann, 1:2 Anderson, 2:2 Braafheid, 2:3 Nani, 3:3 Altintop, Evra verschießt, Pranjic verschießt, 3:4 Rooney, 4:4 Sosa, 4:5 Fletcher, 5:5 Ottl, 5:6 Scholes, 6:6 Badstuber, Evans verschießt, 7:6 Van Buyten Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München) Zuschauer:69.000 (ausverkauft)